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# taz.de -- Pionierin des Fußballs im Interview: „Ich sagte: ‚Ich tunnel d…
> Katja Bornschein hat 1990 das erste Tor der Frauen-Bundesliga geschossen.
> Als Verdienst gab es Benzingeld, aber Mario Basler kam – mit Pokal.
Bild: Katja Bornschein (li.) und die spätere Weltfußballerin Birgit Prinz fei…
taz: Wie hat es sich angefühlt, das erste Tor der Frauen-Bundesliga zu
schießen?
Katja Bornschein: Im ersten Moment war es riesige Freude, aber einfach über
das Tor grundsätzlich. Mir war gar nicht bewusst, dass es das erste Tor der
[1][Frauen-Bundesliga]-Geschichte ist. In der Halbzeit hat mich eine
Reporterin im Vorbeigehen darauf angesprochen, und ich habe mir dabei immer
noch keine Gedanken darüber gemacht. Erst nach dem Spiel wurde mir dann
bewusst, dass es doch ein besonderes Tor war.
taz: Das ist aber lange in Vergessenheit geraten …
Bornschein: Ja, es gab mehrere Spiele an dem Tag. Iris Taaken vom SV
Wilhelmshaven hat bei dem Spiel, das um 14 Uhr losging, ein sehr schnelles
Tor geschossen. Nach 55 Sekunden. Ich habe um 11 Uhr für den FSV Frankfurt
gespielt und auch ein Tor geschossen. Sie hat also ein schnelleres Tor
geschossen, aber meins war das erste der Frauen-Bundesliga. Es wurde aber
damals kaum dokumentiert, und Iris ist als erste Torschützin in die
Geschichte eingegangen. Bis es dann vor ein paar Jahren recherchiert und
aufgeklärt wurde.
taz: Das erste Tor der Liga war nicht Ihr einziger Erfolg. Sie sind auch
Europameisterin, Deutsche Meisterin und DFB-Pokalsiegerin. Beim DFB-Pokal
gab es aber gar keinen richtigen Pokal, oder?
Bornschein: Ja, der DFB-Pokal war eine silberfarbene Pergamentrolle mit
einem Kranz drum. Ich glaube, der EM-Pokal war ähnlich. Einmal waren wir im
[2][Pokalendspiel] und haben da unsere schöne Pergamentrolle gewonnen. Nach
uns hat Bayern gespielt. Wir hatten eine Kabine am Anfang, und deshalb
mussten alle Spieler von den Männern bei uns vorbei.
Dann ist [3][Mario Basler] gekommen und hat gesagt: „Mädels, nachher, wenn
ma holen, kriegt ihr auch mal den Pokal!“ Er kam dann tatsächlich nach dem
Spiel und hat uns den Pokal von den Männern gegeben. Ich kann sagen: Daraus
zu trinken schmeckt überhaupt nicht. Heutzutage würde man sagen, wir haben
unseren eigenen Pokal. Aber damals war das schon sehr witzig und toll.
taz: Wie sind Sie zum Fußball gekommen, wenn es für Frauen damals gar nicht
selbstverständlich war?
Bornschein: Das war eigentlich vorbestimmt. Meine Eltern haben beide
Fußball gespielt. Ich bin in den 70er Jahren geboren. Ich bin eigentlich
auf dem Fußballplatz groß geworden. Meistens war ich mit meiner Mutter im
Training. Die haben mich in den Mittelkreis gesetzt und mir Bälle gegeben,
und dann war ich beschäftigt. Es ist dann einfach meine absolute
Leidenschaft geworden.
taz: In Ihrer Familie war es total normal, aber wie wurde es ansonsten
aufgenommen?
Bornschein: Da war ich immer ein bisschen exotisch. Ich habe mit fünf
Jahren angefangen, und da gab es noch keine Mädchenmannschaften. Ich habe
bis zur C-Jugend immer nur mit Jungs gespielt. In der eigenen Mannschaft
war das normal, aber bei den Gegnern kamen dann schon öfter die berühmten
Sprüche wie: „Lass dich doch nicht von einem Mädchen abkochen.“
Es war anstrengend, immer wieder mit irgendwelchen Vorurteilen aufräumen zu
müssen. Über [4][Frauenfußball] wurde nur gelacht. In der Berufsschule war
einer, der selbst Fußball gespielt hat, und der hat mich nie ernst
genommen. Dann hatten wir Sportunterricht, und ich habe zu ihm gesagt: „Ich
tunnel dich jetzt.“ Das hat er mir nicht geglaubt, aber ich habe zack,
zack, zack gemacht, und der Ball war durch seine Beine. Von da an war er
ein Frauenfußball-Fan. Mit ihm bin ich heute noch gut befreundet. Wir
lachen und unterhalten uns manchmal darüber. Das ist nur ein kleines
Beispiel, aber so musste ich damals immer kämpfen.
taz: Wie haben Sie damals trainiert, wenn Frauenfußball so unüblich war?
Bornschein: Das war sehr abenteuerlich und wäre ohne meine Eltern nicht
machbar gewesen. In Frankfurt Anfang der 90er Jahre hatten wir dreimal pro
Woche Training. Da musste mein Vater mich dreimal die Woche zum Training
fahren und noch einmal, wenn ein Spiel war. Zu den Spielen sind wir erst
privat gefahren. Mit der Gründung der Bundesliga wurde das
professioneller. Da sind wir im Bus gefahren, und wenn wir runter bis
München gefahren sind, haben wir auch mal da übernachtet.
