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# taz.de -- Ex-DDR-Staatsoberhaupt in Berlin: Einmal DDR-Kuscheln mit Egon Krenz
> Zum 75. Jahrestag der DDR-Gründung tritt der einstige SED-Chef Egon Krenz
> in Berlin auf. Für Russland findet er lobende Worte, für die Ampel nicht.
Bild: Umgeben von Fans, am 5. Oktober bei einem Auftritt in Berlin: Egon Krenz
Berlin taz | Bevor der ehemalige Staatsratsvorsitzende des verschwundenen
Arbeiter- und Bauernstaats am Samstagabend die Bühne des Kino Babylon am
Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin betritt, gibt es kurz Zeit für Selfies. Ein
Jugendlicher legt seinen Arm um [1][Egon Krenz]. Stolz trägt der Knirps
sein blaues Shirt mit der Aufschrift „DDR“, obwohl die Zeit der Freien
Deutschen Jugend fast 35 Jahre zurückliegt.
[2][Manche Weggefährten wie Günter Schabowski änderten mit der Zeit ihre
Meinung über die DDR], Egon Krenz aber nicht. Der ehemalige Führer der SED
ist heute froh, bei jungen Menschen wieder Aufmerksamkeit zu bekommen.
Selbstverständlich macht der Politrentner aus Dierhagen an der Ostsee ein
Erinnerungsphoto für die nächste Generation. Der 87-Jährige hat seine treue
Anhängerschaft vor allem aber bei den Älteren. Seine One-Man-Show im Kino
Babylon ist restlos ausverkauft.
An diesem denkwürdigen Abend taucht die real verschwundene DDR wieder ein
wenig auf. Ein erster Gruß geht an die sozialistischen Brüder in Kuba, auch
ein anwesender Botschaftsrat Russlands wird persönlich erwähnt. Eine
Verantwortung für den mörderischen Krieg gegen die Ukraine bekommt Putin am
Samstag nicht zugeschrieben. Für Krenz ist ein gefährliches Russland nichts
weniger als „ein Märchen“.
## Klage über angeblichen Russlandhass
Von der Zeitung Junge Welt eingeladen, setzt Krenz sich hinter ein Pult.
Mit kräftiger Stimme schleudert er seine Evergreens ins Publikum, das
regelmäßig applaudiert. Die DDR sei ein antifaschistischer „Friedensstaat
an der Seite der Sowjetunion“ gewesen, beteuert er. Die Militarisierung des
Alltags und der Erziehung, die Propaganda und den tolerierten Einmarsch der
Roten Armee in der benachbarten Tschechoslowakei 1968 lässt der einstige
NVA-Soldat unerwähnt.
Der „friedlichen DDR“ setzt Krenz, der wegen des Schießbefehls an der
Berliner Mauer nach der Wende im Gefängnis saß, die Nato gegenüber, die den
Kosovo bombardiert habe. Auch die Ampel-Regierung nennt Krenz
„heuchlerisch“, weil sie keine „Verhandlungen“ mit Russland aufnimmt. D…
Moskau ein Telefonat mit Scholz vergangene Woche ablehnte, vergisst Krenz
zu sagen.
Zurecht betont er aber, dass seine NVA-Soldaten 1989 in den Kasernen
blieben. Nachdem Krenz im revolutionär-demokratischen Herbst im Politbüro
Erich Honecker gestürzt hatte, kam es nicht zum Kugelhagel in Berlin und an
den schwerstbewachten Grenzen.
Krenz nutzt seinen Auftritt zum Rundumschlag gegen die Bundesrepublik und
ihre Regierung. Er kritisiert eine angebliche Gleichsetzung der DDR mit
„Mief und Mauer“, mit „Stasi und Stacheldraht“. Dabei sei die DDR „ein
kinderfreundliches Land“ gewesen, sagt der mehrfache Großvater – ohne die
autoritären Jugendwerkhöfe mit einem Wort zu erwähnen. Auch preist Krenz
die Wohnungspolitik der DDR. „Wir bauten Millionen Wohnungen“, sagt er über
die neu errichteten Plattenbauten nach dem Krieg. Seine autoritär geführte
DDR habe zudem „kein Spekulantentum, Arbeitslose oder soziale Kälte“
gekannt. Wie Sahra Wagenknecht beklagt er eine „obszöne Kluft zwischen Arm
und Reich“.
## Auf Linie mit Wagenknecht
Und der in Moskau geschulte Ex-Funktionär predigt wie [3][Wagenknecht], die
AfD oder jüngst [4][Dietmar Woidke, Michael Kretschmer und Mario Voigt] den
Austausch mit dem Kreml. Die Verantwortung fürs blutige Sterben an der
ukrainischen Front kommt ihm nicht über die Lippen. Krenz kritisiert auch
einen angeblichen Russenhass, „das alte Feindbild“.
Und er wehrt sich gegen eine Gleichsetzung von 40 Jahre DDR mit der
zwölfjährigen Zeit des Nationalsozialismus. „Die Ostdeutschen sind nicht
braun“, mahnt er. Die Waffenlieferungen an die überfallene Ukraine lehnt er
ebenso ab wie die Stationierung von amerikanischen Raketen in Deutschland.
Die Ampel-Regierung müsse die Signale der Bevölkerung wahrnehmen. „Hört
zu“, befiehlt der einstige SED-Chef Krenz.
6 Oct 2024
## LINKS
[1] /PDS-Rauswurf-von-Egon-Krenz-1990/!5654863
[2] /Nachruf-Guenter-Schabowski/!5242980
[3] /Friedensdemo-in-Berlin/!6037060
[4] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/ukraine-krieg-kretschmer-woidke-…
## AUTOREN
Rob Savelberg
## TAGS
Deutsche Einheit
DDR
SED-Diktatur
SED
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Stasi
DDR
Schwerpunkt AfD
Politisches Buch
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