# taz.de -- Nach den Landtagswahlen: Packt eure Egos ein | |
> Angesichts des Staatsversagens im Kampf gegen rechte Hetze müssen sich | |
> Antifaschist_innen endlich einigen. Denn ohneeinander sind wir zu wenige. | |
Bild: Wir könnten die rechte Teeparty crashen – wollen wir? | |
Wer in den letzten Jahren einen groben Bezug zur Realität hatte, wird | |
Sonntagabend über die [1][Ergebnisse der Landtagswahlen in Thüringen und | |
Sachsen] nicht überrascht gewesen sein. Politiker_innen haben hierzulande | |
schon immer die als Sorgen getarnte rechte Hetze gegenüber der Sicherheit | |
und Würde von rassifizierten Menschen priorisiert. Das war nach der Wende | |
so und bleibt auch heute deutsche Tradition. | |
Selbst seitdem die AfD im Bundestag sitzt, haben von Horst | |
[2][„Migration-ist-die-Mutter-aller-Probleme“] Seehofer oder Friedrich | |
„Keine-Tabus-mehr“ Merz über Olaf | |
„[3][Wir-müssen-jetzt-im-großen-Stil-abschieben“] Scholz, Christian | |
„Asylwende“ Lindner und Ricarda „[4][Abschiebung-mit-Bauchschmerzen]“ L… | |
bis hin zu Sahra [5][„Deutschland-hat-keinen-Platz-mehr“ Wagenknecht] | |
nichts Besseres zu tun, als [6][der AfD einen Plüschteppich auszurolle]n | |
und ihr für den Extrakomfort Gästepantoffeln hinzulegen. | |
Zwar posen die ein oder anderen für ihr Insta-Game auf den | |
Lichterketten-reloaded-Demos gegen die AfD oder teilen ein paar Gedanken | |
aus ihrer Notizen-App, als wären sie Slampoet_innen. Gleichzeitig servieren | |
sie verschärfte Asylgesetze, autoritäre Einschnitte in die Kulturbranche, | |
Kriminalisierung von Antifaschist_innen, Geldkürzungen für | |
demokratiefördernde Initiativen und üppig finanzierte Militarisierung in | |
kleinen Teegläsern neben einem Schälchen Zuckerwürfel auf einem | |
Silbertablett, die sie in einem unterwürfigen Ton Höcke, Weidel und Co mit | |
einem „Bittschön, der Herr, bittschön, die Dame“ anbieten. | |
Priorität hat am vergangenen Wahlsonntag für [7][Präsident Steinmeier nicht | |
der Kampf gegen Faschismus, sondern noch restriktivere Einwanderungs- und | |
Asylgesetze.] Auf den Staat ist kein Verlass – mal wieder. | |
## Rechte sind voraus | |
Die Notwendigkeit des Antifaschismus ist so spürbar wie lange nicht – die | |
Gräben innerhalb der Linken allerdings sind es auch. Innerlinke Konflikte, | |
besonders rund um das Thema Israel/Palästina, sind nichts Neues, doch seit | |
dem 7. Oktober 2023 haben sie eine neue Dimension erreicht. Das ist | |
zynisch, denn die Rechte vertritt hier ebenfalls keine homogene Position, | |
doch diese Uneinigkeit bremst sie nicht aus. Da haben sie uns in puncto | |
Communitybuilding und Mobilisierung, besonders von jungen Menschen, einiges | |
voraus. | |
Zerwürfnisse in politischen wie sozialen linken, feministischen und queeren | |
Zusammenhängen haben in den letzten elf Monaten ihren Peak erreicht. Aber | |
es reicht. Wir müssen uns langsam zusammenreißen und uns strategisch | |
organisieren, statt uns wegen minimaler Meinungsunterschiede als | |
Faschist_innen zu labeln, Gerüchte übereinander zu verbreiten, outzucallen | |
oder zu mobben, während tatsächliche Faschist_innen von der Kommunal- bis | |
zu Bundesebene vertreten sind und an Zuspruch gewinnen. Wer sein Gegenüber | |
ausschließlich daran misst, auf welcher „Seite“ es steht, wird keine linken | |
Allianzen finden. | |
Bei den inhaltlichen Ausfällen gibt es nichts schönzureden, wenn man sich | |
traut, in die Abgründe zu blicken. Antisemitismus, Islamismusverherrlichung | |
und Zersprengung solidarischer Bündnisse auf der einen und die Polizei, | |
Schnellwahl, Kriegsverherrlichung und Rassismus auf der anderen Seite, | |
alles gepaart mit dem nötigen Autoritarismus und mit Häme – so sehen die | |
äußeren Ränder der Linken aus. | |
Doch jene, die sich nicht vor Ambivalenzen scheuen, Widersprüche aushalten, | |
sich an progressiven Werten orientieren und auch nicht vor Komplexität | |
zurückschrecken, existieren ebenfalls, sie sind nur nicht so laut wie der | |
Rest. Und selbst dieser Rest muss sich die Frage stellen: Möchte ich die | |
nächsten Jahre damit verbringen, die Szenestreits bis zum Get-No | |
auszuschlachten, oder braucht es einen radikalen Wandel in der Art, wie wir | |
Differenzen aushalten? | |
## Keine Ressourcen vergeuden | |
So schlimm wir unsere Äußerungen der letzten Monate jeweils finden: Wir | |
müssen nicht befreundet sein, wir müssen uns nicht einmal mögen, aber uns | |
zumindest punktuell zusammenraufen und unsere Ressourcen nicht damit | |
vergeuden, anderen Linken das Leben schwer zu machen. | |
Außerhalb von Großstädten sind die Bündnisse gegen rechts so breit | |
aufgestellt, dass mitnichten alle linksradikal sind, doch ohneeinander wäre | |
man zu wenige. Das bedeutet nicht, dass wir uns gegenseitig nicht | |
kritisieren dürfen. Das müssen wir sogar, aber vielleicht kann diese Kritik | |
solidarischer und produktiver stattfinden. Dafür braucht es Geduld, | |
Ausdauer und den Blick auf einen gemeinsamen Horizont – den Antifaschismus. | |
Fehlbar sind wir alle, aber wer ist bereit, sein Ego hintanzustellen und | |
bei der harten Arbeit mit anzupacken, die nur gemeinsam zu bewältigen ist? | |
Mit manchen werden wir vielleicht wieder zusammenfinden, mit anderen werden | |
wir merken, dass es eher so ist wie mit reaktionären Verwandten, die sich | |
niemals ändern werden. Bis auf die Feiertage meidet man sich. Wenn man mit | |
ihnen zusammenkommt, gibt es manchmal aber auch den Moment des gemeinsamen | |
Feindes. Wir könnten die rechte Teeparty crashen. Den Zucker heimlich gegen | |
Salz austauschen. Das voll beladene Tablett umwerfen. Auf dass die | |
Faschist_innen sich daran verbrennen. | |
7 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Ruprecht-Polenz-ueber-Koalition-mit-BSW/!6032361 | |
[2] /Innenminister-Seehofer-zu-Migration/!5533764 | |
[3] /Rechtsruck-in-der-Asylpolitik/!6029209 | |
[4] /Recht-auf-Asyl/!5940669 | |
[5] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-11/sahra-wagenknecht-migration… | |
[6] /Nach-Compact-Verbot/!6027104 | |
[7] https://www.sueddeutsche.de/meinung/frank-walter-steinmeier-solingen-rede-m… | |
## AUTOREN | |
Hengameh Yaghoobifarah | |
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