Ende der 90er bin ich nach Freiburg gewechselt und da auch noch einmal
aufgestiegen in die Bundesliga. Da habe ich eine totale Veränderung
bemerkt. Wir haben vier- bis fünfmal pro Woche trainiert. Ich war
eigentlich jedes Wochenende unterwegs. Als ich aufgehört habe, war es schon
normal, auch vormittags und sechs- bis siebenmal zu trainieren. Ich war
immer zu hundert Prozent berufstätig, und dann war das einfach nicht mehr
möglich.
taz: Haben Sie mit dem Fußball nichts verdient damals?
Bornschein: Das war, wenn überhaupt, Benzingeld, aber mehr nicht. Am Ende
war es quasi auf Minijobbasis. Das war’s dann auch. Ich hatte damals das
Glück, dass ich bei der Telekom gearbeitet habe. Dort habe ich immer
Sonderurlaub bekommen, wenn ich ihn brauchte. Gerade in der
Nationalmannschaft hätte mein Urlaub sonst nie gereicht, um die ganzen
Länderspielreisen machen zu können.
Später habe ich noch Unterstützung von der Sportstiftung bekommen. Aber am
Ende war es ein Freizeitvergnügen. Zur damaligen Zeit war es einfach so,
dass fast alle gearbeitet haben. Entweder hatten sie nette Arbeitgeber, die
ihnen viel freigegeben haben, oder das Training war abends, und sie haben
es nach der Arbeit gemacht. Es war ein Hobby, obwohl es professionell
aufgezogen war.
taz: Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie dann für die
[5][Nationalmannschaft] gespielt haben?
Bornschein: Ich habe mich da am Anfang sehr schwergetan, weil ich sehr
zurückhaltend war. Damals musste man noch die Bälle oder Hütchen tragen,
wenn man irgendwo neu war. Das waren noch ganz andere Zeiten. Aber mein
zweites Länderspiel war dann das Finale von der Europameisterschaft. Das
war natürlich eine Riesenehre. Da die Nationalhymne zu hören und zu wissen,
die wird jetzt gespielt, weil ich hier Fußball spiele, hat mich wahnsinnig
stolz gemacht.
taz: Wie gucken Sie auf den Frauenfußball heute?
Bornschein: Zum einen finde ich es total klasse, was passiert. Seit der EM
in England hat Frauenfußball einen richtigen Schub bekommen. Jetzt ist er
auch für Zuschauer und Sponsoren interessanter. Früher hat Frauenfußball
nur Geld gekostet, und heute kann man damit auch Geld machen. Mit Olympia
ist es jetzt noch weiter vorangegangen. Außerdem sind die Spielerinnen viel
athletischer, als wir es damals waren. Da stecken richtige
Trainingswissenschaften dahinter. Es ist viel professioneller geworden.
Und ich finde es toll, dass die Spielerinnen davon leben können.
Aber es reicht eben nicht, die Nationalspielerinnen mal ausgenommen, um
noch was auf die Seite zu legen. Das wird vielleicht reichen, um jetzt
Fußball spielen zu können. Aber was ist danach? Einer jungen Spielerin
würde ich immer raten: Schau, dass du auf alle Fälle ein Studium oder eine
Berufsausbildung machst. Und ich glaube, dass der Druck sehr hoch ist,
dadurch, dass der Frauenfußball so professionalisiert wurde. Die
Spielerinnen haben Berater:innen und müssen sich auf Social Media
vermarkten. Ich war schüchtern und das wäre mir damals sehr schwergefallen.
taz: Die Beliebtheit von Frauenfußball hat sich also verändert?
Bornschein: Absolut. Damals ist niemand für uns zum Spiel gekommen. Unsere
Fans waren unsere Familien und Freunde. Damals haben wir vor den Männern in
Berlin gespielt. Wenn wir da reingelaufen sind, war das Stadion relativ
leer und am Ende des Spiels dann voll. Aber die Leute sind natürlich nicht
wegen uns gekommen, sondern wegen des Spiels danach. Das ist aus heutiger
Sicht gar nicht mehr nachvollziehbar. Da bekommt man in Köln fast das ganze
Stadion voll. Früher wurde Frauenfußball ins Lächerliche gezogen, und heute
wird er ernst genommen. Er wird im Fernsehen übertragen und besprochen, und
Sponsoren sehen, dass sich damit Geld verdienen lässt.
taz: Welche Rolle spielt Fußball heute noch in Ihrem Leben?
Bornschein: Ich schaue ihn noch im Fernsehen, und manchmal gibt es
Länderspieleinladungen vom DFB. Das ist immer wie ein kleines
Klassentreffen. Es ist mir sehr schwergefallen aufzuhören. Fußball war ein
großer Teil meines Lebens, der weggebrochen ist. Ich habe noch meine
Trainerscheine bis zur B-Lizenz und in Freiburg Stützpunkttraining gemacht
und war auch noch mal Co-Trainerin beim SC Freiburg.
Irgendwann habe ich gemerkt, dass das nichts für mich ist. Aber es sind
auch wirklich Freundschaften entstanden, die es heute noch gibt. Es war
schwierig, einen richtigen Freundeskreis außerhalb vom Fußball aufzubauen.
Ich musste so häufig ins Training und anderen deshalb immer absagen. Da
habe ich viele Kontakte verloren und bin noch enger mit den Frauen aus der
Mannschaft zusammengewachsen. Wir treffen uns auch heute noch. Nur die
Gesprächsthemen haben sich verändert. Von Fußball über Tupperware zum
Thermomix. Wir lachen öfter mal darüber.
30 Aug 2024
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## AUTOREN
Louise Ringel
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