# taz.de -- Arbeitsmarkt in Ost- und Westdeutschland: Gefühlte Benachteiligung | |
> Die Arbeitsmarktzahlen im Osten werden immer besser. Aber Abwanderung und | |
> drohende Altersarmut haben sich in das kollektive Bewusstsein | |
> eingebrannt. | |
Bild: Der Osten hat am Arbeitsmarkt aufgeholt – doch es bleibt das Problem de… | |
Gütersloh dpa/afp | Auf dem Arbeitsmarkt hat der Osten in Deutschland in | |
den vergangenen Jahren immer weiter aufgeholt. Beim Lohn- und | |
Produktivitätsniveau aber hat der Westen noch immer einen Vorsprung. Laut | |
einem in Gütersloh vorgestellten [1][Papier der Bertelsmann Stiftung] sei | |
es deshalb nicht überraschend, dass mehr Ost- als Westdeutsche den Eindruck | |
haben, auch beim Lebensstandard benachteiligt zu sein. | |
So liegt der mittlere Lohn im Osten bei 3.157 Euro, im Westen hingegen bei | |
3.752 Euro. Dabei hat sich das Lohnniveau in den vergangenen Jahrzehnten | |
immer weiter angenähert. Nach der Wiedervereinigung in den 1990er-Jahren | |
lag die Lücke noch bei 26 Prozent. Heute bekommen die Menschen in den | |
Ost-Bundesländern 15,9 Prozent weniger für ihren Arbeitseinsatz als im | |
Westen. | |
Grund ist laut den Autoren der Bertelsmann Stiftung das unterschiedliche | |
Produktivitätsniveau. Im Bau, Handel und bei den Dienstleistungen habe sich | |
das zwar stark angenähert. Aber im verarbeitenden Gewerbe liegt der Osten | |
laut der Auswertung auch 35 Jahre nach der Wiedervereinigung immer noch nur | |
bei 76 Prozent des Westniveaus. | |
Um das Problem zu lösen, fordern die Autoren die Ansiedlung von großen | |
Namen. Ansiedlungen von Großunternehmen, wie dem taiwanischen | |
Chiphersteller TSMC und dem US-Unternehmen Intel „machen den Osten | |
attraktiver“, erklärten die Forschenden. Sie würden Platz schaffen „für | |
Forschung, regionale Zulieferer und unternehmensnahe Dienstleistungen“, | |
heißt es in dem Papier. Das schaffe besser bezahlte Arbeitsplätze in | |
zukunftsträchtigen Berufen. | |
## Ausgedünnte Daseinsfürsorge | |
Bei den Zahlen für den Arbeitsmarkt in Ost und West gibt es nahezu | |
Gleichstand beziehungsweise fast eine Annäherung. So liegt die | |
Erwerbstätigenquote im Osten bei 76,7 und im Westen bei 77,3 Prozent. Die | |
Quote der Arbeitslosen im Osten liegt heute bei 7,2 Prozent. In den Jahren | |
nach den 2000er-Jahren lag dieser Wert noch mit knapp 19 Prozent deutlich | |
höher. Die Quote im Westen liegt aktuell bei 5,3 Prozent und damit | |
weiterhin unter dem Wert im Osten. Beim Anteil der Langzeitarbeitslosen | |
liegen Ost und West mit 34 Prozent gleichauf. | |
Die hohe Arbeitslosigkeit und der Exodus der jungen Leute nach der Wende | |
1989 haben sich laut Bertelsmann Stiftung tief ins kollektive Bewusstsein | |
eingebrannt. „Die Auswirkungen sind auch heute noch spürbar, wenn die | |
öffentliche Daseinsvorsorge in ländlichen Regionen weiter ausdünnt und | |
viele Arbeitslose von damals [2][nun der Altersarmut entgegensehen]. Das | |
trägt zur Wahrnehmung bei, weiterhin benachteiligt zu sein – auch wenn der | |
ostdeutsche Arbeitsmarkt heute wesentlich besser dasteht als vor 30 | |
Jahren“, sagt Eric Thode, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung. | |
„Deutliche Vorteile bietet der Osten dagegen bei den | |
Beschäftigungsbedingungen für Frauen“, so die Studienautoren. [3][Der | |
Gender Pay Gap, also der Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern], | |
ist demnach in den östlichen Bundesländern erheblich kleiner als in den | |
westdeutschen Ländern. 2023 lag der durchschnittliche Stundenverdienst | |
einer Frau in Westdeutschland 19 Prozent unter dem eines Mannes. In | |
Ostdeutschland betrage der Unterschied nur sieben Prozent. | |
Das liegt laut der Untersuchung auch an der [4][besseren Kinderbetreuung] | |
in den östlichen Ländern, wo 50 Prozent der Kinder unter drei Jahren | |
betreut werden. Im Westen sind es lediglich 30 Prozent. „Die Folge: Mütter | |
in den ehemals neuen Ländern können ihre Arbeitszeitwünsche besser in die | |
Tat umsetzen. So arbeiten im Osten 67 Prozent der Frauen in Vollzeit – im | |
Westen dagegen nur 52 Prozent“, so die Stiftung. | |
7 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2024/augus… | |
[2] /Vorschlaege-fuer-Schul--und-Rentenpolitik/!6025201 | |
[3] /Frauenpolitik/!5996941 | |
[4] /Betreuung-in-Niedersachsens-Kitas/!5995102 | |
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