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# taz.de -- E-Scooter kriegen neue Vorschriften: Riskante Regeln für Roller
> Der Lobbyverband Fuss warnt: Neue Vorschriften für E-Scooter sind eine
> Gefahr für Fußgänger:innen. Doch auch Scooter-Fahrer:innen leben
> gefährlich.
Bild: Stolperfalle: herumliegende E-Scooter auf Gehwegen
Berlin taz/rtr | Die Ampel steht auf Rot. Radfahrende rollen trotzdem
rechts um die Kurve, ein kleiner grüner Pfeil erlaubt es ihnen – nur ihnen,
bisher zumindest. Jetzt plant das Bundesverkehrsministerium, die Regel in
Zukunft auch für E-Scooter-Fahrer:innen gelten zu lassen. Doch der
Fußverkehrsverband (Fuss) schlägt Alarm: Das gehe auf Kosten der Sicherheit
von Fußgänger:innen.
Das Haus unter Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will die Vorschriften
für elektrische Tretroller insgesamt neu auflegen. Dafür hat es [1][einen
Referentenentwurf vorgelegt], den die Bundesländer und Verbände wie Fuss
Mitte Juli zugeschickt bekommen haben. Bis jetzt regelt die sogenannte
Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung des Bundes aus dem Jahr 2019 weite Teile
des E-Scooter-Verkehrs, einige Rechte sind auch in der
Straßenverkehrsordnung (StVO) festgeschrieben.
Rollerfahrer:innen dürfen in Ortschaften Radfahrstreifen auf Straßen,
Radwege, Fahrradstraßen und geteilte Geh- und Radwege nutzen. Abgesehen von
der neuen Regel fürs Rechtsabbiegen bei einem grünen Pfeil für Radfahrende
sieht der Referentenentwurf nun vor, dass E-Scooter generell öfter das
dürfen, was auch Fahrrädern erlaubt ist. Vorschriften, die in der
Verordnung für Elektrokleinstfahrzeuge stehen, sollen in die StVO überführt
werden.
So sollen dort, wo das Schild „Rad frei“ bisher nur Radler:innen das
Recht gibt, auf Gehwegen zu fahren, laut dem Papier bald auch Roller
unterwegs sein dürfen. Das betreffe zahlreiche Gehwege und Fußgängerzonen,
sagt Fuss-Vorstand Roland Stimpel und nennt den Entwurf eine [2][„grobe
Attacke auf die Menschen zu Fuß“]. Er gibt zu bedenken, dass Menschen vor
allem auf geliehenen E-Scootern oft gefährlich und chaotisch führen. „Wo
Kinder, Ältere, Menschen mit Behinderungen und viele andere unterwegs sind,
haben sie nichts verloren“, meint der Fußverkehrslobbyist.
## Müssen E-Scooter bald keinen Abstand mehr halten?
Noch gefährlicher, laut Stimpel: Das Ministerium sieht vor, den
Mindestabstand von 1,50 Metern explizit für E-Scooter zu streichen, wenn
sie Fußgänger:innen überholen. Außerdem kritisiert Fuss, dass der
Entwurf keine wirklich hohen Strafen enthält: Bußgelder für illegale
Rollerfahrten auf Gehwegen würden zwar auf 25 Euro, für riskantes
Slalomfahren in Menschenmengen auf 35 Euro erhöht. Stimpel fordert
mindestens 55 Euro.
Und: Wissing wolle in der StVO verankern, dass E-Scooter genau wie
Fahrräder auf Gehwegen abgestellt werden dürfen. Fuss hingegen schlägt vor,
Fahrräder und Elektrokleinstfahrzeuge ab 2026 auf Gehwegen oder in
Fußgängerzonen nur noch auf markierten Parkflächen zum Verleih anzubieten.
Dass wild abgestellte Roller ein Problem sein können, unterschreibt auch
Ragnhild Sørensen, Sprecherin des Vereins Changing Cities. „Viele Menschen
mit Seheinschränkungen melden sich bei uns“, erklärt sie. „Für sie sind
E-Scooter auf dem Fußweg extrem gefährlich.“ Es brauche sichere
Abstellmöglichkeiten neben dem Gehweg.
2023 hat die Zahl der [3][E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden im
Vergleich zum Vorjahr stark zugenommen], das zeigte am Freitag eine
Erhebung des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Demnach registrierte die
Polizei im letzten Jahr 9.425 dieser Unfälle, 14,1 Prozent mehr als 2022.
22 Menschen seien dabei gestorben – das sind doppelt so viele Todesopfer
wie im vorherigen Jahr. 1.220 Menschen wurden 2023 schwer verletzt. 83
Prozent der Verunglückten waren selbst mit den Rollern unterwegs.
## Vor allem E-Scooter-Fahrer:innen verletzt
Gleichzeitig waren die Schäden, die entstanden sind, wenn andere Menschen
durch E-Scooter verletzt wurden, laut der Versicherungsbranche
vergleichsweise hoch: „Jeder Unfall mit Personenschaden kostet im Schnitt
über 13.000 Euro“, sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des
Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Diese Kosten
fielen etwa für Behandlungskosten, Arbeitsausfall und Schmerzensgeld an.
Ähnlich wie Roland Stimpel hält er deshalb nicht viel davon, E-Scootern
dort mehr Platz zu geben, wo Menschen zu Fuß gehen. „E-Scooter haben auf
Fußwegen nichts zu suchen“, sagt Asmussen. Schon Radfahrende erhöhten in
Fußgängerzonen die Unfallgefahr. „Statt das Problem mit E-Scootern noch zu
verschärfen, sollten Rad- und Gehwege strikt getrennt werden.“
Ragnhild Sørensen von Changing Cities ergänzt, dass sich das Problem
[4][ohne breite Radwege nicht lösen] lässt. „Die Geschwindigkeit von Rad-
und E-Scooter-Fahrenden ist recht ähnlich, aber wenn es sich auch hier
knubbelt, dann passieren Unfälle.“
Das Bundesverkehrsministerium teilt auf Anfrage der taz mit, dass es noch
bis zum 9. August auf Stellungnahmen der Länder und Verbände zum
Referentenentwurf warte. Für die geplanten neuen Regeln gelte eine
Übergangsfrist von einem Jahr. In dieser Zeit könnten Kommunen prüfen, ob
sich mehr Freiheit für Rollerfahrer:innen bewährt – oder ob sie für
Elektrokleinstfahrzeuge doch wieder Verbote in Fußgängerzonen oder auf
Gehwegen aussprechen.
28 Jul 2024
## LINKS
[1] https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Gesetze-20/verordnung-aenderung-elektrok…
[2] https://www.fuss-ev.de/?view=article&id=929%3Agrobe-attacke-auf-die-men…
[3] /Unfallstatistik-E-Scooter/!6026136
[4] /Volksentscheide-ueber-Radverkehr/!6003408
## AUTOREN
Nanja Boenisch
## TAGS
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