# taz.de -- Karpfensaison in Franken: Die Monsterfritteuse | |
> Unser Autor hat in seinem Leben als Wirt schon so einiges erlebt. Aber | |
> Karpfen zu frittieren, das lag jenseits seiner Vorstellungskraft. | |
Bild: Karpfen frittiert: nicht die beste Idee | |
Der Benzintank eines Kleinwagens fasst im Durchschnitt etwa 35 Liter. | |
Können Sie sich vorstellen, diese Menge an Frittieröl in eine große | |
Edelstahlwanne zu gießen und es anschließend zu erhitzen? Nein? Das | |
beruhigt mich. Zwar kann ich mir mittlerweile einiges vorstellen, von dem | |
ich vor meiner Zeit als Wirt niemals zu träumen gewagt hätte, etwa, | |
[1][einen kapitalen Hirschen zu zerteilen]. Aber die Megafritteuse zu | |
reaktivieren, die ich in unserer Gasthausküche vorgefunden habe? Das ist | |
jenseits jeder Diskussion. | |
Der Monsterapparat wurde einst für zwei Spezialitäten gebraucht. Die eine | |
gab es nur in unserem Gasthaus: frittiertes Hähnchen, hier gern „Gögerla“ | |
genannt, mit Kartoffelsalat. Die andere ist gebackener Karpfen. Der Fisch | |
wird dafür entlang des Rückgrats gespalten, paniert, in Fett ausgebacken | |
und thront dann auf einem Haufen Kartoffelsalat in einer Form, die an eine | |
goldgelbe Frisbee erinnert. Ich beschreibe das nur so detailliert, damit | |
man eine Vorstellung von den Ausmaßen der Fritteuse bekommt. In sie passen | |
zwei Frisbees nebeneinander. | |
Jetzt im September beginnt wieder die Karpfenzeit. Es ist [2][wie bei der | |
Auster], es gibt ihn in allen Monaten mit „R“, also bis April. Doch während | |
die Muschel weltweit geschätzt wird, hat der Fisch in erster Linie dort | |
Liebhaber, wo er auch gezüchtet wird. In Franken ist das seit über tausend | |
Jahren der Fall. Was dazu führt, dass Wirte den Fisch zu Saisonbeginn erst | |
gar nicht auf die Karte schreiben. Sie können sich sicher sein, dass die | |
Gäste ohnehin nach „Kärpfla“ fragen. | |
Von außerhalb betrachtet ist Karpfen für viele das Pendant [3][zu | |
schwedischem „Surströmming]“ – milchsauer vergorenem Hering – also vö… | |
ungenießbar. Wenn es bei uns im Gasthaus Karpfen gibt, hat ungefähr jeder | |
Nichtfranke am Tisch eine Igitt-Geschichte parat. Was aber weniger über den | |
Fisch sagt als über die einst miserable deutsche Küchenkultur. Das gilt | |
auch für mich. Ich musste, um [4][auf den Karpfen zu kommen], nach China | |
reisen. | |
Auch wenn Karpfen von Greenpeace & Co regelmäßig als fast einzige | |
Fischsorte genannt wird, die man ohne schlechtes Gewissen wegen | |
Überfischung verzehren kann, halten sich die Vorurteile eisern: fett sei | |
er, voller Gräten, ein Geschmack wie Moor und Schlamm. Am ersten | |
Ressentiment ist nichts dran, um die anderen richtigzustellen, braucht es | |
nur eine anständige Zubereitung, was – meiner bescheidenen Meinung nach – | |
auch bedeutet, den Karpfen nicht nur als gebackenen Frisbee auf den Tisch | |
zu stellen. Das Köstlichste daran, da sind sich viele Franken einig, ist | |
die knusprig ausgebackene Schwanzflosse. Ich habe die Monsterfritteuse | |
eingemottet. Karpfen gibt es bei uns als Filet, heiß aus dem Buchenrauch. | |
3 Sep 2024 | |
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## AUTOREN | |
Jörn Kabisch | |
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