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# taz.de -- Sexualisierte Gewalt im Ukrainekrieg: Hilfe aus Bukavu für die Opf…
> Kaum jemand hat so viel Erfahrung mit Opfern sexualisierter Kriegsgewalt
> wie Denis Mukwege. Jetzt hilft der kongolesische Arzt der Ukraine.
Bild: Der kongolesische Arzt und Nobelpreisträger Denis Mukwege
Kampala/Berlin taz | Im Spalier haben sich die Krankenschwestern und Ärzte
des kongolesischen Panzi-Krankenhauses aufgestellt, um eine Delegation aus
der Ukraine zu empfangen. Der kongolesische Chefarzt, [1][Denis Mukwege],
begrüßt den ukrainischen Delegationsleiter, Vasyl Lutsyk, mit einem warmen
Handschlag.
Kein Land der Welt hat in der Behandlung von sexualisierter Gewalt so viele
Erfahrungen gesammelt wie die Demokratische Republik Kongo – und davon will
die ukrainische Delegation jetzt profitieren.
In der DR Kongo gehören brutale Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen –
aber zunehmend auch von Männern – seit Jahrzehnten zu den Gewalterfahrungen
des Krieges. Seit 2010 gilt das Land als der „schlimmste Ort der Welt, eine
Frau zu sein“. Laut den jüngsten Angaben des Internationalen Roten Kreuzes
haben mehr als die Hälfte der kongolesischen Frauen Erfahrungen mit
irgendeiner Form körperlicher Gewalt, und mehr als 27 Prozent sind Opfer
sexualisierter Gewalt.
Vor diesem Hintergrund hat das Panzi-Krankenhaus in der ostkongolesischen
Stadt Bukavu, Hauptstadt der Provinz Süd-Kivu und Austragungsort
zahlreicher Kriege, weltweit traurige Berühmtheit erlangt. Denn die Klinik
ist spezialisiert auf besonders brutale Verletzungen, die operiert werden
müssen, sowie auf die psychologische Behandlung von Gewaltopfern.
Panzi-Chefarzt Mukwege [2][erhielt 2018 den Friedensnobelpreis] für seine
„Bemühungen, den Einsatz sexueller Gewalt als Waffe in Kriegen und
bewaffneten Konflikten zu beenden“, wie es auf der Internetseite des
Nobelpreiskomitees heißt.
## Ukrainische Psycholog*innen waren völlig überfordert
Im April 2022 wurden Mukwege und seine Mitarbeiter zum ersten Mal in die
Ukraine eingeladen. Im Juli 2022 unterzeichneten seine Stiftung und das
Panzi-Krankenhaus mit der Ukraine ein Partnerschaftsabkommen. Laut diesem
sollen die ganzheitlichen Ansätze der Behandlung von Opfern sexualisierter
Gewalt im ukrainischen Gesundheitssystem verankert werden. Dazu gehören
nicht nur medizinische Eingriffe, sondern spezielle
Traumabehandlungsmethoden sowie die juristische und wirtschaftliche
Unterstützung für Gewaltopfer.
Kurz nach der Unterzeichnung des Abkommens begannen die Experten des
Panzi-Krankenhauses via Internet mit Schulungen ihrer ukrainischen Partner,
darunter Erste-Hilfe-Teams und Sanitäter, aber auch Psychologen sowie
diejenigen, die telefonische Notrufe von Gewaltopfern entgegennehmen.
Ziel war es laut Mukweges Stiftung, diejenigen in Stress-Management und
Self-Care zu schulen, die mit den Gewaltopfern täglich umgehen. Vor allem
ukrainische Psycholog*innen waren zu Beginn mit den
[3][Horrorgeschichten, die die Gewaltopfer berichteten], komplett
überfordert, heißt es in einem Projektbericht der Stiftung.
Über 300 Fälle von durch russische Militärs an Ukrainer*innen verübter
sexueller Gewalt hat die ukrainische Generalstaatsanwaltschaft
dokumentiert. Die Zahl der nicht dokumentierten sexuellen Gewaltakte dürfte
um einiges darüber liegen.
## Der Krieg treibt auch häusliche Gewalt an
„Viele sprechen erst jetzt über die ihnen angetane sexuelle Gewalt“,
berichtet die Charkiwer Menschenrechtsanwältin Tamila Bespala der taz. Sie
betreut und berät Personen, die in zeitweise von Russland besetzten
Gebieten lebten.
Aber auch in der ukrainischen Gesellschaft nimmt die Gewalt zu. In einem
Gespräch mit der ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrinform spricht die
stellvertretende Innenministerin Katerina Pawlitschenko von einer Zunahme
häuslicher Gewalt. „Viele Faktoren beeinflussen die Zunahme der häuslichen
Gewalt in der Ukraine. Die meisten davon stehen im Zusammenhang mit dem
Krieg. Die Rückkehr von Veteranen von der Front ist einer davon.“ Der
Krieg, so die Ministerin, sei ein Nährboden der Gewalt.
Vor diesem Hintergrund hat die Internationale Migrationsorganisation (IOM)
in der Ukraine eine Hotline eingerichtet, an die sich Bedrohte wenden
können. Deren Mitarbeiter werden nun von ihren kongolesischen Partnern
ausgebildet und beraten.
„Ich bin sehr berührt, dass Sie den ganzen Weg hierher gekommen sind“,
sagte Mukwege gegenüber seinen ukrainischen Partnern, während er ihnen das
Panzi-Krankenhaus im Kongo zeigte. „Aber ich denke auch, dass die
internationale Solidarität uns helfen kann, gegen diese Barbarei
vorzugehen, in welcher Frauen und Frauenkörper zum Schlachtfeld geworden
sind.“
17 Sep 2024
## LINKS
[1] /Friedensnobelpreistraeger-Denis-Mukwege/!5965352
[2] /Friedensnobelpreistraeger-Denis-Mukwege/!5541796
[3] /Chorstueck-mit-ukrainischen-Frauen/!5967140
## AUTOREN
Bernhard Clasen
Simone Schlindwein
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Sexualisierte Gewalt
Vergewaltigung
Trauma
Denis Mukwege
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
GNS
Feminismus
Geflüchtete Frauen
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
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