# taz.de -- Menschenrechte in der Lieferkette: Ein Schritt vor, einer zurück | |
> NGOs und Gewerkschaften werden an Beschwerdeverfahren des | |
> Lieferkettengesetzes beteiligt. Der Kanzler verspricht derweil: Das | |
> Gesetz „kommt weg“. | |
Bild: NGOs werfen Rewe und Edeka vor, Bananen von Plantagen zu verkaufen, auf d… | |
BERLIN taz | Für Betroffene von Menschenrechtsverletzungen in | |
Zulieferbetrieben deutscher Unternehmen ist es ein Erfolg: Das Bundesamt | |
für Ausfuhrkontrolle (Bafa), das die Umsetzung des Lieferkettengesetzes | |
kontrolliert, wird sie in Zukunft stärker an Beschwerdeverfahren | |
beteiligen. Das gaben die ecuadorianische Gewerkschaft Astac und die | |
Menschenrechtsorganisationen Oxfam, Misereor und das Europäische Zentrum | |
für Verfassungs- und Menschenrechte (Ecchr) am Mittwoch bekannt. | |
Die vier Organisationen haben vor fast einem Jahr Beschwerde beim Bafa | |
eingelegt. Sie werfen den Supermarktketten Rewe und Edeka vor, gegen das | |
Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) zu verstoßen, weil sie | |
[1][Bananen von Plantagen verkaufen, auf denen Menschenrechte missachtet | |
werden]. Arbeiter*innen würden durch den Einsatz giftiger Pestizide | |
krank, Gewerkschaften unterdrückt und unzureichende Löhne gezahlt, so die | |
Beschwerde. | |
Das Bafa hat sie angenommen, so viel wissen die Organisationen. Danach sei | |
das Verfahren für die Betroffenen „wie eine Blackbox“, erklärt Jorge | |
Acosta, Generalkoordinator der ecuadorianischen Gewerkschaft für den | |
Bananensektor (Astac), in der gemeinsamen Mitteilung. „Wir konnten nicht | |
mitbestimmen, welche Maßnahmen zum Schutz unserer Rechte ergriffen werden – | |
dabei kennen wir die Situation vor Ort am besten und sind direkt davon | |
betroffen.“ | |
Deswegen hat die Gewerkschaft bereits im Februar beim Bafa beantragt, als | |
Beteiligte anerkannt zu werden und damit Akteneinsicht zu erhalten. Dem hat | |
das Bafa nun zugestimmt. Diese Entscheidung sei richtungsweisend, erklärt | |
Annabel Brüggemann der taz. Die Juristin begleitet beim Ecchr mehrere | |
Beschwerden zum Lieferkettengesetz. [2][Das Problem ist ein | |
grundsätzliches]. Ohne Transparenz haben die Beschwerdeführenden keine | |
Möglichkeit, die Angaben von Unternehmen gegenüber dem Bafa zu überprüfen. | |
Gab es ein Audit? Wurde mit Gewerkschaften oder Arbeiter*innen | |
gesprochen? Hat das Unternehmen angekündigt, Maßnahmen zu ergreifen? | |
Welche? Wie bewertet das Bafa die ergriffenen Maßnahmen? | |
## Bundesregierung will Lieferkettengesetz abschwächen | |
Brüggemann erhofft sich mit der Transparenz auch eine Stärkung der | |
Betroffenen als Gesprächspartner im Verfahren. Gleichzeitig kritisiert sie, | |
dass das Beschwerdeverfahren aufwendig für Betroffene ist und ohne | |
Unterstützung besonders schwierig. Viele wüssten auch nicht, dass sie | |
Akteneinsicht beantragen können. „Deshalb sollte das Bafa die Betroffenen | |
aktiv über das Verfahren informieren“, sagt Brüggemann, „das wird mit der | |
neuen EU-Richtlinie ohnehin Pflicht.“ | |
Die Europäische Lieferkettenrichtlinie wurde im Mai beschlossen und | |
muss bis Mitte 2026 in Deutschland umgesetzt werden. Die Bundesregierung | |
nimmt sie nun zum Anlass, das deutsche Lieferkettengesetz abzuschwächen und | |
auszusetzen, ganz im Sinne der großen Wirtschaftsverbände, die die Regeln | |
als bürokratisch bezeichnen. | |
Am Dienstag behauptete Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei einer | |
Veranstaltung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) | |
gar, das Gesetz „kommt weg“. Richtig ist, dass die deutsche Gesetzgebung | |
angepasst werden muss an die europäischen Regeln. Das | |
Bundesarbeitsministerium arbeitet gerade an einem Entwurf. | |
## Neues Rechtsgutachten | |
Die Bundesregierung hat im Zuge der Haushaltsverhandlungen in der | |
beschlossenen [3][„Wachstumsinitiative“] Verwässerungen verkündet. | |
Berichtspflichten wurden vorerst ausgesetzt. Außerdem sollen viel weniger | |
Unternehmen verpflichtet werden. Die FDP hatte durch die Blockade der | |
deutschen Zustimmung im EU-Rat auch erwirkt, dass die Regeln nur noch für | |
Unternehmen mit 1.000 Beschäftigten weltweit und 450 Millionen Euro Umsatz | |
gelten. | |
„Damit werden in dieser Legislaturperiode nur noch rund ein Drittel und | |
damit weniger als 1.000 Unternehmen der bisher unter das LkSG fallenden | |
Unternehmen direkt erfasst“, heißt es in einer [4][Antwort der | |
Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Linken] von Anfang Oktober. | |
[5][Ein Rechtsgutachten] im Auftrag der NGOs Germanwatch und Oxfam kam im | |
Juli zu dem Schluss, dass eine Reduzierung der Anzahl deutscher | |
Unternehmen bei der Anpassung des deutschen Gesetz an die EU Regeln, gegen | |
europäisches Recht verstoße. Denn das gäbe vor, dass das bereits bestehende | |
Schutzniveau nicht abgesenkt werden dürfe. Eine Sprecherin des | |
Bundesarbeitsministeriums will das nicht kommentieren. Die Umsetzung der | |
Richtlinie würde „europarechtskonform“ erfolgen. | |
23 Oct 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Oxfam-Beschwerde-gegen-Supermaerkte/!5970728 | |
[2] /Menschenrechte-in-der-Lieferkette/!6030266 | |
[3] https://www.bundesregierung.de/resource/blob/976020/2297962/ab6633b012bf784… | |
[4] https://dserver.bundestag.de/btd/20/132/2013245.pdf | |
[5] https://www.germanwatch.org/de/91189 | |
## AUTOREN | |
Leila van Rinsum | |
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