| # taz.de -- Ein Deutscher im Urlaub: Souvenirs aus Italien | |
| > Am Pool liegen, im Hotel schlafen, im Restaurant essen. Schön. Aber wer | |
| > Urlaub macht, muss auch enttäuscht werden. Sonst gibt's zu Hause nichts | |
| > zu erzählen. | |
| Bild: Wer Urlaub macht, muss enttäuscht werden. Sonst gibt es zuhause nichts z… | |
| Vor einem Jahr hast [1][du deinen Urlaub gebucht]. Ein grauer Deckel sitzt | |
| ein Großteil des Jahres auf dem deutschen Topf, und plötzlich soll er | |
| geöffnet werden und die Sonne reinscheinen? Nur unbeholfen kann dir dieser | |
| Übergang gelingen. Genuss ist dir fremd. Unbeholfenheit steht dir. | |
| Im Flugzeug siehst du dich um und belächelst die Engländer, die einiges für | |
| das In-Flight-Essen zahlen müssen, [2][während du lüstern deiner Stulle ihr | |
| Aluminium-Kleid ausziehst.] Du landest und applaudierst dir selbst. Dass du | |
| deinen Koffer vorher gewogen hast, schützt dich nicht davor, dass du ewig | |
| am Gepäckband warten musst. Deine Oberlippe bebt. | |
| Die Autovermietung fragt dich, welche Versicherung du abschließen möchtest. | |
| Du gibst zu, dass du bereits die Doppel Diamant Premium-Versicherung vom | |
| ADAC hast. Statt einem Volkswagen bekommst du einen Fiat. | |
| ## Was du hasst, ist, was du liebst | |
| In dem Hotel, das eigentlich nur für Erwachsene ist, laufen Kinder in der | |
| Lobby. Ein anderes Hotel sei überbucht und einige Gäste hierher verlagert | |
| und es tue dem Hotel unglaublich leid und du würdest in eine größere Suite | |
| versetzt, versichert ein Rezeptionist. | |
| Du gibst vor, enttäuscht zu sein, doch auf deinen Lippen macht sich ein | |
| Lächeln breit. Nicht etwa wegen des Zimmers, sondern weil du ein Fressen | |
| gefunden hast. Denn was du hasst, ist, was du liebst. Du betrittst dein | |
| Nichtraucher-Zimmer, das auch wie eins riecht. In einer Ecke steht ein | |
| gläserner Aschenbecher. Er wird nicht ausreichen, um den Rezeptionisten | |
| erneut zu konfrontieren. | |
| Beim Frühstück gibt es keine Wurst und keinen Käse. Deine Frau berichtet, | |
| dass es im letzten Hotel eine Konfitüren-Sorte mehr gab. Sonntags werden im | |
| Hotel Eier serviert und du bestellst ein Omelette. Die Kellnerin warnt, | |
| dass das nicht im Preis inbegriffen sei. Du steigst auf ein hartgekochtes | |
| Ei vom Buffet um. „Wollte ich ohnehin nehmen“, sagst du zu deiner Frau. | |
| Noch nie hat ein Ei so gut geschmeckt. | |
| ## Hauptsache authentisch | |
| [3][Am Pool zeigt sich], wie fehl am Platz du bist. Dein schwitzender | |
| weißer Körper, der von juckenden Mückenstichen übersät ist, macht es sich | |
| auf einer Sonnenliege gemütlich. Deine Haare kleben dir an der Stirn und du | |
| beklagst, dass die Sonne zu heiß und das Wasser zu kalt sei. Zufrieden | |
| verschränkst du die Arme hinter deinem Kopf. Endlich angekommen. | |
| Du setzt dich in ein Restaurant, in dem das Essen nicht schmeckt. In einem | |
| italienischen Restaurant in Deutschland, in dem das sämtliche | |
| Küchenpersonal aus Rumänien kommt, würdest du sagen, dass das nichts mit | |
| echter italienischer Küche zu tun habe. In Italien reicht die geografische | |
| Lage aus, um dich sagen zu lassen: „Richtig authentisch hier.“ | |
| Das Essen darf schlecht und die Preise zu hoch sein, solange der Wirt dir | |
| das Gefühl gibt, etwas ganz Besonderes zu sein. Er spendiert dir einen | |
| Grappa und du bist richtig angekommen. Um dich rum sitzen andere Deutsche. | |
| Entweder wirfst du deiner Frau einen Blick zu, der sagt, dass du nicht zu | |
| ihnen gehören willst, „La quenta per favore“, oder du drehst dich um: „A… | |
| nein, Sie kommen auch aus Deutschland?“ Gleichgültigkeit in Bezug auf | |
| andere Deutsche gibt es nicht. | |
| ## Der Körper bebt vor Selbstgerechtigkeit | |
| Am Ende zahlst du deine Rechnung. Du gibst zu viel Trinkgeld, aber zahlst | |
| mit Karte, nicht bar, damit alles mit rechten Dingen zugeht und der | |
| Besitzer auch ja Steuern abgibt. Dein Körper bebt vor Selbstgerechtigkeit, | |
| als dir der Betrag für die Mehrwertsteuer auf der Rechnung entgegenfunkelt. | |
| Zuhause berichtest du, wie herrlich dein Urlaub war. Es dauert nicht lange, | |
| bis du deine Souvenirs auspackst. Deine Souvenirs sind die gesammelten | |
| Anekdoten darüber, was du an deinem Urlaub auszusetzen hattest. Du tauschst | |
| sie mit deinen Bekannten aus und freust dich, wenn deren Urlaub miserabler | |
| klingt als deiner. Auch wenn es genau diese Dinge sind, die deinen Urlaub | |
| vollkommen machen. | |
| 11 Sep 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Valérie Catil | |
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