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# taz.de -- Ampel spart bei Ukraine-Unterstützung: Freiwilliges Händebinden
> Weil Deutschland an der Schuldenbremse festhält, wird die Ukraine-Hilfe
> auf ein wackliges Konstrukt gestützt – und gegen soziale Projekte
> ausgespielt.
Bild: Im Bundeshaushalt hat Christian Lindner die Ukraine-Hilfen nicht eindeuti…
Seit Monaten steht er auf der deutschen innenpolitischen Agenda auf Platz
eins: der Haushalt. Es war klar, es würde schwierig werden. Aufgrund der
Weigerung der FDP, an der Schuldenbremse zu rütteln, war ebenfalls schon im
Vorfeld klar, dass priorisiert werden muss – dass es unverrückbare Posten
gibt und Dinge, bei denen man sich darauf verlässt, dass sich vielleicht
noch etwas Kleingeld in der Sofaritze findet.
Vor dem Hintergrund, dass die Spitzen der deutschen Politik seit
zweieinhalb Jahren ihren Wählern immer wieder erklären, dass die
Unterstützung der Ukraine im ureigenen deutschen Sicherheitsinteresse ist,
der beste Schutz vor Russland und obendrein noch moralisch richtig und
völkerrechtlich eindeutig, würde man denken, die Ukraine stünde im Haushalt
auf der Liste der festen Prioritäten.
Nun hat die Bundesregierung einen [1][Haushalt im Kabinett beschlossen] und
es stellt sich bei näherer Betrachtung heraus: Ausgerechnet die
Finanzierung der angeblich obersten außenpolitischen Priorität haben die
Spitzen von FDP, SPD und Grünen [2][auf besonders wacklige Beine gestellt].
Dort ist zu lesen: Die Bundesregierung gehe davon aus, dass „die Ukraine
mit Hilfe der von den G7 beschlossenen und sich in der Umsetzung
befindlichen zusätzlichen Finanzhilfe im Umfang von circa 50 Milliarden
US-Dollar einen wesentlichen Teil ihres militärischen Bedarfs decken wird.“
Das spiegelt sich im Rest des Haushalts wider, denn die Waffenhilfen für
Kyjiw wurden fast um die Hälfte gekürzt. Die Mittel für humanitäre Hilfe
werden ebenfalls halbiert – was Kyjiw als einen der größten Empfänger
humanitärer Hilfe wiederum besonders trifft. Ähnliches gilt für die
Kürzungen im Entwicklungsministerium, welche auch die Ukraine betreffen.
Die im G7-Kreis beschlossenen 50 Milliarden Dollar (ungefähr 46 Milliarden
Euro) an Hilfe für die Ukraine sollen durch die sogenannten „windfall
profits“ aus eingefrorenem russischem Vermögen abgesichert und
zurückgezahlt werden. So solle Russland selbst für den Wiederaufbau der
Ukraine zahlen. So weit, so gut.
Allerdings: Diese Pläne existieren derzeit nur auf dem Papier. Wie genau
die Erträge genutzt werden können, muss erst einmal rechtlich geprüft
werden. Es ist beispielsweise noch zu klären, was passiert, wenn aufgrund
einer ausbleibenden Verlängerung der Russland-Sanktionen auf EU-Ebene –
beispielsweise durch ein ungarisches Veto – eingefrorenes Vermögen
aufgetaut wird und die erwarteten Profite ausbleiben. De facto macht
Deutschland hiermit die gesicherte Unterstützung für die Ukraine von Orbáns
Zustimmung abhängig.
Die Hilfen für die Ukraine wurden nicht ersatzlos gestrichen. Das allein
ist beachtlich, gerade in Anbetracht der weiteren haushaltspolitischen
Entscheidungen bei den Themen Außenpolitik und Verteidigung, die stark
reduziert oder, im Fall des Verteidigungsministeriums, nicht wie gefordert
aufgestockt wurden. Doch solange unklar ist, wann und wie die G7-Staaten
das Geld tatsächlich mobilisieren, wäre der verantwortungsvolle Umgang mit
den erwarteten Mitteln gewesen, diese als eventuellen „Bonus“ zu
betrachten.
