# taz.de -- Urteil des Obersten US-Gerichts: Trump will Urteil gleich ausnutzen | |
> Ex-Präsident will nach dem für ihn günstigen Urteil des Supreme Courts | |
> weiteren juristischen Sieg erringen. Biden hält Gerichtsentscheidung für | |
> fatal. | |
Bild: Höchste Instanz: Das Gebäude des Supreme Couts der USA in der Haupstadt… | |
Washington dpa | Der frühere [1][US-Präsident Donald Trump] bemüht sich | |
Berichten zufolge nach der [2][jüngsten Entscheidung des höchsten Gerichts | |
zur Immunitätsfrage] um die Aufhebung seiner Verurteilung in New York. Nur | |
wenige Stunden nach dem Beschluss des Supreme Courts hätten die Anwälte des | |
Republikaners erste Schritte unternommen und sich an den zuständigen | |
Richter in New York gewandt, berichteten der Sender CNN und die New York | |
Times unter Verweis auf nicht namentlich genannte Quellen. | |
Demnach sollen die Anwälte den Richter auch gebeten haben, die für den 11. | |
Juli angesetzte Strafmaßverkündung zu verschieben. Trumps Team beruft sich | |
dabei auf die jüngste Entscheidung des Obersten US-Gerichts, wonach | |
US-Präsidenten weitgehenden Schutz vor Strafverfolgung für offizielle | |
Handlungen im Amt genießen – ein „gefährlicher Präzedenzfall“, wie | |
US-Präsident Joe Biden nach dem Richterspruch warnte. | |
Der Schritt von Trumps Anwälten war erwartbar und dürfte wohl aussichtslos | |
sein, könnte wegen der folgenden juristischen Schritte aber zumindest die | |
Verkündung des Strafmaßes hinauszögern. | |
Trump hatte am Montag einen bedeutsamen Erfolg vor dem höchsten US-Gericht | |
verbucht: Der Supreme Court urteilte, dass er zwar keine vollständige | |
Immunität für die Handlungen während seiner Zeit als Präsident genießt, | |
aber der Schutz vor Strafverfolgung sehr weitgehend ist. | |
## Jetziges Urteil verzögert Wahlbetrugsprozess gegen Trump | |
Mit ihrer Entscheidung verzögern die Richterinnen und Richter den Beginn | |
des Wahlbetrugsprozesses gegen den 78-Jährigen in der US-Hauptstadt | |
Washington weiter. Nun muss eine untere Instanz herausfinden, für welche | |
Handlungen Trumps Immunität gilt. Es gilt als sehr unwahrscheinlich, dass | |
der Prozess in Washington noch vor der Präsidentenwahl im November beginnen | |
wird. | |
In einem anderen Strafverfahren in New York wurde Trump vor wenigen Wochen | |
verurteilt. In dem Prozess um die Verschleierung von Schweigegeld-Zahlungen | |
an eine Pornodarstellerin wurde er von den Geschworenen in allen 34 | |
Anklagepunkten für schuldig befunden. Es war das erste Mal in der | |
Geschichte der USA, dass ein Ex-Präsident wegen einer Straftat verurteilt | |
wurde. Trump könnte im ärgsten Fall eine mehrjährige Haftstrafe drohen. | |
Der New Yorker Fall ist anders gelagert als etwa das Wahlbetrugsverfahren | |
in Washington, bei dem es um Trumps Versuche geht, das Ergebnis der | |
Präsidentenwahl 2020 zu kippen. Damals hatte Trump gegen den Demokraten | |
Biden verloren, wollte seine Niederlage aber nicht akzeptieren. Diese | |
Anklage betrifft seine Zeit als Präsident im Amt. | |
Das Verfahren in New York drehte sich in erster Linie um Trumps Handlungen | |
als Präsidentschaftskandidat vor der Wahl 2016. Trump war mit der | |
Argumentation, dass der Fall seine Präsidentschaft betreffe, bereits in der | |
Vergangenheit gescheitert. | |
Allerdings könnten Trumps Anwälte argumentieren, dass die Anklage sich in | |
