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# taz.de -- Geschichte der Republikaner: Die Grand Old Party ist tot
> Trump-Wähler wollen das System brechen. Um das Phänomen zu verstehen,
> muss man den Weg der Republikanischen Partei in den USA verstehen.
Bild: Präsident George W. Bush im Jahr 2000
In der Republikanischen Partei der Nachkriegszeit gab es lange Zeit
radikale reaktionäre Strömungen. Die Exil-Soziologen der Frankfurter Schule
stellten die autoritären Eigenschaften überraschend breiter Teile der
US-Wählerschaft und ihre Anfälligkeit für Demagogie fest. Das amerikanische
Zweiparteiensystem zwang sie, sich einer von zwei Parteien zuzuordnen, und
die Republikaner waren die naheliegendere Option. Warum?
In seinem 1964 erschienenen Essay [1][„The Paranoid Style in American
Politics“] erörterte der Historiker Richard Hofstadter den Hang der Rechten
zu Verschwörungstheorien, ihren Verfolgungswahn und Nativismus und die
Frage, warum sie einen Kampf zwischen den verhassten globalen Eliten und
dem einfachen Volk in fast kosmischen Begriffen beschrieben.
Im selben Jahr kandidierte der republikanische Senator von Arizona, Barry
Goldwater, für das Amt des Präsidenten: ein überzeugter Steuerkonservativer
und militanter Antikommunist, der die gemäßigten Kräfte seiner eigenen
Partei anprangerte, weil sie den Einsatz von Atomwaffen in Vietnam nicht
unterstützten.
Goldwater verlor gegen den Demokraten Lyndon B. Johnson, erhielt aber 38
Prozent der Wählerstimmen. Er gewann die Staaten, in denen Trump heute am
stärksten ist: Alabama, Georgia, Louisiana, Mississippi und South Carolina
– und auch seinen Heimatstaat Arizona. Die Entwicklung der Grand Old Party
zu dem Zombie, der sie heute ist, wurde von den aufeinanderfolgenden
republikanischen Führungen und von unten immer weiter nach rechts
getrieben.
Der oberste Republikaner der 1980er Jahre, Ronald Reagan, strahlte ein
Charisma aus, das die giftige Schlagader verbarg: Reagan erhöhte die
Militärausgaben, senkte die Steuern für die Wohlhabenden, reduzierte die
nichtmilitärischen Ausgaben, etwa für Sozialprogramme, und schränkte die
Bundesvorschriften ein – alles Maßnahmen, die die soziale Ungleichheit
verschärften.
Die von Reagan und den Republikanern im Kongress durchgesetzten
Ausgabenkürzungen führten zu Kürzungen der Hilfen für Familien, bei
Medicaid, Lebensmittelmarken, Schulspeisungsprogrammen und
Berufsausbildungsprogrammen – alles Programme, von denen unverhältnismäßig
viele afroamerikanische Haushalte profitierten.
In den 1990er Jahren beschleunigte sich der Rechtsruck der Republikaner, es
setzte sich eine Logik durch, die es den Rechten in der Partei ermöglichte,
sich gegenseitig in ihrer Radikalität zu übertreffen.
Gemäßigte Kollegen mussten sich gegen den Vorwurf wehren, liberale
Kompromissler zu sein; die Treue zu einer immer extremeren Ideologie wurde
zur Nagelprobe des Republikanismus. Von Reagan bis zur Tea-Party-Bewegung
der späten 2000er Jahre schlug ein „aufrührerischer Konservatismus“
Wurzeln.
Laut [2][Kritiker Fintan O'Toole] wurde der „gewalttätige Hass auf die
Regierung zu einer Regierungsagenda“. Der heimtückische Rassismus, der die
Partei der Oberschicht lange Zeit begleitet hatte, spiegelte sich in der
Verunglimpfung jeglicher Sozialpolitik, der Affirmative Action, der
fortschrittlichen Wohnungs- und Bildungspolitik und den Kompromissen mit
den Demokraten durch die radikale Basis wider. Die Illusion der
Republikaner, so O’Toole, war, dass sie diesen Aufstand an der Basis
kontrollieren könnten.
Der endgültige Auslöser für die Implosion der Partei war George W. Bush,
der sein Kabinett mit Neokonservativen besetzte, die heute zum Mainstream
der Republikaner gehören. Resultat waren die US-Kriege im Irak und in
Afghanistan, [3][die die USA 7.000 Menschenleben und 4 bis 6 Billionen
Dollar kosteten], den Nahen Osten ins Wanken brachten und es dabei nicht
mal schafften, al-Qaida auszulöschen.
## Die Kulmination: Trump
Diese katastrophale Entwicklung brachte den wandlungsfähigen Entertainer
Donald Trump an die Spitze. Er passte sich den Anforderungen an: ein
Nichtrepublikaner, der versprach, den von der Republikanischen Partei
selbst geschaffenen Sumpf trockenzulegen. Die Partei selbst wurde zum
Objekt von Trumps Verachtung und damit auch das Festhalten der Partei an
den Verfassungswerten der Republik. Die verbliebenen Mainstream-Mitglieder
der Partei besiegelten ihr Schicksal, indem sie entweder die Partei
verließen oder sich dem Aufstand gegen Trump anschlossen, in der Hoffnung,
ihn zu überleben.
Republikaner wie Jeb Bush, Scott Walker und Ted Cruz wurden beschuldigt,
Verräter oder RINOs (Republicans in Name Only) zu sein. Der Unterschied
zwischen Trump und der Bush-Familie, Nikki Haley, Mitch McConnell oder Liz
Cheney besteht darin, dass Trump und seine Anhänger im Namen von MAGA offen
schwören, das System niederzureißen, das bürgerliche Freiheiten, rechtliche
Gleichstellung, demokratische Prinzipien garantiert.
Das Verständnis der MAGAs davon, Amerika wieder groß zu machen, besteht
darin, den Staat zu plündern und in etwas völlig anderes zu verwandeln:
vermutlich eine isolationistische, weiß-männliche Autokratie, in der die
Gerechtigkeit von bewaffneten Zivilisten und den Ultrareichen ausgeübt
wird, um ihren Reichtum zu vermehren. Für die weniger gebildeten,
einkommensschwachen Amerikaner, die Trump dafür verherrlichen, dass er sich
gegen das System auflehnt, das sie im Stich gelassen hat, wird sich das Los
noch weiter verschlechtern.
Am 6. Januar 2021 konnte man die Wut des Mobs vor dem US-Kapitolgebäude in
Washington, D. C., deutlich erkennen. Es waren nicht nur Demokraten, die
dort gelyncht werden sollten, sondern auch der Vizepräsident der
Vereinigten Staaten: der Republikaner Mike Pence.
Sowohl Trump als auch Biden werden in diesem November weniger Stimmen
erhalten als vor vier Jahren. Ob Trump selbst gewinnt oder verliert, die
Grand Old Party selbst ist tot – durch ihre eigene Hand.
19 Jun 2024
## LINKS
[1] https://harpers.org/archive/1964/11/the-paranoid-style-in-american-politics…
[2] https://www.nybooks.com/articles/2021/02/25/trump-inheritance/
[3] https://www.statista.com/statistics/303472/us-military-fatalities-in-iraq-a…
## AUTOREN
Paul Hockenos
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