# taz.de -- Neues Bürgeramt in Berlin eröffnet: Zum Ummelden nach Spandau | |
> Berlins neuestes Bürgeramt nimmt ab Donnerstag in Staaken seine Arbeit | |
> auf. Die 3.000 Termine pro Monat dort sind ein Tropfen auf dem heißen | |
> Stein. | |
Bild: Der tut nur so, als ob er arbeitet: Kai Wegner (CDU), Regierender Bürger… | |
Berlin taz | Mit bester Laune präsentiert sich Kai Wegner (CDU) am Mittwoch | |
zur Eröffnung von Berlins neustem Bürgeramt. „Ich freue mich“, sagt der | |
Regierende Bürgermeister, denn es passiere etwas Großes, etwas Wichtiges in | |
Spandau – und damit zufälligerweise in dem Bezirk, in dem auch Wegner | |
seinen Wahlkreis hat. Am Donnerstag soll [1][das neue Amt in | |
Spandau-Staaken den Betrieb aufnehmen], bis zu 3.000 zusätzliche | |
Bürgeramtstermine sollen hier künftig pro Monat angeboten werden, 14 | |
Menschen werden im Staakener Bürgeramt arbeiten, 12 der Stellen finanziert | |
der Senat. Wie sich das auf Wartezeiten oder überhaupt ein Angebot für | |
Bürgeramtstermine auswirken wird, ist unklar. | |
Dass Wegner vor rund drei Wochen eines seiner zentralen politischen | |
Vorhaben beerdigt hat, das juckt ihn heute wenig. Bei seiner großen | |
Sommer-Pressekonferenz in der zweiten Augusthälfte hatte Wegner Abstand | |
genommen von seinem Wahlkampfversprechen, dass Berliner*innen innerhalb | |
von 14 Tagen einen Termin beim Bürgeramt bekommen sollen. | |
[2][Auf Nachfrage des RBB] hatte er eingestanden, dass das nicht so bald | |
erreicht wird – und es gleichzeitig als Vorhaben relativiert: „Ich glaube, | |
dass für viele Berlinerinnen und Berliner dieses 14-Tage-Ziel | |
ehrlicherweise gar nicht so wichtig ist“, sagte der Regierende. Die | |
Menschen bräuchten eher „schnell einen Termin, wenn es notwendig ist“, | |
schob er nach. Diese Einschätzung wiederholt er am Mittwoch in Spandau und | |
kündigt an, sich stattdessen auf die Verbesserung des digitalen | |
Terminsystems konzentrieren zu wollen. | |
Das neue Bürgeramt liegt im Einkaufszentrum New Staaken Center im Südwesten | |
Spandaus. Hier ist der Stadtteil besonders dicht besiedelt, rund 47.000 | |
Menschen leben in Staaken. Hohe Plattenbauten aus den frühen siebziger | |
Jahren stehen um das Einkaufszentrum, aber die Bebauung ist gemischt, ein | |
paar Straßen weiter gibt es eine Siedlung mit Ein- und Zweifamilienhäusern. | |
Drinnen, im etwas in die Jahre gekommenen Einkaufszentrum, findet sich | |
jetzt schon vieles für den täglichen Bedarf: eine Apotheke, ein großer | |
Supermarkt, Kosmetikstudios, Bäcker und Fleischer – und nun eben auch ein | |
Bürgeramt. | |
## Verwaltungsreform lässt auf sich warten | |
Die Reden zur Eröffnung sind von gegenseitigem Lob geprägt. Bezirksstadtrat | |
Gregor Kempert (SPD) betont die gute Zusammenarbeit von Land und Bezirk, | |
Spandaus Bezirksbürgermeister Frank Bewig (CDU) hebt den Bauherrn und | |
Besitzer des New Staaken Centrums Kutbettin Eroğlu positiv hervor. „Berlin | |
muss funktionieren“, sagt Wegner in seinem Grußwort. Ob das gelinge, würden | |
die Berliner*innen vor allem in den Bürgerämtern spüren. Sein Senat | |
würde handeln, Versprechen einlösen, behauptet er und hängt dann noch ein | |
paar zusätzliche dran: bessere Arbeitsbedingungen für | |
Bürgeramtsmitarbeiter*innen, weniger Fluktuation beim Personal, eine | |
Digitalisierung, die alle entlasten soll. [3][All das soll unter anderem | |
mit der Verwaltungsreform erreicht werden.] | |
Doch die lässt auf sich warten. Bisher ist wenig Spürbares für die | |