dem Fall auch auf Beweise gestützt hat, die aus Trumps Zeit im Weißen Haus | |
stammen. Denn der Supreme Court hat nun entschieden, dass Amtshandlungen | |
von US-Präsidenten nicht nur vor Strafverfolgung geschützt sind. Sie dürfen | |
auch nicht als Beweise in Strafverfahren angeführt werden. | |
## Biden zu Immunitätsurteil: „Gefährlicher Präzedenzfall“ | |
Spätestens in einem Berufungsverfahren dürfte das Thema werden. Trump hatte | |
bereits angekündigt, nach der Strafmaßverkündung gegen das Urteil | |
vorzugehen. | |
US-Präsident Biden kritisierte das Immunitätsurteil des Supreme Court und | |
warnte vor schwerwiegenden Folgen. „Die heutige Entscheidung bedeutet mit | |
ziemlicher Sicherheit, dass es praktisch keine Grenzen für das Handeln | |
eines Präsidenten gibt“, sagte der Demokrat bei einer kurzfristig | |
anberaumten Ansprache im Weißen Haus. Jeder Präsident, einschließlich | |
Trump, werde nun die Freiheit haben, das Gesetz zu ignorieren, warnte der | |
81-Jährige. Er will bei der Präsidentenwahl im November gegen Trump | |
antreten. | |
Der Supreme Court habe mit seiner Entscheidung ein „grundlegend neues | |
Prinzip“ geschaffen: Die Macht des Präsidentenamtes werde künftig nicht | |
mehr durch Gesetze eingeschränkt, auch nicht durch das Oberste Gericht, | |
warnte Biden. „Die einzigen Grenzen werden vom Präsidenten selbst gesetzt.“ | |
## Liberale Richterinnen äußern fundamentale Bedenken | |
Die Menschen in den USA hätten ein Recht darauf, vor den nahenden | |
Präsidentenwahlen im November eine Antwort der Gerichte zur Rolle Trumps | |
beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 zu erhalten. Diese Antwort | |
werde es nach dem Urteil wohl aber nicht mehr geben. | |
Biden, der sich nach einem [3][desaströsen Auftritt bei der TV-Debatte] in | |
der vergangenen Woche in einer kritischen Phase seines Wahlkampfs befindet, | |
nutzte die Gelegenheit und rief die Menschen zum Wählen auf. Fragen zu | |
seiner Kandidatur beantwortete er nicht. | |
Das Urteil des Supreme Courts war mit sechs zu drei Stimmen ausgefallen. | |
Die drei als liberal geltenden Richterinnen hatten sich nicht der | |
rechtskonservativen Mehrheit des Supreme Courts angeschlossen, die Trump | |
durch Personalentscheidungen während seiner Zeit als Präsident zementiert | |
hatte. In der von Richterin Sonia Sotomayor verfassten abweichenden Meinung | |
äußerten die Juristinnen ihre „Angst um unsere Demokratie“. | |
Sotomayor skizzierte denkbare Situationen, in denen der Schutz des | |
Präsidenten vor Strafverfolgung künftig Anwendung finden könnte – als | |
Beispiel nannte sie einen von ihm in Auftrag gegeben Mordanschlag auf einen | |
Rivalen, einen Militärputsch des abgewählten Präsidenten oder den Nachweis | |
von Bestechlichkeit. | |
„Selbst, wenn diese Albtraumszenarien nie eintreten sollten, und ich bete, | |
dass sie es nie tun, ist der Schaden bereits angerichtet“, schrieb | |
Sotomayor. „Bei jeder Ausübung seiner Amtsgewalt ist der Präsident jetzt | |
ein König, der über dem Gesetz steht.“ Die langfristigen Folgen der | |
Entscheidung seien erheblich. Das Gericht schaffe damit „effektiv eine | |
rechtsfreie Zone um den Präsidenten und rüttelt am Status quo, der seit der | |
Gründung der Nation existiert“. | |
2 Jul 2024 | |
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