# taz.de -- Krise bei Volkswagen: Viertagewoche statt Kündigung | |
> Niedersachsens Landeschef Weil will Werkschließungen bei VW mit einem | |
> bewährten Rezept verhindern. Dabei betrifft die Krise die gesamte | |
> Autobranche. | |
Bild: Produktionshalle im VW Werk in Wolfsburg, hier werden noch Verbrenner geb… | |
Berlin taz | In der Diskussion über die Zukunft von [1][Volkswagen] will | |
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil zur Arbeitsplatzsicherung | |
eine alte Idee neu auflegen: die Viertagewoche. „Am Ende könnte so etwas | |
auch diesmal wieder die Grundlage dafür sein, dass man sich verständigen | |
kann“, sagte der SPD-Politiker am Donnerstag im NDR-Radio. Von der | |
Konzernführung erwarte er jedoch, dass sie auf Werksschließungen | |
verzichtet. | |
Bereits im November 1993 einigten sich die Gewerkschaft IG Metall und die | |
Unternehmensleitung auf die Einführung einer Viertagewoche, in deren Rahmen | |
die Beschäftigten Gehaltseinbußen akzeptierten. Gleichzeitig verzichtete | |
der Konzern auf betriebsbedingte Kündigungen. Mit dem Arrangement wurden | |
nach Angaben der Gewerkschaft damals 30.000 Arbeitsplätze gesichert. | |
Volkswagen befindet sich nun wieder in der Krise. Anfang dieser Woche | |
teilte Europas größter Autobauer mit, die eigentlich bis 2029 geltende | |
Beschäftigungsgarantie vorzeitig kündigen zu wollen – aufgrund seiner | |
wirtschaftlichen Lage. Auch Werksschließungen will die Chefetage nicht | |
länger ausschließen. | |
Wie viele Arbeitsplätze wegfallen könnten, ist noch nicht sicher. Dies wird | |
in Verhandlungen zwischen Konzernführung, Betriebsrat und Gewerkschaft | |
entschieden. Das Wort von Ministerpräsident Weil hat da durchaus Gewicht: | |
Weil Niedersachsen mit 20 Prozent an Volkswagen beteiligt ist, sitzt der | |
Landeschef nicht nur im Aufsichtsrat des Autobauers, er hat dort auch ein | |
Vetorecht. | |
## Gewerkschaft offen für Viertagewoche | |
Die IG Metall kann sich eine Wiedereinführung der Viertagewoche zur | |
Beschäftigungssicherung vorstellen. „Das kann eine der Optionen sein“, | |
sagte die [2][IG-Metall-Bundesvorsitzende Christiane Benner] am Rande einer | |
tarifpolitischen Konferenz in Hannover. Wichtig sei, dass Werksschließungen | |
und betriebsbedingte Kündigungen vom Tisch kämen, betonte Benner. „Das sind | |
für uns absolut rote Linien“, so die Vorsitzende. | |
Dabei betrifft die Krise nicht nur Volkswagen, sondern die gesamte deutsche | |
Autoindustrie. Laut dem Münchner ifo-Institut ist die Stimmung in den | |
Unternehmen der Branche „im Sturzflug“. Sie litten unter einem Mangel an | |
neuen Aufträgen – insbesondere aus dem Ausland. Doch sind die Probleme bei | |
den Autobauern mitunter hausgemacht. In Deutschland hätten sowohl sie | |
selbst als auch die Politik sehr lange am Verbrenner festgehalten, während | |
der weltweite Trend Richtung Elektromobilität gegangen sei, erklärte | |
Ifo-Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser. Nun konkurrierten deutsche | |
Autobauer auf dem Weltmarkt mit chinesischen Produkten. | |
Wollmershäuser ist auch in Bezug auf die gesamtwirtschaftliche Lage immer | |
pessimistischer. „Wir haben eine strukturelle Krise. Es werden zu wenig | |
Investitionen insbesondere in der Industrie getätigt, und die Produktivität | |
tritt seit Jahren auf der Stelle“, sagte der Ökonom. Zudem stecke | |
Deutschland in einer konjunkturellen Krise, weil die Auftragslage schlecht | |
und die Menschen im Land verunsichert sind. Lohnzuwächse wanderten deswegen | |
eher aufs Sparbuch als ausgegeben zu werden. | |
Das ifo-Institut senkte deshalb seine Prognose. Während es im Juni noch von | |
einem Wachstum von 0,4 Prozent für dieses Jahr ausging, rechnet es in | |
seiner am Donnerstag veröffentlichen Konjunkturprognose mit einem | |
Nullwachstum. Für kommendes Jahr schätzt es 0,9 Prozent statt 1,5 Prozent | |
Wachstum. | |
## Schnelle Verhandlungen gefordert | |
Die IG Metall will jetzt schnell Klarheit über die Zukunft von Volkswagen | |
haben. „Wir haben die klare Erwartungshaltung, dass Volkswagen nun | |
schnellstmöglich an den Verhandlungstisch kommt und die Tarifverhandlungen | |
nicht auf die lange Bank schiebt“, sagte ein Sprecher der niedersächsischen | |
IG Metall der taz. | |
Ursprünglich war der Beginn der Tarifverhandlungen für Oktober geplant. Die | |
IG Metall hat das Management bereits aufgefordert, sie noch diesen Monat | |
starten zu lassen. Dann würden sie parallel zu den Tarifgesprächen in der | |
niedersächsischen Metall- und Elektroindustrie laufen. Für beide | |
Verhandlungsrunden fordert die Gewerkschaft eigentlich ein Lohnplus von 7 | |
Prozent. „Das ist bewährte Praxis seit vielen Jahren – übrigens auch dann, | |
wenn bei VW die Kassen überliefen und man auch hätte Entgelterhöhungen | |
jenseits der Fläche rechtfertigen können“, so der IG-Metall-Sprecher. | |
Zuvor schaltete sich [3][Bundeskanzler Olaf Scholz] wegen der Krise bei VW | |
ein. Ein Regierungssprecher sagte am Mittwoch in Berlin, Scholz habe sowohl | |
mit dem Management als auch mit der Konzernbetriebsratsvorsitzenden und mit | |
Aufsichtsratsmitgliedern gesprochen. (mit dpa) | |
5 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Simon Poelchau | |
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