## Reform der Ukraine-Hilfe verpasst
Weitere nötige Ukraine-Hilfen sind damit nicht garantiert. Und dies zu
einem Zeitpunkt, an dem eine [3][zweite Amtszeit von Donald Trump] nach dem
kürzlichen [4][Attentat auf ihn] so wahrscheinlich wie nie erscheint. Sein
vor kurzem ernannter Kandidat zum Vizepräsidenten, J. D. Vance, vertritt
prominent, dass Europa für seine eigene Verteidigung aufkommen muss und
wirbt offen dafür, die Ukraine nicht länger militärisch zu unterstützen.
Durch Joe Bidens Rückzug werden die Karten zwar neu gemischt – doch seit
Monaten herrscht Konsens darüber, dass sich Europa auch unter einer
erneuten demokratischen Präsidentschaft stärker an der eigenen Verteidigung
und der Unterstützung der Ukraine beteiligen muss.
In einer solchen Situation die eigene Handlungsfähigkeit und Flexibilität
zur Unterstützung der Ukraine auf unsicheren Boden zu stellen, ist grob
fahrlässig. Natürlich kann man sagen: erst mal abwarten. Sollte Trump
gewählt werden, wird über den Haushalt neu nachgedacht und möglicherweise
weitere Unterstützung für die Ukraine freigegeben. Sollte das der Fall
sein, setzte sich wieder einmal die Politik des letzten Drückers durch –
obwohl es nach zweieinhalb Jahren an der Zeit wäre, die „Pakete“-Logik der
Ukraine-Unterstützung in einen ständigen Fluss an Geldern und
Militärmitteln umzuwandeln.
## Berlin verspielt neu gewonnenes Vertrauen
Somit sendet Berlin mit diesem Haushalt ein fatales Signal in die EU und
darüber hinaus: Auch die Bundesregierung stellt am Ende, wenn es Spitz auf
Knopf kommt, andere Prioritäten über die Ukraine-Unterstützung. Damit
verspielt Deutschland wieder Vertrauen, das in Kyjiw, im Baltikum und in
Polen nach Jahren völlig fehlgeleiteter Russlandpolitik erst langsam wieder
entstanden ist.
Und auch im Kreml lehnt man sich wieder entspannt zurück, bestätigt in der
Annahme, dass die Entschlossenheit der westlichen Unterstützung der Ukraine
ein Verfallsdatum hat. Auch von Berlin hängt ab, wie der russische
Angriffskrieg weitergeht; nun bindet sich die Bundesregierung freiwillig
die Hände.
Es war klar: Dieser Haushalt wird niemanden zufriedenstellen und
[5][komplizierte Abwägungen erfordern]. Aber dieser Befund führt zur Frage
zurück, warum in einer Zeit, in der die Schienen marode und Krankenhäuser
unterfinanziert sind, während die Klimakrise fortschreitet, sich die
Bundesregierung eines der kreditwürdigsten Länder der Welt solche Fesseln
anlegt.
Die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Form führt so zu einer an Zynismus
kaum zu überbietenden Debatte, in der suggeriert wird, man müsse sich eben
entscheiden [6][zwischen stabilen Renten und dem Schutz ukrainischer
Kinderkrankenhäuser]. Wer sowohl in Sicherheit leben möchte, als auch Rente
beziehen, zieht den Kürzeren. Das ist einfach nur verantwortungslos.
24 Jul 2024
## LINKS
[1] /Kabinett-beschliesst-Entwurf/!6021097
[2] /Volkswirt-Tobias-Boerger/!6024705
[3] /Wie-die-EU-sich-wappnen-muss/!6022239
[4] /T-C-Boyle-ueber-Trump/!6022213
[5] /Haushalt-2025/!6021057
[6] /Volkswirt-Tobias-Boerger/!6024705
## AUTOREN
Julia Friedrich
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