# taz.de -- Veranstalter über kleine Musik-Festivals: „Es ist ein Herzenspro… | |
> Das Bremer Metal-Festival „Hellseatic“ setzt auf Geheimtipps und | |
> mysteriöse Seltenspieler. Die Veranstalter gehen dafür voll ins Risiko. | |
Bild: Es geht nichts übers Live-Erlebnis: Stage Diver bei einem Heavy-Metal-Ko… | |
taz: Dave und Andrea, was hat Sie bewogen, das Hellseatic dieses Jahr doch | |
stattfinden zu lassen, obwohl zu wenig Karten im Vorverkauf weggegangen | |
sind? | |
Dave: Wir hoffen, dass es ähnlich wie bei vielen Clubkonzerten läuft. | |
Mittlerweile kaufen die Leute in den letzten Wochen vor dem Konzert mit | |
Abstand die meisten Karten. Und das große positive Feedback nach unserem | |
SOS-Ruf hat uns Mut gemacht. | |
Andrea: Nicht zu vergessen unsere Begeisterung und Leidenschaft für das | |
Projekt. | |
Dave: Ja, es geht um mehr als nur um Wirtschaftlichkeit. Es ist ein | |
Herzensprojekt, das wir auch über ein finanzielles Risiko hinweg tragen | |
wollen. | |
taz: Woran liegt es, dass viele kleinere Festivals Probleme haben, während | |
die großen boomen? | |
Dave: Ich denke, dass sehr viele Leute gerade schlicht weniger Geld zur | |
Verfügung haben. Da grast man dann lieber erst einmal Festivals ab, die | |
große Namen im Programm haben, anstatt zu einem kleinen Festival zu gehen. | |
Die Inflation hat da viel verbrannt. Und wahrscheinlich führen so generelle | |
Ängste und Krisenempfindungen, die zurzeit umgehen, dazu, dass eine | |
angespannte finanzielle Lage als noch dramatischer empfunden wird. Ich sehe | |
und spüre das bei mir selbst auch. | |
Andrea: Große Festivals haben ganz andere Finanzierungsmöglichkeiten und | |
vor allem ein größeres Werbebudget. | |
Dave: Immer mehr Festivals werden Teil eines Konsortiums. Das Wacken ist | |
mittlerweile Teil einer amerikanischen Investmentfirma, bei der es hinten | |
raus nur noch auf die Zahlen ankommt. Der größte Akteur, Live Nation, | |
kontrolliert quasi den gesamten Markt. Kleine Festivals bauen sich dagegen | |
alles selber zusammen. Da gibt es selten verbandelte Booking-Agenturen mit | |
großen Acts oder Technikfirmen die Vitamin-B-Preise machen, weil man einen | |
gemeinsamen Shareholder hat oder so etwas. | |
taz: Bei den ersten zwei Hellseatic-Festivals waren mit Motorpsycho und | |
Mantar noch klassische Headliner im Programm. Auf die haben Sie dieses Jahr | |
verzichtet. Wieso? | |
Dave: Bei der jetzigen Veranstaltungsgröße können wir uns solche Bands | |
schlicht nicht mehr leisten. Wir finden dieses Konzept von Geheimtipps, | |
mysteriösen Seltenspielern und Newcomern aber auch sehr reizvoll. Anstatt | |
einen klassischen Headliner an die Spitze zu stellen, den dann unbedingt | |
alle sehen wollen. Wir sind der Überzeugung, dass das genauso gut | |
funktionieren kann wie mit einem großen Headliner. Das Feedback aus der | |
Community ist jedenfalls sehr gut. Viele Menschen wissen das zu schätzen. | |
taz: „Metal“ ist als Genrebezeichnung zu eng für die Musik auf dem | |
Hellseatic. Wie würden Sie die beschreiben? | |
Andrea: Unser Schwerpunkt liegt auf düsterer, atmosphärischer und | |
experimenteller Musik, die eine gewisse Härte aufweist. Wir haben großen | |
Spaß an der ganzen Bandbreite der „heavy music“. Von dem Begriff „Metal�… | |
wollen wir schon länger wegkommen. | |
Dave: Es geht schon um Metal-Elemente und Genres. Wir haben Bands, die | |
Stoner, Black Metal, Hardcore, Postrock oder Doom spielen. Das Publikum ist | |
entsprechend vielfältig. Da triffst du Crustpunker, die sich Monkey3 | |
angucken, und Indiefans, die sich Predatory Void geben. Das zeigt, das | |
diese Mischung funktioniert. Wir sind froh, dass wir das mit dem Slogan „A | |
heavy music odyssey“ kurz und knackig beschrieben bekommen haben. | |
taz: Was ist Ihnen am Genre Metal so wichtig, dass Sie da dermaßen viel | |
unbezahlte Arbeitszeit reinstecken? | |
Dave: Das [1][Hellseatic] ist für uns mehr als nur ein Festival. Die Szene, | |
also zumindest unser Dunstkreis, besteht aus sehr unterschiedlichen | |
Persönlichkeiten, die die Musik, die sie leben, auch als Ausdruck von | |
gemeinsamen Werten begreifen. Musik ist das verbindende Element für eine | |
Offenheit gegenüber anderen Kulturen, Religionen und Lebensweisen. | |
Andrea: Meine Entscheidung, 2019 diese Unternehmung mit zu starten, hatte | |
weniger mit der Leidenschaft für harte Musik zu tun. Die war damals noch | |
gar nicht so ausgeprägt wie heute. Die hatte mehr mit den Erfahrungen zu | |
tun, die ich mit der [2][Metal-Community] gemacht habe. | |
taz: Nämlich welchen? | |
Andrea: Dass [3][Menschen, die lautes Geballer hören], oft ausgesprochen | |
tolerante, offene, herzliche und soziale Wesen sind. Die [4][Szene ist | |
geprägt von Menschen], denen es um mehr geht als um Konsum. Und das spüren | |
wir gerade dieses Jahr wieder sehr. Der Support, den wir von unseren | |
Gästen, der Crew und den Bands bekommen, ist der Hauptgrund, weshalb wir | |
das Festival nicht abgesagt haben. | |
2 Sep 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.hellseatic.de/ | |
[2] /Heavy-Metal-in-Nordischen-Botschaften/!5947239 | |
[3] /Labelgruender-ueber-die-Liebe-zum-Krach/!5878611 | |
[4] /Wacken-Festival-versinkt-im-Schlamm/!5948094 | |
## AUTOREN | |
Benjamin Moldenhauer | |
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