| # taz.de -- Erneute Provokation Ungarns: EU-Einreise für Russen erleichtert | |
| > Nach Besuchen bei Putin und Trump überrascht Ungarns Premier Orbán mit | |
| > einem neuen Coup: Er erleichtert die EU-Einreise für Russen und | |
| > Belarussen. | |
| Bild: Für Überraschungen gut: Orban verkündet Visaerleichterungen für Russe… | |
| Wien taz | Viele in Brüssel hatten gehofft, dass nach Viktor Orbáns | |
| umstrittenen [1][Besuchen bei Wladimir Putin, Xi Jinping und Donald Trump] | |
| nun etwas Ruhe einkehren möge. Der ungarische Premier ist aber weiter für | |
| Überraschungen gut. Wie nun bekannt wurde, hat die ungarische Regierung die | |
| Einreisebedingungen für acht Länder gelockert, darunter für Belarus und | |
| Russland. Menschen aus jenen Ländern können nun wieder die ungarische | |
| „Nationalkarte“ beantragen, ein deutlich vereinfachter Prozess zur | |
| Einreise. Die neue Regelung gilt bereits seit 8. Juli. | |
| Die nun bekanntgewordene Lockerung steht im scharfen Gegensatz zu den | |
| infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verschärften | |
| Einreisebestimmungen. Visabestimmungen für Russinnen und Russen wurden | |
| dabei EU-weit vereinheitlicht, Sicherheitskontrollen ausgebaut, alle | |
| Fast-Track-Verfahren ausgesetzt. Zumindest bis jetzt. | |
| Die Kritik aus Brüssel folgte, nicht zum ersten Mal während des | |
| [2][aktuellen ungarischen Ratsvorsitzes], postwendend. Während die | |
| Europäische Kommission am Dienstag noch rechtliche Schritte prüfte, | |
| kritisierte die Europäische Volkspartei die Lockerung scharf. „Ein solcher | |
| Mechanismus ist hochgradig fragwürdig und wirft schwere Sicherheitsbedenken | |
| auf“, heißt es in einem Brief der größten EU-Parlamentsfraktion an | |
| Noch-Ratspräsident Charles Michel. | |
| ## Ungarn weist Vorwürfe zurück | |
| Als „Schmierenkampagne“ und „kindische Lüge“ tut Zoltan Kovacs, ein | |
| Sprecher des ungarischen Premiers, die Kritik ab. Auf der Plattform X | |
| schreibt er: „Diese Aktion ist nichts anderes als ein weiterer | |
| heuchlerischer Angriff der kriegsbefürwortenden liberalen europäischen | |
| Elite auf Ungarn.“ | |
| Die neue Regelung, die bereits gilt, ermöglicht es russischen und | |
| belarussischen Arbeitern, zunächst für zwei Jahre im Land zu bleiben und | |
| diese Aufenthaltsdauer unbegrenzt um jeweils drei Jahre zu verlängern, | |
| vorausgesetzt, sie haben Arbeit, Unterkunft und Krankenversicherung. Mit | |
| der Visa-Erleichterung, so die Befürchtung, eröffnen sich [3][Schlupflöcher | |
| für russische Spione], die sich nach nur minimaler Sicherheitsüberprüfung | |
| frei im gesamten EU- und Schengenraum bewegen dürften. | |
| Warum sich die ungarische Regierung zu diesem Schritt entschlossen hat, | |
| bleibt für Dorka Takácsy, Politikexpertin beim ungarischen Zentrum für | |
| euro-atlantische Integration und beim Thinktank Visegrad Insight, ein | |
| Rätsel. „Es gibt keinen erkennbaren Grund dafür“, sagt Takácsy. | |
| Sie verweist auf die bestehende Regelung für Gastarbeiter, die schon bisher | |
| russischen und belarussischen Arbeitsmigranten den Aufenthalt ermöglichte. | |
| Die Zahl der derart erstellten Aufenthaltserlaubnisse war jedoch gedeckelt, | |
| für die Träger der Nationalkarte gibt es hingegen keine Obergrenze. | |
| ## Politexpertin sieht Gefahr der russischen Spionage | |
| Es gebe zwar einige belarussische und russische Unternehmungen im Land – | |
| etwa den Ausbau des einzigen ungarischen Atomkraftwerks Pacs durch RosAtom | |
| –, einen akuten Bedarf an Arbeitnehmern aus diesen Ländern sieht die | |
| Expertin aber nicht. Der Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften sei vor | |
| allem mit Menschen aus der Ukraine und aus Serbien gedeckt. | |
| Vielmehr ortet sie eine Parallele zum Jahr 2019, als die ungarische | |
| Regierung die russische „Spionagebank“ IIB ins Land holte und dabei etwa | |
| bei den Steuern entgegenkam. Im Gegenzug bekamen ihre Mitarbeiter und Gäste | |
| unkompliziert Visa und Aufenthaltstitel in Ungarn. | |
| „Jetzt, wo IIB nicht mehr in Ungarn ist, könnte sich Russland ein neues und | |
| wertvolles Einreise-Fenster gesichert haben“, sagt Takácsy. Die Politologin | |
| sieht das Risiko für eine Infiltration durch russische Spione und | |
| Geheimdienste als groß an. „Russland kann und wird diese Chance bei Bedarf | |
| nutzen.“ | |
| Ob und wie lange der überraschende Schritt geplant war, ist unklar. | |
| Möglicherweise sei es kein Zufall, so Takácsy, dass die Lockerung am 8. | |
| Juli kam, nur drei Tage nach dem Besuch Orbáns bei Putin. Was aber in | |
| Moskau vereinbart wurde und ob es ein Gegengeschäft gab, kann derzeit | |
| niemand sagen. Klar ist nur: Ungarn ist auf russische AKW-Brennstäbe und | |
| auf russisches Gas angewiesen. Die Lockerung wäre nicht das erste | |
| Zugeständnis an Putin. | |
| 31 Jul 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Florian Bayer | |
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