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# taz.de -- ZDF-Doku über Osten und AfD: Bekannte Bilder
> In der ZDF-Politdoku „Deutschland, warum bist du so?“ besucht Eva Schulz
> Thüringen, Sachsen und Brandenburg. Leider ist es inhaltlich
> unbefriedigend.
Bild: Immer im Gespräch: Eva Schulz mit Landwirt Paul Burkhardt
Stellen Sie sich vor, es sind Landtagswahlen in Ostdeutschland und auf
einmal gucken alle hin. Keine utopische Vorstellung, schließlich passiert
gerade genau das. Seit Wochen widmen sich Medienhäuser, Organisationen und
Vereine mit unzähligen Sonderprojekten dem Osten.
In der alltäglichen Berichterstattung eher vernachlässigt, wollen nun kurz
vor den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg alle mit „den
echten Menschen“ vor Ort ins Gespräch kommen, um herauszufinden, was sie
bewegt. Auch das ZDF hat ein neues Format ins Leben gerufen, die
Politikreportage „Deutschland, warum bist du so?“.
In den halbstündigen Episoden besucht [1][die Journalistin Eva Schulz] die
drei wählenden Bundesländer, in denen laut Umfragen die AfD stärkste Kraft
ist. Interviews aus Kleinstädten und Dörfern wechseln sich mit Studioszenen
ab, in denen Schulz manchmal etwas zu breitbeinig erklärt, wie ihre
Erfahrungen und Gespräche gerade einzuordnen sind.
In Thüringen dreht sich natürlich alles um [2][den Faschisten Björn
Höcke], der bei einer Veranstaltung in seinem Wahlkreis Greiz immer wieder
im O-Ton zu hören ist. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg versucht sie,
mit seinen Fans ins Gespräch zu kommen. Wie zu erwarten ist Presse dort
nicht so beliebt.
Ausführlich dagegen spricht der 28-jährige Paul aus dem Altenburger Land
mit ihr. Der Landwirt auf einer Straußenfarm überlegt, Höcke zu wählen.
Doch wirklich konkret sagen, wieso, kann er nicht. Er wirkt
desillusioniert: „Politisch gesehen habe ich das Gefühl, ist es eigentlich
egal, wo du dein Kreuz setzt.“ Die AfD würde zwar zuspitzen, aber immerhin
auch nichts schönreden.
## Viele Gespräche
Um ein rundes Bild zu bekommen, besucht Schulz eine Gegenveranstaltung zu
Höckes Auftritt sowie ein linkes Rockfestival und führt Straßeninterviews
vor einem Supermarkt. Obwohl sie auch immer wieder abblitzt, gelingt es ihr
schließlich doch, ein breites Gesprächsfeld zu liefern.
Auch in der Folge „Wie Sachsen zerreißt“ spricht Schulz mit verschiedenen
politischen Lagern: Mit [3][Montagsdemonstrant_innen in Bautzen], mit Andy,
einem AfDler aus dem Erzgebirge, mit Fatima, die sich antirassistisch in
Chemnitz einsetzt, und einem Pfarrer in Großschirma, der versucht, mit
einem Motorradgottesdienst alle wieder zusammenbringen. Nur miteinander
spricht hier kaum eine_r mehr. So die Analyse der verschiedenen
Protagonist_innen.
## Fredersdorf angeblich ganz anders
Während in Sachsen und Thüringen die Kacke am Dampfen ist, sieht die Welt
in Brandenburg ganz anders aus. So zumindest das Bild, das die Doku
zeichnet. Ein Bundesland im Wirtschaftswachstum. Hier gibt es Ideen und
Lust zum Wandel, der sei zwar noch nicht überall zu spüren, aber das wird
schon. Das Einzige, was nervt, scheinen die Berliner_innen, die jetzt auch
in den schönen Brandenburger Norden ziehen wollen.
Am allerschönsten scheint es in Fredersdorf zu sein: Hier kümmern sich alle
umeinander, die jungen Leute wollen bleiben, sind in der Feuerwehr und
retten das Freibad, und dann gab es kürzlich auch noch einen Preis vom Bund
für besonderes bürgerliches Engagement und attraktives dörfliches Leben.
Dass auch hier bei der Europawahl die AfD stärkste Kraft geworden ist,
lässt die Doku unerwähnt. Es kommt halt immer darauf an, wie man eine
Geschichte erzählen möchte.
## Es bleibt wenig
Journalistisch ist an den Beiträgen kaum etwas auszusetzen. Lediglich
Schulz’ Verwunderung, dass auch Männer mit freundlichem Lächeln und ruhigem
Auftreten Nazis oder am rechten Rand sein können, wirkt naiv. Ansonsten
gelingt es der Journalistin trotz großer Widerstände, mit vielen Menschen
vor Ort zu sprechen. Dabei kommen wiederholt auch Rechte und Rechtsextreme
zu Wort, wie sollte es anders sein. Doch sie bekommen hier keine große
Bühne, sondern werden kritisch befragt.
Doch trotz allem bleibt man als Zuschauer_in unbefriedigt zurück. Denn was
bleibt? Das ohnehin schon bekannte Bild von AfD-Wähler_innen, die sich im
Stich gelassen und abgehängt fühlen. Manchmal hat das berechtigte Gründe
(schlechte Infrastruktur oder eine Rente, die nicht reicht), manchmal nicht
(Gendern als angeblich größtes Problem unserer Gesellschaft). Immer wieder
teilen sie rassistische Ressentiments oder verschwörerische Ansichten mit
der Journalistin.
## Könnte es besser gehen?
Demgegenüber stehen all diejenigen, die sich mit Veranstaltungen, Vereinen
und Festivals gegen die AfD und ihre Anhänger_innen wehren wollen. Sie
haben Angst. Angst, dass nach den Wahlen alles noch schlimmer wird und ein
Zusammenleben noch schwieriger. Die Frage, wie lange es sich hier überhaupt
noch leben lässt, wird immer wieder von verschiedenen Personen aufgeworfen.
Der Pastor aus Großschirma wünscht sich am Ende: „Es würde uns helfen, wenn
man nicht von außen auf uns guckt und denkt: Ihr seid verloren.“ Doch nach
30 Minuten Sachsen und Thüringen ist das leider einer der Eindrücke, die
hängen bleiben.
Aber wie könnte man es besser machen? Denn auch wenn eine kontinuierliche
Berichterstattung gegeben wäre, ist die mediale Aufmerksamkeit vor den
Landtagswahlen eben größer. Und nur positive Geschichten von vor Ort zu
erzählen – damit ist auch niemandem geholfen.
Vielleicht wäre es gut gewesen, sich nicht nur auf die AfD zu
konzentrieren, sondern auch die anderen Parteien stärker in den Blick zu
nehmen. Viele der Enttäuschten schreiben der AfD zu, die Partei würde
Probleme der Menschen anpacken. Die anderen Parteien, sie sagen meist im
rechten Sprech „Altparteien“, würden sie dagegen im Stich lassen. Wie
Grüne, SPD, BSW, FDP und CDU da im direkten Gespräch dagegen halten, das
hätte interessant werden können.
7 Aug 2024
## LINKS
[1] /Youtube-Format-Callspiracy/!5874737
[2] /Faschist-Urteil-zu-AfDler-Hoecke/!5625346
[3] /Rechtsextreme-Montagsdemos/!5882340
## AUTOREN
Carolina Schwarz
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