# taz.de -- Künstliche Intelligenz: Kampf um die Kunst | |
> Selten waren Urheberrechtsverletzungen so leicht zu begehen wie mit KI. | |
> Die Programme „Glaze“ und „Nightshade“ sollen das verhindern. | |
Bild: „The Glaze Project“ möchte zumindest den malenden und zeichnenden K�… | |
Früher war [1][Kunstraub] noch anstrengend. Verbrecher:innen mussten | |
Museen auskundschaften, Alarmanlagen ausschalten, auf Zehenspitzen durch | |
die Dunkelheit schleichen. Wertvolle Gemälde mussten heimlich abgehängt und | |
später auf dem Schwarzmarkt verkauft werden. | |
Inzwischen geht Kunstraub anders. Es braucht keine Handschuhe oder Masken | |
mehr, keine Taschenlampen oder Bestechungen des Wachpersonals. Nun reichen | |
die rechteckigen Eingabefelder von Programmen wie DALL-E oder Midjourney, | |
durch die man die Kunst anderer stiehlt. | |
Das alles geht dank künstlicher Intelligenz. Diese kann Kunst zwar | |
imitieren, aber niemals selbst erschaffen. Eine KI speichert lediglich die | |
Gemälde und Zeichnungen von anderen als Datensätze ab, um aus den | |
Versatzstücken ein neues Bild zu generieren. | |
Die Bildgeneratoren [2][ignorieren dabei jegliche Urheber:innenrechte | |
und geistiges Eigentum], was bei vielen Künstler:innen auf Kritik stößt. | |
Auch ihre Auftragslage verschlechtert sich dadurch. Aber es gibt Gegenwehr: | |
„The Glaze Project“, selbst ein KI-Programm, soll aktiv verhindern, dass | |
Generatoren fremde Kunst als Datensatz nutzen. Und mehr noch, die KI soll | |
sogar sabotiert und gestört werden. Im Einsatz gegen KI greift man also auf | |
sie selbst zurück. | |
## Eine Glasur überm Werk | |
Seit März 2023 entwickelt die University of Chicago mit einem mehrköpfigen | |
Team [3][„The Glaze Project“.] Das nicht profitorientierte Projekt umfasst | |
mehrere Programme, von denen insbesondere [4][„Glaze“] und | |
[5][„Nightshade“] genutzt werden. Mit unterschiedlichen Funktionsweisen | |
sollen beide Programme Kunstschaffende vor dem KI-Raub schützen. | |
„Glaze“ legt einen Filter über das jeweilige Bild, der die Anordnung der | |
Pixel minimal verändert. Während das menschliche Auge das kaum erkennt, ist | |
es umso deutlicher für die KI. Das Motiv des Kunstwerkes erkennt die KI | |
zwar weiterhin, dafür schützt „Glaze“ den Stil der jeweiligen | |
Künstler:in, indem es eine Art Glasur über das Werk legt. Nach der | |
Bearbeitung wird ein Bild in Comic-Optik von der KI nur noch als Ölgemälde | |
oder Pop-Art ausgelesen. | |
Künstler:innen sollten „Glaze“ verwenden, bevor sie ein Bild potenziell | |
einer KI ausliefern und auf Plattformen wie Instagram oder Pinterest | |
hochladen. Das Team hinter „Glaze“ nennt es auf ihrer Website ein | |
„Instrument zur Verteidigung“. | |
## Wirkt nur im Kollektiv | |
„Nightshade“ hingegen geht in die Offensive – die Entwickler:innen | |
verschleiern ihr „Angriffswerkzeug“ nicht. Auch hier wird mit einem kaum | |
sichtbaren Filter gearbeitet, den Betrachter:innen nur im Detail | |
erkennen. Dafür sieht die KI in einem „shaded“ Bild etwas vollkommen | |
Fremdes. Ähnlich wie „Glaze“ wird auch dafür die Anordnung der Pixel im | |
jeweiligen Bild minimal verändert. Doch der technische Prozess ist bei | |
„Nightshade“ deutlich umfangreicher, sodass sich nicht nur der Stil des | |
Bildes, sondern ganze Motive abändern. Dadurch wird die KI am Auslesen des | |
jeweiligen Bildes gehindert. | |
Die Entwickler:innen beschreiben es so: „Eine Eingabe, die nach dem | |
Bild einer im Weltraum fliegenden Kuh fragt, könnte stattdessen das Bild | |
einer im Weltraum schwebenden Handtasche ergeben.“ Ein Problem bleibt: | |
KI-Programme können auf riesige Datensätze zurückgreifen, die sie bereits | |
gesammelt haben. „Nightshade“ sabotiert nur Bilder, die die KI nun zum | |
ersten Mal erfasst. Auf bereits erfasste Bilder hat das Programm keine | |
Wirkung. | |
Zudem müssen es möglichst viele Künstler:innen verwenden, damit die KI | |
wirklich darauf trainiert wird, in der Kuh eine Handtasche zu sehen. | |
