# taz.de -- Ukraine bei den Paralympics: Gegen Krankheit und Russland | |
> Bei den Paralympics wurde Jaroslaw Okapinskyj Sechster im 400-Meter-Lauf. | |
> Die Motivation des Weltmeisters speist sich aus dem Krieg in seiner | |
> Heimat. | |
Bild: Jaroslaw Okapinskyj läuft auch für sein Land | |
„In unserem Sport fallen die Menschen oft kurz vorm Ziel hin. Dein | |
Konkurrent fällt. Und du musst dann quasi über ihn hinüber springen, um die | |
Ziellinie zu erreichen.“ Das erzählt der 25-jährige ukrainische | |
Paralympionike und Läufer Jaroslaw Okapinskyj aus der Westukraine über die | |
Besonderheiten seiner Sportart. | |
Okapinskyj war als Favorit zu den [1][Paralympics] in Paris gefahren. 2023 | |
war er bei den Athleten mit Muskel-Skelett-Erkrankungen über eine Distanz | |
von 400 Metern Weltmeister geworden. Um in Paris an den Paralympics | |
teilnehmen zu können, hat Okapinskyj auch während des [2][Kriegs] fünf Tage | |
am Stück trainiert und sich wöchentlich nur zwei Tage zum Ausruhen gegönnt. | |
In Paris belegte er am Mittwoch mit seiner persönlichen Bestleistung den 6. | |
Platz, wie schon vor drei Jahren in Tokio. | |
Als Kind machte der Junge mit zerebraler Lähmung Musik. Doch viel mehr | |
begeisterte er sich für Fußball. Das war sein großer Traum, zumal schon | |
mehrere Jungen aus seiner Region dort erfolgreich waren. Okapinskyjs Idol | |
war [3][Cristiano Ronaldo]. Und so ermutigte ihn sein Vater schließlich, | |
mit dem Fußballspielen zu beginnen. | |
Das Auswahlverfahren für die Jugendfußballauswahl für Sportler mit | |
zerebraler Lähmung bestand er jedoch nicht. „Dort waren reifere und | |
erfahrenere Sportler. Okapinskyj war damals noch jung und nicht | |
wettbewerbsfähig. Jetzt würde er sich dort beweisen, aber mittlerweile hat | |
er in der Para-Leichtathletik große Erfolge erzielt“, erklärt sein Trainer | |
Andrij Rozhok. | |
Okapinskyj kam mit 16 Jahren zur Leichtathletik. Sein Trainer ist | |
begeistert von seinem Durchhaltevermögen. Gerade für Sportler mit | |
Behinderung sei diese Eigenschaft sehr wichtig, da viele von ihnen beim | |
ersten Misserfolg aufgeben würden. „Manche Kinder sind wie Funken, sie | |
leuchten schnell auf und erlöschen dann genau so schnell wieder. Aber | |
Jaroslaw hält Belastungen stand. Er hat in aller Ruhe 8 Kilometer Langlauf | |
bewältigt“, erzählt Rozhok. | |
## Weitermachen, auch wenn es kein Geld gibt | |
2016 nahm Jaroslaw Okapinskyj zum ersten Mal an der ukrainischen | |
Meisterschaft teil. „Ich lag beim 400-Meter-Lauf gleichauf mit dem | |
stärksten Läufer des Wettbewerbs und konnte ihn auf der Zielgeraden | |
überholen. Aber dann bekam ich einen Krampf und bin gestürzt“, erinnert | |
sich Jaroslaw. Doch sein Trainer meldete ihn für einen 800-Meter-Lauf am | |
folgenden Tag an, und dort gewann Okapinskyj Silber. | |
Es gab eine Zeit, in der Okapinskyj daran dachte, seine Karriere zu | |
beenden. Kein seltenes Phänomen bei Para-Sportlern. Schließlich wollen sie | |
auch eine Job finden, eine Familie gründen, und der Sport verlangt | |
tägliches Training. Zugleich ist es unmöglich, im paralympischen Sport Geld | |
zu verdienen. | |
Seit 2017 gehört Okapinskyj zur Nationalmannschaft. Das hat ihn zum | |
Weitermachen motiviert. Er fing an, seine persönlichen Rekorde zu | |
verbessern, und nahm sogar an Wettbewerben mit gesunden Athleten teil. | |
„Das ist für Paralympioniken besonders wichtig, denn wir haben nur wenige | |
Wettbewerbe. Und gerade bei den Läufen mit gesunden Sportlern war Jaroslaw | |
stets bestrebt, persönliche Bestzeiten zu erreichen, auch, wenn er als | |
Letzter ins Ziel kam. Das hat ihn auch psychisch ruhiger werden lassen“, so | |
Trainer Rozhok. | |
Im vergangenen Jahr, bei den Para-Leichtathletik-WM in Paris, lag | |
Okapinskyj im Finale vor den Konkurrenten aus Polen und Brasilien. „Ich | |
habe nicht geglaubt, dass ich das schaffe. Wir kamen nebeneinander auf die | |
Zielgerade und ich dachte, ‚Ich werde wieder verlieren‘. Das hat mich | |
irgendwie gepuscht und ich bin als Erster ins Ziel gekommen“, sagt | |
Okapinskyj. | |
„Ich war dann nicht einmal besonders zufrieden mit mir, weil ich ein | |
besseres Ergebnis erwartet hatte. Aber die Gefühle eines Weltmeisters sind | |
unbeschreiblich, diese 50 Sekunden der Euphorie! Eigentlich trainiert man | |
das ganze Jahr lang nur für diese irren Glückssekunden.“ | |
Bei den Paralympics in Paris kämpft Okapinskyj derzeit nicht nur gegen | |
seine Krankheit und gegen seine Konkurrenten, sondern auch gegen Russland, | |
das sein Land überfallen hat. Doch die ukrainischen Sportler, die an den | |
Paralympics teilnehmen, dürfen sich nur eingeschränkt zum Thema Krieg | |
äußern. Das Internationale Paralympische Komitee hatte spezielle Regeln für | |
das Verhalten der Ukrainer aufgestellt. Alle sind darauf bedacht, Skandale | |
und Provokationen zu vermeiden. | |
„Ich bin zu den Paralympics gegangen, um zu gewinnen“, sagt Jaroslaw | |
Okapinskyj. „Niemand darf den Glauben an sich selbst verlieren, denn der | |
Glaube an sich selbst ist etwas, das einen immer begleitet.“ | |
Aus dem Ukrainischen übersetzt von Gaby Coldewey | |
4 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Juri Konkewitsch | |
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