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# taz.de -- Queerfeindlicher Pastor in Bremen: Wie umgehen mit dem Hassprediger?
> Nach der Verfahrenseinstellung gegen Pastor Olaf Latzel: Die Stimmen, die
> von der Kirchenleitung eine Entscheidung fordern, mehren sich.
Bild: Immerhin oben herrscht Ruhe: Turmspitze der St. Martini Kirche in Bremen
Bremen taz | Wie geht es weiter mit dem Hassprediger in den eigenen Reihen?
Vor dieser Frage steht die Bremische Evangelische Kirche (BEK) nach [1][der
endgültigen Einstellung des Verfahrens gegen Pastor Olaf Latzel] am
Mittwoch.
Nachdem sich der 57-Jährige 2019 abwertend über queere Menschen geäußert
hatte, sprach ihn 2022 das Landgericht Bremen [2][in zweiter Instanz vom
Vorwurf der Volksverhetzung frei]. Die Staatsanwaltschaft legte erfolgreich
Berufung ein, der Fall landete erneut vor dem Landgericht. Dort hat sich
Latzel jetzt entschuldigt und in eine Zahlung von 5.000 Euro an einen
queeren Verein eingewilligt.
Damit fehlt der Bremer Kirchenleitung ein Urteil, auf das sie
arbeitsrechtliche Konsequenzen gründen könnte. Diese hatte sie 2020 mit
einem Disziplinarverfahren angekündigt, das für die Dauer des Rechtsstreits
ausgesetzt worden war. In einem Statement der BEK heißt es nun, die
Kirchenleitung werde „den Beschluss des Gerichts bewerten“. Mit diesem läge
„ein Orientierungsrahmen für das Disziplinarverfahren“ vor.
Deutlichere Worte findet Norbert Harms, Pastor der Martin-Luther-Gemeinde
im Stadtteil Findorff. Er ist der einzige Bremer Pastor, der öffentlich
Stellung gegen Latzel bezieht. [3][Der berufe sich auf die reine Lehre],
also die wörtliche Bibelauslegung und stelle damit Lebensformen infrage.
Das sei „Lichtjahre davon entfernt, was der Mensch Jesus in die Welt
gebracht hat“.
## Umgang mit fundamentalistischen Gruppen
In der BEK gebe es „Streit über den Umgang mit fundamentalistischen
Gruppen“, sagt Harms der taz. Dabei gehe es auch um Machterhalt, weil „wir
weniger werden, wenn wir die Fundamentalisten verlieren“. Der Preis für den
Zusammenhalt sei aber hoch: „Dann verlieren wir die, die unter
fundamentalistischer Ausgrenzung und Abwertung leiden.“
Harms sagt, er vertraue der Kirchenleitung, fordert aber „eine neue
Gewichtung im Disziplinarrecht“. Es müsse klarer in den Blick kommen, „ob
und wie jede und jeder einzelne die Würde derer achtet, die uns begegnen,
die uns zuhören oder über die wir reden“.
Die Gleichstellungsbeauftragte der BEK, Antonia Rumpf, sagt, sie habe sich
eine andere Entscheidung des Gerichts gewünscht. „Ich finde es wichtig,
dass marginalisierte Menschen darauf vertrauen können, dass der Staat ihre
Menschenwürde konsequent schützt.“ Dabei sei es wichtig zu entscheiden, „…
welchen Punkten die Religionsfreiheit an ihre Grenzen stößt, weil die
Menschenwürde anderer verletzt wird“. Das gelte nicht nur für Latzel,
sondern auch für andere Geistliche, die sich ähnlich äußern.
Ein*e queere*r Pastor*in nimmt die Kirchenleitung in Schutz. Er*sie
möchte anonym bleiben. Weil es zwar eine Reihe von schwulen und lesbischen
Pastor*innen gibt, diese aber in der Minderheit sind, wird das
Geschlecht der Person in diesem Text nicht genannt. „Ich fühle mich in der
BEK sehr wohl“, sagt er*sie, „wir dürfen hier als queere Pfarrer*innen
so sein, wie wir sind.“
## Hoffnung auf Disziplinarverfahren
Er*sie schaut hoffnungsvoll auf den Ausgang des Disziplinarverfahrens,
denn die Kirchenleitung habe sich 2020, als Latzels Äußerungen bekannt
wurden, „sehr klar positioniert“. Die Kirchenleitung nehme queere
Mitarbeiter*innen ernst und sei von dem*der Pastor*in als
„rückenstärkend“ erlebt worden. Er*sie hat auch Verständnis dafür, dass
die Kirchenleitung sich jetzt nicht klarer äußert, denn sie müsse sich „an
das kirchliche Arbeitsrecht halten“.
Sollte das Disziplinarverfahren mit dem Rauswurf Latzels enden, würden dies
queerpolitische Institutionen begrüßen. „Wir sind zutiefst enttäuscht und
frustriert über den ausbleibenden Schuldspruch gegen Olaf Latzel“, sagt
Rebecca Gefken, stellvertretende Geschäftsführerin der feministischen und
queerpolitischen Organisation Belladonna, die als Teil des Bündnisses
Queerlobby den Prozess gegen Latzel verfolgt hat.
Die Entschuldigung Latzels, die zur Einstellung des Verfahrens beigetragen
hatte, kann Gefken nicht ernstnehmen. Dass darin von „Gendermenschen“ die
Rede ist, demonstriere Latzels „fehlendes Interesse an einer echten
Auseinandersetzung mit queeren Menschen und ihren Lebensrealitäten“, so
Gefken.
Sie spricht aus Erfahrung, denn sie ist selbst im christlich
fundamentalistischem Umfeld in Bremen aufgewachsen und hat viele
Gottesdienste von Latzel besucht. Als sie merkte, dass sie queer ist, sei
das „das Schlimmste“ gewesen, was sie sich vorstellen konnte: „Ich habe
mich falsch und sündig gefühlt.“ Gefken ist froh, dass sie den Weg aus dem
evangelikalen Umfeld gefunden hat, aber sie wünscht sich, dass „keine
jungen Queers die gleichen Schmerzen, die gleiche Ablehnung durchmachen
müssen, so wie ich es musste“.
1 Sep 2024
## LINKS
[1] /Queerfeindlicher-Hassprediger-aus-Bremen/!6029959
[2] /Jurist-ueber-Freispruch-von-Olaf-Latzel/!5853573
[3] /Queerfeindlicher-Bremer-Pastor/!6033547
## AUTOREN
Franziska Betz
## TAGS
Bremen
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