# taz.de -- Festival Meakusma in Eupen: Wo Bassboxen die Stars sind | |
> Um froh zu sein, bedarf es wenig mehr als des Wummerns eines | |
> Soundsystems. Eindrücke vom Musikfestival Meakusma im belgischen Eupen. | |
Bild: Die Meute im Banne der Bassboxen des 54Soundsystems beim Festival Meakusm… | |
Eupen taz | Ein ungewohnter Blick: Da legt jemand fantastisch auf und keine | |
der Tänzer*innen schaut in Richtung des DJ-Pults. Vergangenes Wochenende | |
war das der angenehme Fall, beim Hinterhof-Openair-Dancefloor während des | |
Meakusma Festivals im ostbelgischen Eupen. [1][Dort sind nicht die | |
Auflegenden die Stars, sondern es ist das riesige Dub-Soundsystem] des | |
54Kolaktiv aus Brüssel. Seine warmen, tieftönenden, Basssounds strömen aus | |
einer selbstgebauten Lautsprecherwand. | |
Wie üblich werden sie beim Meakusma hochdivers angesteuert: Neben dem | |
historischen Überblick des Berliner Dub-DJs Arthur spielt unter anderem der | |
Brite Elijah Minelli einen sehr eigenwilligen Mix aus Dub und Volksmusiken. | |
Später am Abend holt der Brüsseler DJ Le Motel wiederum Sounds aus der | |
Anlage, die dem sogenannten Psy-Trance nahekommen. | |
Ausgangspunkt für diese umsichtige Programmierung ist die vehemente | |
Behauptung des Meakusma Festivals, dass Musik etliche Formen bilden kann – | |
und jede von ihnen ihre eigene Bedeutung annimmt. [2][Mit dieser | |
Bestimmtheit organisiert man ein Festival, dass für viele Jünger*innen | |
randständiger und experimenteller Musiken zum fixen Termin im Kalender | |
geworden ist.] | |
Um auf dieses Level zu kommen, brauchte Meakusma je nach Zählweise 20 | |
beziehungsweise 8 Jahre. 2004 gründete sich eine Graswurzelbewegung, ins | |
Leben gerufen von Musiknerds, die im deutschsprachigen Landesteil Belgiens | |
etwas auf die Beine stellen wollten. Auf erste Konzerte folgte ein | |
Plattenlabel – und schließlich kam vor acht Jahren dann das Festival hinzu. | |
## Verwandte Musiken | |
Dub ist wohlgemerkt nur eine von vielen Klangsignaturen, und nicht alle | |
Veranstaltungen finden auf dem weiträumigen Gelände des Alten Schlachthofs | |
statt. Das Festival wächst allmählich in die Kleinstadt hinein. Zum | |
Beispiel in eine große Mall, dem Eupen Plaza, die schon seit Jahren leer | |
steht. Der in Brüssel lebende Franzose Maxime Denuc und der Bühnenbildner | |
Kris Verdonck installierten in einer im Rohbau befindlichen Halle im | |
Inneren des Einkaufszentrums eine Klangskulptur. | |
Maxime Denuc lotet seit einiger Zeit die Verwandtschaft von Barockmusik des | |
16. Jahrhunderts mit dem zeitgenössischem Trance aus. In der Mall darf dann | |
eine selbst gebaute Orgel in dem spärlich beleuchteten Raum leicht leiernde | |
Klänge von sich geben, die durchaus an große Raves und ihre Sirenen | |
erinnern – und für eine erstaunlich berührende Stimmung sorgt. | |
Von hier aus geht es einen Hügel hinauf zur Galerie Vorn und Oben, wo das | |
Experimental-Label Dispari gastiert. Die Konzertinstallation der Schweizer | |
Künstlerin Angela Anzi ist später das Bühnenbild für die Hamburger | |
Künstlerin Tintin Patrone und ihr effektgeladenes Posaunenkonzert. Wieder | |
am Schlachthof steht das internationale Publikum für die Münchner | |
Diskurspopband F.S.K. an. | |
[3][Die theoriegeladenen deutschsprachigen Texte aus der Feder von Thomas | |
Meinecke sorgen bei Engländer*innen und Französ*innen zwar für | |
Fragezeichen], der rumpelnde New-Wave- und Disco-Beat, der die meisten | |
Stücke antreibt, steht aber im Mittelpunkt. Meinecke sagt: „It’s all about | |
the music!“, aber hebt auch mal an, um auf Englisch über Theodor W. Adornos | |
Lieblingsort Amorbach zu sprechen. | |
## Geschult am Dilettantismus | |
Die Spielhaltung von F.S.K., die auch mal Fehler umarmt, ist geschult am | |
Dilettantismus der frühen Achtziger und dürfte inzwischen eine Seltenheit | |
sein. Viele der jüngeren Kolleg*innen klingen perfekter: Zahlreiche Sets | |
– von Konzert wagt man kaum noch zu sprechen – kommen aus der Maschine. Die | |
Ausdrucksweisen sind so mannigfaltig, wie es bei über 120 Auftretenden eben | |
normal ist. | |
Das stetig gewachsene Festival-Programm führt derweil auch zu Zwickmühlen: | |
Möchte man lieber bei landestypischen Pommes frites mit scharfem Senf Kraft | |
tanken oder einfach noch eine künstlerische Darbietung anschauen? Wem kann | |
man erzählen, wie abgebrüht die Amsterdamer Gruppe Devon Rexi Brücken | |
schlägt zwischen Dub, Post-Punk à la ESG und heutiger | |
Community-Radio-Kultur? | |
Oder darüber, wie herzerwärmend familiär das Live-Set des britischen | |
Elektronikproduzenten Dan Nicholls wirkt, der am Samstagnachmittag seine | |
Synthie-Sounds gluckern lässt, während seine kleine Tochter spontan Musik | |
Zeichnungen auf einem Block anfertigt. | |
Genau dies macht den Charme des Meakusma Festivals doch aus: Jene, die von | |
Programmpunkt zu Programmpunkt im Laufschritt wollen, können das machen. | |
Andere chillen den ganzen Tag über am Soundsystem des 54Kolativ. | |
5 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Meakusma-Festival-in-Eupen/Belgien/!5621260 | |
[2] /Meakusma-Festival-in-Belgien/!5879015 | |
[3] /Unabhaengiger-Plattenladen-Optimal/!5898442 | |
## AUTOREN | |
Lars Fleischmann | |
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