# taz.de -- Wohnungsnot in Deutschland: Kaum noch Baugenehmigungen | |
> Selbst ein WG-Zimmer kostet in Deutschland im Schnitt mittlerweile 489 | |
> Euro im Monat. Derweil gerät die Bauwirtschaft immer tiefer in die Krise. | |
Bild: Es wird gebaut, aber zu wenig, zu teuer und nicht dort, wo es drauf ankom… | |
Berlin taz | Während [1][Mietwohnungen] immer knapper und teurer werden, | |
gerät die Bauwirtschaft immer stärker in die Krise. Im Juli brach die Zahl | |
der Baugenehmigungen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 19,2 Prozent ein, | |
wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch bekanntgab. Damit wurde in dem | |
Sommermonat der Bau von nur noch 17.000 Wohnungen genehmigt. Zwei Jahre | |
zuvor hatte die Zahl der Genehmigungen noch bei über 30.0000 Wohnungen | |
gelegen. | |
„Der Boden ist damit immer noch nicht erreicht und zaghafte | |
Stabilisierungszeichen aus den Vormonaten haben sich als trügerisch | |
erwiesen“, kommentierte der Direktor des Instituts für Makroökonomie und | |
Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien, diese Entwicklung. Das | |
aktuelle Niveau der Baugenehmigungen entspreche nur rund 200.000 neu | |
gebauten Wohnungen pro Jahr. „Das ursprüngliche Ziel der Bundesregierung, | |
dass jedes Jahr 400.000 neue Wohnungen in Deutschland entstehen sollen, | |
liegt nun für diese Legislaturperiode in unerreichbarer Ferne.“ | |
Derzeit arbeiten noch rund 2,6 Millionen Beschäftigte im Baugewerbe. Lange | |
Zeit ging es der Branche aufgrund niedriger Zinsen relativ gut. Als das | |
[2][Bruttoinlandsprodukt] wegen der Coronakrise 2020 um 4,1 Prozent | |
einbrach, legte die Bauwirtschaft noch um 4,0 zu. Die Wende kam mit | |
steigenden Kosten und vor allem steigenden Zinsen infolge des russischen | |
Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022. Denn die Europäische Zentralbank | |
(EZB) bekämpfte den dadurch ausgelösten Anstieg der Inflation mit höheren | |
Zinsen. Dies verteuerte Kredite, was sich wiederum negativ auf | |
Immobilienpreise und Bauwirtschaft auswirkte. | |
Zwar hat die EZB die Zinsen zwischenzeitlich wieder leicht gesenkt. Doch | |
ist sie laut Dullien dabei zu zögerlich. „Die Zinsen für zehnjährige | |
Immobilienkredite hatten sich zeitweise von rund einem Prozent fast | |
vervierfacht und liegen heute immer noch mehr als dreimal so hoch wie zum | |
Tiefpunkt“, erklärt der Experte. „Die Wohnungsnot in den deutschen | |
Ballungsgebieten wird damit absehbar anhalten.“ | |
## 489 Euro für ein WG-Zimmer | |
Wie groß die Wohnungsnot derzeit ist, dürften im bald beginnenden neuen | |
Semester auch viele Studierende merken. Mittlerweile kostet ein WG-Zimmer | |
an einem deutschen Hochschulstandort im Schnitt 489 Euro pro Monat. Die | |
Zimmer sind damit im Schnitt um 17 Euro teurer als im Wintersemester | |
2023/24, wie eine aktuelle Studie zeigt, die das Moses-Mendelssohn-Institut | |
in Kooperation mit der Onlineplattform wg-gesucht.de erstellte. Vor dem | |
Wintersemester 2013/2014 hat ein WG-Zimmer im Schnitt noch 324 Euro | |
gekostet. | |
Für ihre Analyse werteten die Forschenden mehr als 9.000 Angebote für | |
WG-Zimmer aus. Besonders viel müssen demnach Studierende in München | |
berappen. In der bayerischen Landeshauptstadt kostet ein WG-Zimmer im | |
Mittel 790 Euro im Monat. Das sind 40 Euro mehr als ein Jahr zuvor. | |
Zweitteuerste Stadt ist Frankfurt am Main mit 680 Euro. Nummer drei ist | |
Berlin. Hier bleibt die Miete mit 650 Euro konstant hoch. | |
Eine Trendwende auf dem Wohnungsmarkt wird es unterdessen so bald nicht | |
geben. Laut Ökonom Dullien ist sie frühestens im späteren Jahresverlauf | |
2025 zu erwarten, „wenn die EZB die Zinsen spürbar gesenkt hat und sich | |
diese [3][Zinssenkungen] auch auf die Baunachfrage durchschlagen“. | |
18 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Simon Poelchau | |
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