# taz.de -- Berichtspflichten von Unternehmen: Mehr Firmen, mehr Themen | |
> Eine neue EU-Richtlinie löst das deutsche Lieferkettengesetz ab. Drei mal | |
> mehr Unternehmen müssen über soziale und ökologische Folgen aufklären | |
Bild: Palmöl ist nicht nur unter ökologischen Gesichtspunkten ein schwieriges… | |
Berlin taz | Das deutsche Lieferkettengesetz ist seit Jahresbeginn komplett | |
in Kraft, doch [1][schon soll es geändert werden]. SPD, Grüne und FDP | |
wollen unter anderem die Pflicht zur Berichterstattung neu justieren. Wie | |
sollen die Firmen künftig Rechenschaft darüber ablegen, was sie tun? | |
Das Gesetz verpflichtet größere einheimische Unternehmen, sich um die | |
sozialen und ökologischen Menschenrechte der Beschäftigten ihrer Zulieferer | |
in aller Welt zu kümmern. Unter anderem einige Wirtschaftsverbände und die | |
FDP übten Kritik an zu strengen Regeln. So einigte sich die Koalition | |
kürzlich auf eine Abschwächung. Dabei sollen auch die Vorschriften für die | |
Berichterstattung geändert werden. | |
In den Berichten müssen die Firmen beschreiben, wie sie die Pflicht zur | |
menschenrechtlichen Sorgfalt erfüllen. Eine wesentliche Änderung besagt, | |
dass die Rechenschaft künftig nicht mehr auf Basis des deutschen | |
Lieferkettengesetzes erfolgen muss, sondern im Einklang mit der | |
EU-Richtlinie für Berichterstattung über Nachhaltigkeit (CSRD). | |
Die EU hat inzwischen auch die umfassende europäische | |
Lieferketten-Richtlinie (CSDDD) beschlossen. Dem muss die deutsche | |
Rechtslage jetzt angepasst werden. Widersprüchliche und komplizierte | |
Regelungen, die Unternehmen belasten, etwa doppelte Berichtspflichten nach | |
deutschem und EU-Recht, will die Koalition in diesem Zuge abschaffen. | |
Den Gesetzentwurf hat Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) inzwischen | |
veröffentlicht. „Die neue Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung wird | |
in Deutschland schrittweise in Kraft treten“, heißt es dort. „Für das ers… | |
Geschäftsjahr 2024 gilt sie nur für große kapitalmarktorientierte | |
Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern.“ | |
Ab 2025 kommen dann alle größeren Firmen ab 250 Beschäftigte hinzu. | |
Insgesamt rechnet Buschmann mit „rund 14.600 berichtspflichtigen | |
Unternehmen“. Das sind ungefähr dreimal so viele Gesellschaften, wie zur | |
Zeit unter unter die Menschenrechtspflichten des deutschen | |
Lieferkettengesetz fallen. | |
## Nachhaltigkeitsberichte umfassen mehr Themen als die | |
Lieferketten-Problematik | |
Diese Ausweitung der betroffenen Firmen erscheint erstaunlich, legte doch | |
besonders die FDP Wert darauf, ihre Zahl zu verringern. Der Widerspruch | |
erklärt sich aber so: Durch die Anpassung des deutschen | |
Lieferkettengesetzes an die umfassende [2][EU-Lieferketten-Richtlinie] | |
(CSDDD) sinkt die Zahl der Firmen tatsächlich, die menschenrechtliche | |
Pflichten im engeren Sinne erfüllen müssen. | |
Nachhaltigkeitsberichte auf Basis der Berichtsrichtlinie CSRD sollen | |
hingegen viel mehr Unternehmen veröffentlichen. Weil es sich um europäische | |
Vorschriften handelt, kann die FDP das nicht verhindern. | |
Die größere Zahl der Firmen erklärt sich auch dadurch, dass die | |
Nachhaltigkeitsberichte mehr Themen umfassen als die | |
Lieferketten-Problematik – etwa die Folgen der Geschäftstätigkeit für das | |
Klima. | |
Sie sollen die bisher schon nötigen Finanzberichte ergänzen sowie | |
Investoren und Banken über die gesamte Firmenpolitik informieren. | |
Dementsprechend sollen auch die Nachhaltigkeitsberichte von privaten | |
Wirtschaftsprüfern kontrolliert werden, nicht wie die bisherigen | |
Lieferketten-Berichte durch das staatliche Bundesamt für Wirtschaft (Bafa). | |
Welche Variante für die Unternehmen strenger ist, lässt sich schwer sagen. | |
Bisher müssen die Betriebe einen detaillierten Fragebogen des Bafa | |
ausfüllen. Darin geht es unter anderem um die Risiken bei den Zulieferern, | |
etwa ob Lohn vorenthalten wird, die Beschäftigten zu lange arbeiten oder | |
gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt sind. | |
Ferner geben die Firmen Auskunft über Maßnahmen, die sie ergreifen, um | |
solche Probleme zu beheben. Die europäische Berichterstattungspflicht | |
funktioniert grundsätzlich ähnlich, bietet den Manager:innen aber mehr | |
Entscheidungsfreiheit, wie und worüber sie berichten. | |
Diese Erklärungen müssen den Kapitalgebern allerdings plausibel erscheinen. | |
Unter anderem deshalb hält Maxine Bichler von der Unternehmensberatung | |
Löning die europäischen Berichte für „umfangreicher und detaillierter“. | |
Die neuen Berichterstattungspflichten zu vernachlässigen wäre „keine kluge | |
Geschäftsentscheidung, da sie dem Ruf eines Unternehmens erheblichen | |
Schaden zufügen, das Vertrauen der Stakeholder untergraben und die Bindung | |
von Talenten behindern kann“, sagte Bichler. | |
21 Aug 2024 | |
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[1] /Aenderungen-am-Lieferkettengesetz/!6019516 | |
[2] /EU-Lieferkettengesetz-beschlossen/!6012619 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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