„Nightshade“ entfaltet seine Wirkung also nur im Kollektiv. Tatsächlich | |
erfreut sich „The Glaze Project“ in der Kunstszene bisher großer | |
Beliebtheit und sie begrüßt die Programme, mit denen sie sich verteidigen | |
kann. | |
## Bewusstsein für KI schärfen | |
Doch nicht alle sind durch KI verschreckt. [6][Die deutsche Malerin Annton | |
Beate Schmidt] etwa versucht der Entwicklung gelassen zu begegnen: „Ich bin | |
da relativ entspannt. Vielleicht ist das auch naiv. Es wurde schon oft | |
gesagt, dass wir durch technische Entwicklungen unsere Individualität | |
verlieren. Aber am Ende habe immer noch ich die Macht, eine Geschichte zu | |
erzählen. Und die kennt die KI nicht.“ Außerdem sei KI schlichtweg teil | |
unseres Alltags: „Wir werden also mit ihr umgehen müssen. Sie zu bekämpfen, | |
würde ich nicht begrüßen. Aber ihnen mit Glaze und Nightshade ein | |
Schnippchen zu schlagen, finde ich trotzdem richtig.“ | |
Schmidt arbeitet hauptsächlich mit Aquarell und erstellt unter anderem | |
Porträts von lachenden Frauen. Die 56-Jährige stellt ihre Kunstwerke auch | |
bedenkenlos online. Mit der KI hatte sie bisher keine Probleme. Dass die | |
Malerei langfristig durch die Technik ersetzt wird, glaubt sie nicht. Dafür | |
aber, „dass sich die Aufgabenfelder von Künstler:innen verschieben | |
werden. Aber wir können noch nicht absehen, wohin. Wir hatten ähnliche | |
Diskussionen, als Kunstgalerien immer weiter in den Hintergrund traten und | |
Künstler:innen sich stärker im Internet vermarkteten. Wir lernen mit | |
diesen Entwicklungen umzugehen.“ | |
Deutlich weniger gelassen sieht es die italienische Künstlerin Francesca | |
Baerald. Sie wünscht sich mehr Interesse an den | |
Urheber:innenrechtsverletzungen und weniger Einsatz von | |
Generatoren. Der taz sagt sie: „Programme wie,Glaze' sind äußerst | |
willkommen. Sie tragen dazu bei, das Bewusstsein für das Problem zu | |
schärfen.“ Wissen sei das mächtigste Werkzeug, fügt Baerald hinzu: „Erst | |
wenn die Menschen verstehen, wie verachtenswert es ist, die harte Arbeit | |
von Tausenden von Künstlern zu stehlen, erst dann wird die Kunst wirklich | |
sicher sein.“ | |
## Schwer zu regulieren | |
Baerald malt mit Wasserfarben Gemälde und Landkarten von Fantasy-Welten, | |
zum Beispiel für die Verlagsgruppe Penguin Random House. Für ihre Kunst | |
lehnt sie jede Art der KI strikt ab. „Ich verwende keine KI und im Moment | |
sehe ich KI nicht einmal als echte künstliche Intelligenz, sondern als ein | |
cleveres und hochentwickeltes Instrument, um Kunst kostenlos auszunutzen“, | |
so die 42-jährige Malerin. | |
Noch nie war das öffentliche und wirtschaftliche Interesse an KI größer als | |
heute. Microsoft, Apple und Amazon sehen in der KI-Forschung längst die | |
Zukunft und richten ihre Unternehmensziele entsprechend aus. Nicht umsonst | |
[7][investierte Microsoft 13 Milliarden US-Dollar in OpenAI], das | |
Unternehmen hinter [8][ChatGPT]. KI zu regulieren, ist bei diesem riesen | |
Wachstum eine schwierige Aufgabe. | |
„The Glaze Project“ möchte zumindest den malenden und zeichnenden | |
Künstler:innen helfen. Das Programm ist über die Website der University | |
of Chicago frei zugänglich, kostenlos nutzbar und eines der wenigen | |
Werkzeuge, das Kunstschaffende im Kampf gegen KI haben. Und wenn ihre | |
Kritik an den scheinbar übermächtigen Bildgeneratoren nicht gehört wird, | |
müssen sich Künstler:innen mit allen Mitteln zur Wehr setzen. | |
23 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Asiatika-Diebstahl-in-Museen/!5997017 | |
[2] /Zukunft-von-intellektuellem-Eigentum/!5990198 | |
[3] https://glaze.cs.uchicago.edu/ | |
[4] https://glaze.cs.uchicago.edu/what-is-glaze.html | |
[5] https://nightshade.cs.uchicago.edu/ | |
[6] /Interview-mit-Annton-Beate-Schmidt/!5025102 | |
[7] https://www.ft.com/content/458b162d-c97a-4464-8afc-72d65afb28ed | |
[8] /Kuenstliche-Intelligenz/!5948779 | |
## AUTOREN | |
Martin Seng | |
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