# taz.de -- Änderungen am Lieferkettengesetz: Faire Lieferketten werden gelock… | |
> Die Koalitionsspitzen vereinbaren eine Angleichung des deutschen | |
> Lieferkettengesetzes an die EU. Grüne Abgeordnete sind empört. | |
Bild: Teil der Lieferkette: Arbeiterinnen in einer Fabrik in Bangladesch | |
taz Berlin | Die Spitzen der Bundesregierung haben beschlossen, das | |
Lieferkettengesetz aufzuweichen. Ab Anfang kommenden Jahres müsse nur noch | |
ein Drittel der bisher erfassten Unternehmen das Gesetz erfüllen, sagte | |
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), als die Koalition ihren | |
Kompromiss zum Bundeshaushalt 2025 präsentierte. Einige grüne | |
PolitikerInnen kritisieren das Ergebnis jedoch. | |
Das deutsche Lieferkettengesetz ist seit Januar 2024 komplett in Kraft. | |
Hierzulande tätige Firmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten müssen sich nun | |
darum kümmern, dass ihre Lieferanten in aller Welt die grundlegenden | |
sozialen und ökologischen Menschenrechte der Beschäftigten gewährleisten. | |
Große Wirtschaftsorganisationen wie der Bundesverband der Deutschen | |
Industrie sowie viele PolitikerInnen von Union und FDP bekämpfen das Gesetz | |
seit Jahren, ebenso [1][wie die vergleichbare Lieferkettenrichtlinie der | |
Europäischen Union], die noch nicht in Kraft ist. | |
Die Einigung zwischen Lindner, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) [2][und | |
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht nun vor], die EU-Richtlinie | |
in deutsches Recht zu übertragen, wodurch das hiesige Lieferkettengesetz | |
vorübergehend entschärft würde. „Ich erwarte, dass Arbeitsminister Hubertus | |
Heil (SPD) die Anpassung des Geltungsbereiches nun schnell vornimmt“, sagte | |
Carl-Julius Cronenberg, der zuständige Bundestagsabgeordnete der FDP. | |
## Nur noch ein Drittel der Unternehmen betroffen | |
Konkret könnte das bedeuten, dass beispielsweise ab 1. Januar 2025 nur noch | |
Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten das hiesige Lieferkettengesetz | |
einhalten müssten. Ab 2028 sänke die Grenze auf 3.000 ArbeitnehmerInnen, ab | |
2029 auf 1.000. Dann wäre wieder die Beschäftigtenzahl erreicht, die jetzt | |
schon gilt. Allerdings fielen dann noch weniger Firmen unter das Gesetz als | |
heute, weil die EU-Richtlinie zusätzlich eine Untergrenze beim Umsatz von | |
450 Millionen Euro nennt. | |
Wie genau die Koalition die Zahl der erfassten Firmen schnell auf ein | |
Drittel reduzieren will, ist allerdings unklar. Im Beschlusspapier steht | |
dazu nichts. Das federführende Bundesarbeitsministerium und das | |
Wirtschaftsministerium wollten sich nicht dazu äußern. | |
Momentan trifft der Beschluss der Koalitionsspitzen zumindest auf | |
Ablehnung von Teilen der grünen Bundestagsfraktion. Deren zuständiger | |
Abgeordnete Wolfgang Strengmann-Kuhn sagte: „Uns ist wichtig, dass auch | |
nach der Umsetzung der Richtlinie die Gruppe der Unternehmen, die | |
sorgfaltspflichtig sind, nicht eingeschränkt wird, der sogenannte | |
‚Anwendungsbereich‘ also unverändert bleibt.“ Das heißt, dass die Zahl … | |
erfassten Unternehmen nicht sinken solle. Er habe die Unterstützung von | |
weiteren grünen Abgeordneten, betonte Strengmann-Kuhn. | |
„Wir kritisieren die angekündigte Einschränkung des deutschen Gesetzes auf | |
nur noch ein Drittel der betroffenen Unternehmen“, erklärte auch die | |
Initiative Lieferkettengesetz, ein Zusammenschluss von Bürgerrechtsgruppen, | |
Entwicklungsorganisationen und Gewerkschaften. | |
## Keine Dokumentationspflicht mehr | |
Als weitere Erleichterung für die Firmen im Vergleich zum gegenwärtigen | |
Gesetz plant die Regierung, die Pflicht zur Dokumentation vorläufig | |
auszusetzen. Im Verlauf diesen Jahres müssten die Unternehmen dann keine | |
Berichte mehr darüber abgeben, wie sie das Lieferkettengesetz umsetzen. Dem | |
Bundesamt für Wirtschaft dürfte es schwerer fallen, die Aktivitäten zu | |
überprüfen. Ab Jahresbeginn 2025 sollen dann nicht mehr die | |
Berichtspflichten des deutschen Gesetzes, sondern die der europäischen | |
Richtlinie für Berichterstattung über Nachhaltigkeit gelten (CSRD). | |
Außerdem peilen die Koalitionsspitzen Erleichterungen für kleine und | |
mittlere Unternehmen an. Diese haben zwar oft weniger Personal, sind also | |
eigentlich nicht betroffen. Trotzdem versuchen große Auftraggeber ihre | |
Sorgfaltspflichten an kleinere Lieferanten weiterzureichen. Dem will die | |
Regierung einen Riegel vorschieben. | |
9 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /EU-Lieferkettengesetz-beschlossen/!6012619 | |
[2] /Debatte-um-Sorgfaltspflichten/!6013510 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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