Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Preissteigerung bei Lebensmitteln: Wut im Supermarkt
> Kartoffeln, Brot, Olivenöl – vieles wird immer teurer. Und das oft auch
> ohne Grund. Da würde man manchmal schon ganz gerne ein Regal umschubsen.
Bild: Die Preise steigen, die Stimmung explodiert
An der Supermarktkasse begegnet mir zum ersten Mal ein Gefühl, das mich
seitdem ständig begleitet: eine neue Wut. Piep, piep, piep macht die Kasse
und die Zahl auf dem Display wächst und wächst. „23,84 Euro, bitte“, sagt
der Kassierer und ich erschrecke: Das sind doch nur die Zutaten für ein
ziemlich schnödes Abendessen für zwei. Kann das wirklich so teuer sein? Die
Wut kommt mit mir nach Hause und schaut beim Kochen über meine Schulter.
„Brauchst du echt so viel Olivenöl für das Salatdressing?“, fragt sie und
sieht jetzt nach Angst aus.
Sparsam einkaufen und selbst kochen übe ich seit Jahren, im Studium und
jetzt beim Volontariat lernt man so was. Aber inzwischen hilft mir das
nicht mehr so viel. [1][Seit 2020 sind die Lebensmittelpreise fast um ein
Drittel gestiegen.] Manche Produkte, viele von ihnen Grundnahrungsmittel,
sind besonders stark betroffen: Mehl und Kartoffeln sind um die Hälfte
teurer geworden, Brot und Brötchen um 40 Prozent. Der Zuckerpreis ist um 80
Prozent gestiegen. Olivenöl ist doppelt so teuer wie 2020. Ich habe
angefangen, an anderen Stellen zu sparen, denn gesundes Essen ist für mich
unverzichtbar. Neue Kleidung kaufe ich schon lange nicht mehr, auswärts
esse ich kaum, ins Kino gehe ich immer seltener.
Die Inflation macht sich bemerkbar. Energie, Dünge- und Futtermittel sind
teurer, außerdem gibt es höhere Personalkosten und einen gestiegenen
Mindestlohn. Aber die Nahrungsmittelpreise steigen schneller als die Preise
anderer Produkte und schneller als die allgemeine Inflationsrate. Manchmal
gibt es dafür nachvollziehbare Gründe: Die Olivenernte leidet unter dem
Klimawandel, die Getreidepreise sind wegen des Kriegs in der Ukraine
gestiegen. Aber schon längst sind nicht mehr alle Preissteigerungen so zu
erklären. Denn im Windschatten der Inflation verstecken
Lebensmittelindustrie und Supermarktketten auch Preiserhöhungen, die ihrer
eigenen Profitmaximierung nutzen.
Das machen sie ziemlich unbehelligt: [2][Die vier großen Supermarktketten
haben in Deutschland eine riesige Marktmacht,] mit der sie niedrige Erlöse
für Erzeuger und hohe Preise für Konsument*innen diktieren. In den
Supermarktregalen finden sich immer mehr [3][hochverarbeitete
Lebensmittel], die für die Lebensmittelindustrie besonders profitabel sind.
Dass ihre Produkte oft gesundheitsschädlich sind, schert die Industrie
wenig, [4][teilweise wird das sogar verschleiert].
Inzwischen begleitet mich meine Wut bei jedem Supermarktgang und lässt mich
genau hinschauen. Mir begegnen schrumpfende Reispackungen und Müslitüten,
die zum selben Preis wie vorher verkauft werden. Der Kokosanteil in der
Kokosmilch ist gesunken, dazugekommen sind ein Verdickungsmittel und zwei
Emulgatoren. „Neue Rezeptur“ verspricht eine Schokoladentafel, deren
Zutatenliste zeigt, dass sie jetzt mehr Zucker und weniger Kakao enthält.
Die gefrorenen Frühlingsrollen werden in der gleichen Packungsgröße
verkauft, im Kleingedruckten steht, dass weniger Gemüsefüllung und mehr
Teig in der Packung sind.
„Shrinkflation“ heißt das, so wollen Lebensmittelhersteller und Supermärk…
ihren Kund*innen vorgaukeln, nichts habe sich verändert. In Frankreich
müssen solche Manöver gekennzeichnet werden, [5][in Deutschland blockierte
die FDP ein ähnliches Gesetz].
Während ich jetzt im Supermarkt am frischen Gemüse vorbeigehe und zur
günstigeren Dosenvariante greife, bringt die Industrie ihre Profite in
Sicherheit. Manchmal möchte ich im Supermarkt alle Regale umschubsen. Das
bringt natürlich nichts, also gehe ich nach Hause und esse zum Abendbrot
Haferschleim und Erbsen.
5 Jul 2024
## LINKS
[1] https://www.ndr.de/nachrichten/info/Warum-bleibt-alles-teuer-trotz-sinkende…
[2] https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/landwirte-agrarprodukte-ba…
[3] /Hochverarbeitete-Lebensmittel/!5614296
[4] https://www.foodwatch.org/at/informieren/taeuschung/gesunde-versprechen
[5] https://www.rnd.de/wirtschaft/shrinkflation-mogelpackungen-im-supermarkt-ve…
## AUTOREN
Luisa Faust
## TAGS
Lebensmittelindustrie
Inflation
Discounter
Kolumne Starke Gefühle
Kakao
Inflation
Theaterfestival
Nahrung
Regionale Produkte
Inflation
## ARTIKEL ZUM THEMA
Klimawandel treibt Kakaopreis an: Jetzt auch noch Schokolade
Schlechte Kakaoernten treiben weiterhin die Börsenpreise in die Höhe. Die
Kosten dafür tragen Erzeuger*innen und Konsument*innen.
Teure Lebensmittelpreise: Es braucht mehr Transparenz
Die Verbraucherzentralen fordern eine bessere Beobachtung von
Lebensmittelpreisen. Die Preissteigerungen der letzten Jahre zeigen, dass
das eine gute Idee ist.
Kulturfestival Festiwalla: Von der Straße auf die Bühne
Ab Mittwoch bespielen lokale und internationale Kollektive fünf Tage lang
die Berliner Volksbühne unter dem Motto: „Keine Angst! Klassenk*mpf?!“.
Negativpreis Goldener Windbeutel: Zuckersüße, dreiste Werbelüge
Alete spricht von „ohne Zuckerzusatz“, dabei besteht der Snack zu fast 72
Prozent aus Zucker. Dafür gibt es den Schmähpreis „Goldener Windbeutel“.
Crowdfunding-Kampagne für Supermarkt: Es geht nicht um große Gewinne
Bei SuperCoop im Wedding gibt es Biolebensmittel aus der Region zu
günstigen Preisen. Der Laden ist zugleich ein Treffpunkt für vielfältige
Menschen.
Inflation bei 2,2 Prozent: Gewinne auf Kosten der Löhne
Trotz niedrigerer Inflation wird Ende 2024 der Reallohnverlust wegen der
Energiekrise nicht ausgeglichen sein. Der Lohnanteil am Einkommen sank.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.