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# taz.de -- CSD in sächsischer Kleinstadt: Regenbögen über Pirna
> Am Wochenende feiert das sächsische Pirna den Christopher Street Day –
> trotz und wegen des AfD-nahen Oberbürgermeisters.
Bild: Teilnehmer*innen des CSD am 13. Juli auf dem Marktplatz in Pirna
Pirna taz | Die bewegendsten Sätze des 13. Christopher-Street-Days in Pirna
gingen beinahe unter in der Fülle der Ansprachen und Showeinlagen. Am
späten Samstagnachmittag sprach eine Rednerin des Bündnisses „Solidarisches
Pirna“, das sich nach der Wahl des [1][AfD-nahen Oberbürgermeisters Tim
Lochner] im Februar gegründet hatte. Sie schilderte die
Bedrohungserfahrungen, „wenn Faschos an der Tür rütteln“ und traf mit dem
„Lachen über das Wikinger-Outfit des Obernazis“ zugleich die fröhliche
CSD-Stimmung auf dem Pirnaer Marktplatz. Die Liebeserklärung an ihre Stadt
Pirna verband die Rednerin mit der Aufforderung, sich „die Straße von den
Rechten zurückzuholen“.
Seit 2010 hielt der vorherige Oberbürgermeister Klaus-Peter Hanke stets
seine schützende Hand über den damals kleinsten CSD Deutschlands. Dafür
erhielt er auf der Bühne nun den ersten symbolischen „Pirnaer Diversity
Award“. Sein für die AfD angetretener Nachfolger Tim Lochner hatte dagegen
[2][schon im Wahlkampf angekündigt], die Regenbogenflagge vom Rathaus zu
verbannen. Das Verhalten des neuen Oberbürgermeisters und andere Vorfälle
hatten [3][überregionale Solidarität mobilisiert] und ein breites
Medieninteresse am Pirnaer CSD geweckt.
Zum internationalen Tag gegen Homophobie im Mai hisste dafür die
Marienkirche von ihrem Turm die Fahne. Lochner denunzierte das auf Facebook
als „billige politische Einmischung“ einer „Staatskirche“ und zog einen
Vergleich mit den Hakenkreuzfahnen der Nazizeit. Vor einem Jahr wurden
bereits zwei Regenbogenfahnen vor dem Rathaus gestohlen.
Auch auf dem Dresdner Altmarkt wurde bei [4][einer Demonstration der
„Blauen Welle“] in der Vorwoche eine Regenbogenfahne zerrissen und
angezündet. Beteiligt waren Jürgen Elsässer, Herausgeber des rechtsextremen
Compact-Magazins, und der frühere AfD-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt
André Poggenburg.
## Queer, bunt und schrill
Am Wochenende führte zwar auch die Werbung eines Hape Kerkeling nicht zur
bereits euphorisch angekündigten Reisewelle von 20.000 Unterstützern nach
Pirna. Das wäre die Hälfte der Einwohnerzahl der Stadt am Tor zur
Sächsischen Schweiz gewesen. Die Polizei schrieb offiziell von 1.200
Teilnehmern, wobei deren Zahl im Absperrbereich rund um den Markt schwer zu
schätzen war. Unter diesen fanden sich neben den queer, bunt und schrill
Kostümierten aber auch erstaunlich viele gutbürgerliche Pirnaer jeden
Alters, die wie eine ältere Dame „einen solchen Aufzug unbedingt mal erlebt
haben“ wollten. Und unter den zahlreichen Ständen waren nicht nur die
einschlägigen Vereine und Parteien zu entdecken, sondern auch Firmen und
Geldinstitute.
Auf der Bühne bestimmten die beiden Moderator*innen Brigitte und
Mataina das Flair. Die aus Köln mit einem Gefolge von etwa 20 jungen Leuten
angereiste Dragqueen Meryl Deep hatte einen großen Auftritt.
Leidenschaftlich trat auch [5][der Queer-Beauftragte der Bundesregierung
und Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven Lehmann] auf. „Das ist eine Demo für
Demokratie, keine Veranstaltung für die Sonderrechte einer kleinen
Minderheit“, stellte er klar. In den zahlreichen Talks war viel von
Selbstfindung und vor allem Selbstbehauptung gegen zunehmende Attacken die
Rede.
Das tat einer entkrampften, ja ausgelassenen Stimmung in der Pirnaer
Innenstadt keinen Abbruch. Über den zahlreichen Regenbögen schwebte der vom
Turm der Marienkirche. Ein krasser Kontrast zum parallel in Dresden
eröffneten Landtagswahlkampf der AfD, auf dem neben Hassparolen auch wieder
vom „Jagen“ die Rede war.
Der AfD-nahe OB Tim Lochner hatte im Vorfeld lediglich seinen Büroleiter
erklären lassen, dass er die psychologische Beratung des Pirnaer
CSD-Vereins zwar schätze, „knallbunte Partys in einer touristisch geprägten
Stadt“ aber als hinderlich erachte. Anfang Juni hatten Schüler des
Schiller-Gymnasiums gegen seine Einladung zum Schulfest in einem offenen
Brief protestiert. „Er macht sonst überhaupt nichts, weder dafür noch
dagegen“, kommentierte Alt-Oberbürgermeister Hanke im Gespräch die ersten
Amtsmonate seines Nachfolgers.
14 Jul 2024
## LINKS
[1] /Oberbuergermeisterwahl-in-Pirna/!5980644
[2] /Moeglicher-AfD-OB-in-Sachsen/!5980309
[3] /Christopher-Street-Days-im-Osten/!5995672
[4] /Verdacht-auf-illegale-Parteispenden/!5999720
[5] /Christopher-Street-Days-im-Osten/!5995672
## AUTOREN
Michael Bartsch
## TAGS
Schwerpunkt LGBTQIA
Christopher Street Day (CSD)
Wahlen in Ostdeutschland 2024
Schwerpunkt AfD
Social-Auswahl
Sachsen
Geflüchtete
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Kolumne Änder Studies
Antifaschismus
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