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# taz.de -- Koloniales Erbe der Hansestadt: Hamburg sägt Forschungsstelle ab
> Die Forschungsstelle zur Aufarbeitung von Hamburgs kolonialem Erbe gilt
> als Vorbild. Doch streicht der Senat Gelder und besiegelt damit wohl ihr
> Ende.
Bild: Deutschlands höchstes Kolonialdenkmal: Bismarck-Statue in Hamburg
Hamburg taz | Die Forschungsstelle zur Aufarbeitung von Hamburgs
[1][kolonialem Erbe] soll zehn Jahre nach ihrer Gründung in ihrer aktuellen
Form abgeschafft werden. Obwohl sich die Regierungsparteien SPD und Grüne
noch im April zu der Forschungsstelle bekannt hatten, plädierten ihre
Vertreter wenige Monate später im Wissenschaftsausschuss für eine
Überführung in die Universität. Dieses Schicksal wurde in der
Bürgerschaftssitzung vergangene Woche praktisch besiegelt.
Hamburg war mit seinem Hafen ein zentraler Knotenpunkt des deutschen
Kolonialismus. Deshalb richtete der Senat 2014 die Forschungsstelle
„Hamburgs (post-)koloniales Erbe – Hamburg und die (frühe) Globalisierung�…
ein. Die Initiative gilt bundesweit als sehr erfolgreiches und
vorbildliches Projekt.
„Vom kolonialen Erbe der Stadt ist bis heute nur ein Bruchteil
aufgearbeitet“, sagt der Leiter der Forschungsstelle, Jürgen Zimmerer, der
taz. „Das Petitum des Wissenschaftsausschusses bedeutet jedoch das Ende der
Forschungsstelle.“ Darin ist vorgesehen, dass die Forschungsstelle
letztmalig 150.000 Euro für die nächsten zwei Jahre von der Stadt erhalten
soll.
Zum Vergleich: Bisher wurde sie mit etwa 200.000 Euro pro Jahr finanziert.
Insgesamt werden so über 60 Prozent der Mittel eingekürzt. „Von meinen zwei
Mitarbeitern kann ich nicht mal einen voll weiterbeschäftigen. Sie bewerben
sich jetzt beide auf neue Stellen“, sagt Zimmerer dazu.
## Behörde weist Vorwürfe zurück
Die Wissenschaftsbehörde und Vertreter der Regierungsparteien weisen Kritik
an ihrer Entscheidung scharf zurück. Sie betonen, dass die Arbeit der
Forschungsstelle weiterlaufen könne. Dafür soll die Forschungsstelle in die
Universität Hamburg eingegliedert werden.
„Aus der Projekt- soll eine Regelfinanzierung werden“, schreibt dazu die
Wissenschaftsbehörde in einer Stellungnahme auf Anfrage der taz. „So kann
die Forschung zum postkolonialen Erbe langfristig strukturell und
finanziell abgesichert werden.“ Die Universitätsleitung werde die
postkoloniale Forschung stärken und in den Regelbetrieb eingliedern. Zudem
habe die Universität mit der Behörde die Schaffung einer Dauerstelle
abgesprochen.
Bisher ist jedoch unklar, welche finanziellen Mittel die Universität genau
bereitstellen kann und will, um die Forschung zu fördern. Die aktuell
bestehende Finanzierungslücke von über 60 Prozent der bisherigen Summe soll
wohl zum Teil über Drittmittel gedeckt werden. „Drittmittelfinanzierung
bedeutet Drittmittellotterie. So eine wichtige Aufgabe kann man nicht
darüber betreiben“, sagt dazu Zimmerer.
„Ich fand die Äußerungen der Universität im Wissenschaftsausschuss sehr
unpräzise und habe nicht den Eindruck, dass die Universität einen konkreten
Plan hat, wie sie die Arbeit zu diesem Thema weiterführen will“, kritisiert
auch der Bürgerschaftsabgeordnete Norbert Hackbusch, der für die
Linksfraktion Mitglied im Wissenschaftsausschuss ist.
## Schluss innerhalb der Universität?
Hackbusch und Zimmerer betonen außerdem, dass die Eingliederung in die
Universität überhaupt nicht mit dem bisherigen Status der Forschungsstelle
vergleichbar sei. Denn die Forschungsstelle hat aktuell einen konkreten
Auftrag der Bürgerschaft zur Aufarbeitung von Hamburgs kolonialem Erbe und
ist daran gebunden. Innerhalb der Universität könnte dieser Auftrag
aufgrund der Wissenschaftsfreiheit einfach aufgegeben werden, wenn die
Universitätsleitung andere Forschungsschwerpunkte setzen möchte.
„Ich werde in den nächsten Jahren in Rente gehen. Meine Sorge ist, dass
sich nach mir niemand mehr um dieses Thema kümmern wird, wenn das nicht
institutionell gesichert ist“, sagt Zimmerer.
Auch diese Bedenken werden von der Wissenschaftsbehörde und Vertretern der
Regierungsfraktionen zurückgewiesen. Peter Zamory, der die Zukunft der
Forschungsstelle für die Grünen im Wissenschaftsausschuss verhandelt hat,
sagt der taz: „Die Vertreter der Universität Hamburg und die
Wissenschaftssenatorin haben uns im Ausschuss zugesichert, dass die
bisherige Arbeit der Forschungsstelle innerhalb der Universität
weitergeführt werden kann.“
Zudem sei die Überführung in die Universität entgegen Zimmerers Bedenken
eben gerade darauf ausgelegt, die Arbeit langfristig zu sichern. „Wir
machen das auch, um die [2][postkoloniale] Forschung zu schützen. Wenn die
Regierung in Hamburg sich ändern sollte, bräuchte es aktuell nur einen
Federstrich, um die Forschungsstelle abzuschaffen“, sagt Zamory. Gerade mit
Blick auf die erstarkende AfD sei es deshalb wichtig, unabhängige
Wissenschaft im Rahmen der Universitäten zu unterstützen.
Jürgen Zimmerer traut diesen Zusagen über die Zukunft seiner Forschung auch
deshalb nicht, weil er in die bisherigen Gespräche überhaupt nicht
einbezogen wurde. „Ich verstehe nicht, warum ich als Betroffener weder zu
der Beratung des Wissenschaftsausschusses noch zu der Bürgerschaftssitzung
eingeladen wurde“, sagt er der taz. Seit letztem Sommer habe er sich
mehrfach um ein Gespräch mit der Wissenschaftsbehörde bemüht. „Erhalten
habe ich seitdem nur Anrufe von Behördenmitarbeitern, die mich vor
vollendete Tatsachen gestellt haben. Das ist für mich kein Gespräch auf
Augenhöhe.“
Mitarbeit: Benno Schirrmeister
12 Sep 2024
## LINKS
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## AUTOREN
Marta Ahmedov
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Hamburg
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