Berliner*innen passiert. Im Gegenteil: [4][Cannabis-Social-Clubs | |
bekommen aktuell keine Zulassung], weil unklar ist, ob Bezirke oder Land | |
zuständig sind. Und seit der Berlin-Pass abgeschafft wurde, [5][ist es für | |
Berechtigte in vielen Fällen komplizierter nachzuweisen, dass sie Anrecht | |
auf das Sozialticket haben.] | |
Dabei sind die Aufgaben seit Langem klar: „Wir wollen die Zuständigkeiten | |
zwischen Senat und Bezirken klar regeln, einen umfassenden Aufgabenkatalog | |
erstellen und dabei auch eine Aufgabenkritik vornehmen“, hatte Wegner | |
Anfang Juli verkündet. Dem seien Klausurtagungen mit den | |
Bezirksbürgermeister*innen, Workshops und Gespräche mit Stadtgesellschaft | |
und Politik vorangegangen. Den Entwurf für ein neues | |
Landesorganisationsgesetz will der Senat bis zum Jahresende beschließen. | |
Zunächst hatte der Senat sich einen Überblick über alle Aufgaben | |
verschafft. Danach sollte es darum gehen, herauszufinden, wo genau es hakt: | |
„Schnittstellenprobleme“, konkret also die Frage, wer denn nun wirklich | |
zuständig und wer verantwortlich ist – und wo Verbesserungen ansetzen | |
sollten. Vorsichtshalber kündigte die Senatskanzlei schon mal an, dass dies | |
„langfristig als Daueraufgabe“ für die Berliner Verwaltung verankert werden | |
würde. Erste Handlungsempfehlungen sollen „[6][voraussichtlich ab dem 1. | |
Quartal 2025“ umgesetzt] werden. | |
## Personalmangel in der Berliner Verwaltung | |
Dem eigenen Zeitplan hinken sie dabei rund 1,5 bis 2 Jahre hinterher. Die | |
ursprünglich für 2023 angekündigte Gesetzesänderung wird wohl erst 2025 | |
umgesetzt. Auch verspätet sollen demnächst einige Vorgänge in den | |
Bürgerämtern auch rein digital zu erledigen sein. Ab Oktober sollen sich | |
Berliner*innen online ummelden können, der neue Adressaufkleber für den | |
Perso werde dann nach Hause geschickt. Bei rund 500.000 Zu- und Umzügen pro | |
Jahr hofft der Senat, dass dies die Bürgerämter stark entlasten wird. | |
Das neue Bürgeramt ansehen wollen sich am Mittwoch auch einige | |
Staakener*innen. Ein 90-Jähriger Anwohner erzählt, dass er schon seit 45 | |
Jahren im Bezirk wohne. Auch er freut sich über das neue Bürgeramt. Spandau | |
hat bereits zwei Bürgerämter, doch die sind weit entfernt – beim Rathaus | |
Spandau und in der Wasserstadt, von hier aus nur nach 20 Minuten Busfahrt | |
und langem Fußweg erreichbar. „Hauptsache ist aber, dass sie hier genug | |
Personal für das Amt haben“, sagt er noch. Seine Bedenken sind begründet, | |
denn die Berliner Verwaltung leidet unter massivem Personalmangel, rund | |
7.000 Stellen sind unbesetzt. | |
Auch das wird Wegner so schnell nicht lösen, auch wenn er am Mittwoch für | |
die Fotograf*innen mimt, dass er selbst Hand anlegt. Im neuen Bürgeramt | |
nimmt der Bürgermeister am Arbeitsplatz 3 Platz. „Was wollen Sie hier, sich | |
ummelden?“, fragt er eine Begleitung. „Na, dafür müssen Sie bald nicht me… | |
herkommen, das geht dann digital“. | |
4 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://service.berlin.de/standort/351358/ | |
[2] https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2024/08/berlin-kai-wegner-sommerpresse… | |
[3] /Parteiuebergreifendes-Spitzentreffen/!5992684 | |
[4] /Umsetzung-der-Teillegalisierung/!6024201 | |
[5] /Aerger-mit-dem-Sozialticket/!6033091 | |
[6] https://www.berlin.de/rbmskzl/aktuelles/pressemitteilungen/2024/pressemitte… | |
## AUTOREN | |
Luisa Faust | |
Uta Schleiermacher | |
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