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# taz.de -- Ein fiktives Pro und Kontra: Ferienwohnung putzen: ja oder nein?
> Ein Urlaub ist zum Entspannen da, und Putzen ist streng verboten. Aber es
> ist auch sehr befriedigend, den Sand einfach wegzusaugen. Was also tun?
Bild: Saugen oder saugen lassen?
Als meine Frau vom Sport im Urlaubsinselfitnesscenter zurückkommt, ertappt
sie mich mit dem Staubsauger in der Wohnküche unserer Ferienwohnung.
„Eigentlich haben wir für die Endreinigung bezahlt“, lässt sie so lässig
fallen wie ihr stylishes Top und macht sich auf den Weg unter eine lange,
heiße Dusche.
„Immerhin wäschst du dich noch, obwohl du im Urlaub bist“, maule ich ihr
hinterher, doch die crunchigen Geräusche des Saugers schlucken das einfach
weg. Und das ist auch gut so: Denn unangreifbar ist dieser argumentative
Gegenschlag ja nun keineswegs, eher schon ziemlich unter der Gürtellinie.
Die Frage aber steht nun in den zur Erholung angemieteten Räumen: Soll maus
die Ferienwohnung putzen ja oder nein? Hier ein durch und durch fiktives
Pro & Contra:
## JA
selbstverständlich gehört auch eine nur vorübergehend bewohnte Wohnung
regelmäßig gereinigt! Wen das in seiner Erholung stört, der wird vielleicht
auch darauf verzichten, am Urlaubsort regional und saisonal einzukaufen und
zu kochen, also wenigstens minimal einen sinnlichen Erfahrungsansatz in den
Ferien zu verfolgen, anstatt am All-you-can-eat-Büffet geistig zu
verfetten. Auf Tiktok gibt es dazu das sehr schöne Video [1][„Der erste Tag
nach dem Urlaub in der Türkei“], in dem ein Mann mit einem leeren Tablett
durch seine leere Küche fresswandelt.
Wie schön ist es dagegen, den Sand vom Strand, der seinen Weg auf die
Dielen, Teppiche und Bettlaken gefunden hat, ganz entspannt wegzusaugen;
wie große [2][Verbundenheit mit dem Gastort] drückt es aus, sich mit den
lokalen Gepflogenheiten der Mülltrennung bekannt zu machen; wie
selbstverständlich und normal ist es, ein Klo zu putzen, das 14 Tage lang
täglich von vier Personen bestückt wird? Urlaub ist die Absage an
entfremdete Arbeit und Selbstoptimierung, aber gerade nicht an solche zur
Selbsterhaltung und Regeneration. Und am Ende steht auch noch ein
solidarisches Argument: Denn natürlich ist die Endreinigung einer 14 Tage
lang ungepflegten Wohnung anstrengender als die einer grundgereinigten!
## NEIN
Gerade mit diesem letzten „Argument“ offenbart sich die Kleingeistigkeit
der ganzen Herangehensweise. Niemand verlässt heute noch eine Ferienwohnung
oder ein Hotelzimmer, ohne ein angemessenes Trinkgeld für die
Reinigungskräfte zu hinterlegen. Wir alle wissen schließlich um die
prekären Arbeitsbedingungen in dieser Branche. Konsequent wäre da nur, auf
Urlaub überhaupt zu verzichten, [3][weil Reisen nun mal niemals
klimaneutral möglich ist] und fair sowieso nicht – wäre es das, dürften
schließlich alle Menschen überall hinreisen.
Innerhalb dieser Logik ist es vertretbar, sich zwei Wochen im Jahr vom
Zwang des Dauerkampfs gegen die Materie („Schmutz ist Materie am falschen
Ort“, Mary Douglas) zu befreien. Es zeugt eher von Unfähigkeit, sich
tatsächlich einmal auf einen Bruch mit den Gewohnheiten einzulassen, wenn
dumpf und stumpf weiter gerackert wird, wie es einst die deutsche Hausfrau
tat, deren durch und durch neurotisches Ziel es war, die Ferienunterkunft
sauberer zu hinterlassen als sie vorgefunden wurde. Wer im Urlaub
staubsaugt, sollte sich also Gedanken um toxische Abhängigkeiten machen, um
Fremdbestimmung und um Sexyness – denn ignoriert ist der Sand im Bett nicht
nur halb so wild, sondern vielleicht sogar ganz aufregend.
5 Aug 2024
## LINKS
[1] https://www.tiktok.com/@papik.7/video/7377768649043627296
[2] /Proteste-gegen-Tourismus-auf-Mallorca/!6010077
[3] /Debatte-ums-Fliegen/!6024965
## AUTOREN
Ambros Waibel
## TAGS
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