# taz.de -- Proteste in Bangladesch: Ein „roter Juli“ | |
> Die Regierung will Familien von Veteranen bei der Jobvergabe bevorzugen. | |
> Das löst Unruhen aus. Diese fordern über 150 Tote. | |
Bild: „Freundlicher“ Hinweis eines Soldaten an die Adresse eines Paars in D… | |
Mumbai taz | Der Juli erweist sich als einer der blutigsten Monate in der | |
jüngeren Geschichte Bangladeschs. Vom „roten Juli“ ist daher die Rede. Seit | |
Anfang des Monats ist vor allem unter jungen Menschen der Unmut über ein | |
Gerichtsurteil gewachsen, das die Wiedereinführung eines umstrittenen | |
Quotensystems für begehrte öffentliche Posten vorsah. | |
Der Frust entlud sich jetzt nicht nur in der Hauptstadt Dhaka. Über mehrere | |
Tage hinweg kam es [1][zu massiven Auseinandersetzungen] zwischen | |
Befürwortern und Gegnern. Laut der Nachrichtenagentur AFP starben bis | |
Sonntag mindestens 151 Menschen. Indien evakuierte indische Studierende, | |
die sich im Land befanden. | |
Die Protestierenden blockierten Straßen, forderten die komplette | |
Abschaffung der Quoten. Sie fanden Unterstützung in Teilen der Bevölkerung. | |
Sicherheitskräfte reagieren hart, wie Videos in den sozialen Medien zeigen. | |
Schulen und Universitäten wurden geschlossen. Die Regierung blockiert die | |
Internetverbindung, wodurch Informationen nur langsam an die Öffentlichkeit | |
gelangen. Einige Nachrichtenseiten aus Bangladesch sind weiterhin nicht | |
abrufbar. | |
Augenzeugen berichten von Szenen in Dhaka, die einem Bürgerkrieg gleichen. | |
Die Armee wurde einberufen und eine Ausgangssperre verhängt. Noch am | |
Samstag ignorierten viele Protestierende die Maßnahme. „Der Einsatz der | |
Armee auf der Straße ist ein Eingeständnis des Versagens der Regierung, die | |
Situation einzudämmen“, äußerte der politische Beobachter und Professor Ali | |
Riaz von der Illinois State University. | |
## Quote wurde 2018 abgeschafft | |
Die umstrittene Quote, die zu heftigen Unruhen geführt hatte, war erst 2018 | |
nach Protesten abgeschafft worden – aber im Juni wurde sie wieder in Kraft | |
gesetzt, bis das Oberste Gericht letztinstanzlich darüber befindet. Sie | |
begünstigt bei Stellenbesetzungen im öffentlichen Dienst Nachkommen von | |
Personen, die 1971 zur Unabhängigkeit des Landes von Pakistan beigetragen | |
hatten und [2][der regierenden Awami-Liga von Sheikh Hasina nahestehen]. | |
Ihr Vater, Sheikh Mujibur Rahman, war der erste Premierminister von | |
Bangladesch und wird als Gründer der Republik verehrt. | |
Kritiker:innen werfen der Awami-Liga vor, staatliche Institutionen | |
auszunutzen, um ihre Macht zu festigen. Bereits in diesem Jahr kam es zu | |
einer einseitigen Wahl, die die Opposition boykottierte. Angeheizt wurden | |
die Proteste jetzt auch durch die Aussage von Hasina, die Quotengegner als | |
„Razakars“ bezeichnet, eine als Verräter verschrieene Miliz, die im | |
Unabhängigkeitskrieg die pakistanische Armee unterstützte. | |
Am Sonntag lenkte der Oberste Gerichtshof angesichts der Lage in dem 170 | |
Millionen Einwohner:innen zählenden Land ein und reduzierte die frisch | |
wiedereingeführte Quote deutlich von 30 auf 7 Prozent. Nun soll ein | |
Großteil der Einstellungen im öffentlichen Dienst nach Leistung erfolgen, | |
so Generalstaatsanwalt Abu Mohammad Amin Uddin. Studierende wurden dazu | |
aufgerufen, wieder an die Unis zurückzukehren. Die größte | |
Studierendengruppe hinter den Protesten lehnt das jedoch ab. Ob sich die | |
Lage nach der Volte des Obersten Gerichts beruhigt, ist also offen. | |
Die Zuspitzung des Konflikts spiegelt die Probleme im Land wieder. Zwar hat | |
sich die Wirtschaft Bangladeschs nach der Covid-19-Pandemie erholt, doch | |
Arbeitslosigkeit und Inflation sind hoch und belasten die Bevölkerung. | |
Bangladesch ist nach wie vor eines der am wenigsten entwickelten Länder der | |
Welt. Im Januar hat der Internationale Währungsfonds Dhaka ein | |
Hilfsprogramm in Höhe von 4,3 Milliarden Euro bewilligt. | |
## Zusätzliche Spannungen | |
Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung von Sheikh Hasina, | |
die zum vierten Mal in Folge an der Macht ist, sorgt für zusätzliche | |
Spannungen. Die Regierung wirft Teilen der oppositionellen Bangladesh | |
Nationalist Party (BNP) vor, Gewalt geschürt zu haben. Der | |
Oppositionspolitiker Ruhul Kabir Rizvi klagte dagegen, die | |
Premierministerin und ihr Generalsekretär hätten der Polizei die Erlaubnis | |
gegeben, Studenten zu töten. | |
Doch die Opfer seien nicht umsonst gewesen, „da diese Bewegung darauf | |
abzielt, Demokratie und Menschlichkeit in Bangladesch wiederherzustellen“, | |
so Rizvi. Am Freitag wurde er verhaftet. Schon vor den Wahlen in diesem | |
Jahr wurden tausende Oppositionelle, vor allem aus dem Lager der BNP, | |
eingesperrt. | |
21 Jul 2024 | |
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## AUTOREN | |
Natalie Mayroth | |
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