# taz.de -- Wacken-Festival verkauft: Dann kostet die Wurst 8,40 Euro | |
> Das Metal-Festival gehört künftig einem Investor, der an Waffenproduktion | |
> beteiligt ist. Fans und Medien befürchten einen Ausverkauf. | |
Bild: Bezaubernd konservativ und meist lieb: Metal-Fans sitzen in Wacken in der… | |
HAMBURG taz | Männer ackern ehrlich an ihren Gitarren. Metal lebt, bei | |
allen Avant-Rock-Verbindungen der vergangenen zehn, zwanzig Jahre, sehr von | |
den Versprechen des Erdigen und Bodenständigen. Eine bezaubernd | |
konservative Unternehmung. Der Gender Trouble, der viele Menschen, für die | |
Normalität ein positiv besetzter Begriff ist, zurzeit stresst, berührt das | |
Genre eher peripher. Pop ist potenziell queer, Metal potenziell eher nicht, | |
Rob Halford hin, Rob Halford her. Halford ist Sänger der britischen Band | |
Judas Priest und hatte sich 1998 als homosexuell geoutet. | |
Eine Außenseitermusik ist Metal aber auch. Man bekommt den Mythos in | |
Highschool-Komödien immer wieder vorgeführt: Der Metal-Fan ist eine | |
Ein-bisschen-windschief-in-die Welt-Figur, lieb meist, aber notgedrungen | |
immer eine Idee eigensinniger als der Rest. | |
Das [1][Wacken-Festival] ist eins der größten Metal-Festivals der Welt und | |
ein inzwischen mythisch aufgeladener Ort. Menschen, die öfter dort waren, | |
sprechen gerne vom „holy ground“ und meinen das, wie oft im Metal, ironisch | |
und ernst zugleich. | |
Gegründet wurde das Festival 1990 auf einem Acker in Wacken, gut zehn | |
Kilometer nordwestlich von Itzehoe. Damals waren es gerade mal 800 | |
Besucherinnen und Besucher, und der Eintritt lag bei 12 D-Mark. Seitdem ist | |
Wacken expandiert und seit 2010 restlos ausverkauft. Die 85.000 Tickets für | |
die diesjährige Ausgabe waren innerhalb von vier Stunden weg. Eine | |
Gelddruckmaschine, der immer noch der Glanz des Selbstgemachten und des | |
irgendwie süß Provinziellen anhaftet. | |
## Verkauf ist auf allen Kanälen eine Meldung | |
Vielleicht ist die Übernahme des britischen Veranstalters Superstruct | |
Entertainment, der das Wacken-Festival seit 2017 ausrichtet, vor allem | |
deswegen auf eigentlich allen Kanälen eine Meldung wert. Würde zum Beispiel | |
Rock am Ring verkauft, würde das jenseits der eigenen Branche wohl kaum | |
jemanden interessieren. | |
Über den befürchteten Wacken-Sell-out an den Finanzinvestor KKR aber wird | |
kräftig berichtet. Wahrscheinlich auch, weil der Gegensatz immer noch gut | |
funktioniert: ein Festival mit handgemachter Musik und felsenfesten | |
Ritualen vor und auf den Bühnen, das auf einem norddeutschen Acker | |
stattfindet mit knorzigen Dorfbewohnern im Hintergrund, versus ein | |
gesichtsloser Investor, wie es dann gerne heißt, quasi Heuschrecke. | |
Verbunden waren die Meldungen oft mit der bangen Frage, ob sich durch die | |
Übernahme etwas ändern wird. Was die Veranstalter seit einer Woche | |
routiniert verneinen, auch der taz gegenüber: Der „Eigentümerwechsel von | |
Superstruct Entertainment hat aktuell keine Auswirkungen auf das Wacken | |
Open Air“. | |
Der Pressemitteilung des „US-Investors“ (Der Spiegel) ist zu entnehmen, | |
dass die Nachfrage nach Live-Unterhaltung im vergangenen Jahrzehnt | |
erheblich gestiegen sei und voraussichtlich weiter steigen werde, da sich | |
die Verbraucherausgaben mehr und mehr von Gütern hin zu Erlebnissen | |
verlagern. Man wolle Superstruct „in seiner nächsten Entwicklungsphase“ | |
unterstützen und gleichzeitig „die kreative und kulturelle DNA des | |
Unternehmens“ bewahren. | |
## Vier-Tages-Ticket zum Preis von rund 52 Bratwürsten | |
Aber auch wenn das Verbraucherinteresse sich wirklich mehr und mehr von | |
Gütern hin zu Erfahrungen verlagern sollte, muss der Mensch was essen, und | |
die Bratwurst kostete auf dem Wacken-Festival 2023 mal eben 6,40 Euro. | |
Das Vier-Tages-Ticket wiederum gab es zum Preis von rund 52 Bratwürsten. | |
Auf der Ebene kann es also nicht wesentlich schlimmer werden. Die Wurst | |
könnte auch 8,40 Euro kosten und das Ticket dann 437, aber das ist nicht | |
entscheidend und wäre, wenn es passiert, auch ohne neuen Investor passiert. | |
Das Wacken-Festival hat sich schon vor einigen Jahren branchengängigen | |
Abmelkprozessen am Kunden angeschlossen. | |
## Zeichen des drohenden Verfalls | |
Als weiteres Zeichen des drohenden Verfalls wird die Beteiligung von KRR am | |
Axel-Springer-Verlag und am [2][Rüstungskonzern Hensoldt] gewertet. | |
Außerdem ist KKR einer der weltweit größten Investoren in fossile Projekte. | |
Das alles sind natürlich valide Punkte. Eigentlich nämlich nimmt man von | |
solchen Leuten kein Geld, sondern zeigt ihnen freundlich, aber bestimmt die | |
Tür. | |
Aber dann natürlich: 1,3 Milliarden Dollar Verkaufspreis für den britischen | |
Veranstalter des Wacken Open Airs, Superstruct Entertainment, der 80 | |
weitere Festivals in Europa und Australien organisiert. Und es ist ja auch | |
schon wieder ganz stimmig, wenn Firmen mit Waffenkonzernverbindung Geld in | |
ein Metal-Festival pumpen. Weil das Genre selbst ja auch recht kriegsaffin | |
ist. Man erinnere sich an „War Ensemble“ von Slayer („When victory’s a | |
massacre / The final swing is not a drill / It’s how many people I can | |
kill“), „One“ von Metallica („Now that the war is through with me / I�… | |
waking up, I cannot see“) und Megadeths „Peace Sells … But Who’s Buying… | |
Gute Frage. Eben, niemand. | |
29 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Benjamin Moldenhauer | |
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