# taz.de -- Blinder Sprinter bei Paralympics: Rennen im richtigen Rhythmus | |
> Der Para-Sprinter Marcel Böttger verpasst das Finale über 100 Meter. Das | |
> Laufen mit einem Guide ist für blinde Athleten eine komplexe | |
> Angelegenheit. | |
Bild: Nicht schnell genug: Marcel Böttger und Guide Alexander Kosenkow (links)… | |
Sprinten ohne das Geringste sehen zu können, können nur wenige so gut wie | |
Marcel Böttger. Bei der letzten Weltmeisterschaft belegte er den siebten | |
Platz. Entsprechend groß waren seine Erwartungen beim Start des | |
Halbfinallaufs. Das Finale über 100 Meter hatte er bei den Paralympics in | |
Paris fest im Visier. Doch es fehlten ihm letztlich zwei Zehntel. | |
Der 31-jährige Deutsche ist schon zum zweiten Mal bei den Paralympics | |
dabei. Er tritt in der Kategorie T11 an. Diese ist für Sportler, die ihr | |
Augenlicht komplett verloren haben, oder fast nichts sehen können. Eine | |
obligatorische lichtundurchlässige Brille sorgt für Chancengleichheit, | |
weshalb auch alle auf einen Guide angewiesen sind. Böttger läuft mit | |
Alexander Kosenkow, mit dem er über ein 30cm-langes Band verbunden ist. Bei | |
den Spielen in Tokio 2021 riss dieses Band und Böttger wurde | |
disqualifiziert. | |
11,18 Sekunden schnell hätte er dieses Mal in Paris sein müssen. Die | |
Leistungsdichte bei den paralympischen Spielen nimmt zu. Die Bestzeit von | |
Böttger beträgt 11,06 Sekunden. Das nahezu synchrone Laufen mit dem Partner | |
ist eine komplexe Angelegenheit. Beim gemeinsamen Sprinten kommt es auf den | |
Rhythmus an: „Wenn der Rhythmus nicht passt, funktioniert das ganze System | |
nicht – dann kommt die Geschwindigkeit nicht zustande“, sagt Böttger. | |
[1][Der Guide] sieht wie ein sprintender Schatten aus. Jeder Arm- und | |
Beinschwung des Athleten und des Guides müssen aufeinander abgestimmt sein. | |
Wenn das nicht der Fall ist, funktioniert nichts, so Böttger. Diese | |
Synchronität käme über Vertrauen. Er und sein Guide Kosenkow – der einst | |
selbst an Olympia teilnahm – haben sich dieses Vertrauen über Jahre | |
aufgebaut. | |
## Krebserkrankung im Kindesalter | |
Über die Technik dieser Disziplin erzählt Böttger: „Man merkt, welchen | |
Schritt Alex gehen kann und welchen Schritt ich gehen kann, daran passt man | |
sich halt an.“ Es gibt also keiner der beiden einen Takt vor, sondern beide | |
stimmen sich während des Rennens aufeinander ab. | |
Böttger und Kosenkow lernten sich in Böttgers erstem Verein in Wattenscheid | |
kennen. Dort trainierte der Guide bis dahin mit Katrin Müller-Rottgart – | |
die selbst dieses Jahr in der Kategorie T12 antritt. Sie gewann 2016 in Rio | |
die Bronzemedaille über 100m. Müller-Rottgart und Kosenkow beendeten 2019 | |
ihre Zusammenarbeit. Seit jeher sprintet Böttger mit Kosenkow. | |
Der gebürtige Kasseler verlor sein Augenlicht 2000 nach einer | |
Krebserkrankung im Kindesalter zunächst nur auf auf dem rechten Auge. Sein | |
linkes wurde durch die Therapie so stark beschädigt, dass er dort nur zwei | |
Prozent Sehkraft hat. Bei den [2][Paralympischen Spielen in Tokio] trat | |
Böttger noch in der Kategorie T12 an, die für Athleten mit etwas größerer | |
Sehfähigkeit sind. | |
Erst vor sechs Jahren begann er mit dem Sprinten, als er nach einer | |
Probestunde bei einem Leichtathletikverein gegen seine eigenen Erwartungen | |
begeistert war. Nun ist der Sprint Teil seines Lebens. „Das Schöne für mich | |
ist diese Freiheit, dieses nur Laufen, nix gucken, einfach nur Vollgas | |
geradeaus.“ | |
Für sein großes Ziel am Mittwoch in Paris hat es nicht gereicht. Vielleicht | |
ist er noch einmal in vier Jahren bei den Paralympics in Los Angeles dabei. | |
5 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Elias Schaal | |
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