# taz.de -- Urlaub am Wochenende: Kurz mal Norddeutsch-Kalifornien | |
> Von Hamburg aus kann man mit dem Zug ans Meer fahren – zum Beispiel nach | |
> Travemünde. Andere Strände sind da schon schwerer zu erreichen. | |
Bild: Kann bei schönen Wetter schon mal voll werden: der Strand von Travemünde | |
Hamburg taz | Wenn man nur die weiße Schrift auf der blauen Anzeigetafel | |
sieht, stiehlt sich gleich ein klitzekleiner Hauch von guter Laune in das | |
Gemüt der [1][Bahnreisenden] am Hamburger Hauptbahnhof: Bis Travemünde | |
Strand, tatsächlich, fährt im Sommer stündlich ein Zug. Meist von Gleis 6, | |
neun Haltestellen, dann rollt schon der Zug zum „Strandbahnhof Travemünde“. | |
Von dort sind es nur ein paar Meter bis zur Strandpromenade, ein paar | |
Treppenstufen bis zum Sand. Man möchte sich kneifen, aber nein, es stimmt. | |
Wir stehen echt am Meer. | |
Die „Gehst-du-mit-mir-schwimmen?“-Frage wurde schon auf der 80-minütigen | |
Fahrt zur Ostsee im Zug durch die grünen Wiesen Schleswig-Holsteins | |
durchgekaut. Am besten immer sofort rein ins Meer und nicht lange zögern. | |
Vorn in Ufernähe liegen spitze Steinchen am Grund. Da bietet sich der | |
Einstieg über den Badesteg an. Und uah! 18 Grad sind nicht warm. Aber so | |
kalt auch wieder nicht. Und nach dem Abtrocken kribbelt die Haut so | |
angenehm. | |
## Ein Tagesausflug ans Meer | |
Es ist nur ein Tagesausflug, und es ist „nur“ Travemünde. Schon beim ersten | |
Blick auf Wasser – es sind wirklich nur 300 Meter vom Bahnhof – lassen die | |
armeeförmig in Reih und Glied angeordneten Strandkörbe mit ihren | |
einheitlich nach Osten ausgerichteten rot-weißen Markisen ein Gefühl von | |
Kleinheit aufkommen. Monströs überragt der Hochhausturm des Hotels Maritim | |
die historische Strandanlage. Aus östlicher Richtung kommt ein „Umta, | |
umta“, Jahrmarktmusik und weiße Zeltbuden bremsen den Erkundungsdrang. | |
Also spazieren wir Richtung Westen das Strandufer entlang. Die pilzförmigen | |
DLRG-Rettungshäuschen wirken wie kompetente Beschützer, erinnern in ihrer | |
Form aber auch an alte Grenztürme. Früher begann am Ostufer der | |
Travemündung die DDR. | |
Nach ein paar hundert Metern endet die Strandkorbzone. Es beginnt ein | |
Abschnitt, den die Menschen frei nutzen können. Dann verjüngt sich die | |
Sandfläche, und ein Yachtclub versperrt den Zugang, allerdings führt eine | |
schmale Promenade am Wasser daran vorbei. Und dahinter, am „Hundestrand“, | |
wird es richtig idyllisch. Hier führt auch ein Wanderweg ein Steilufer | |
hinauf. Unten können die Urlauber sich mit dem Rücken an den gemauerten | |
Sockel lehnen und im Schatten der Uferbäume aufs Meer schauen, der Fähre | |
nach Finnland hinterher. Sofern der Duft von Selbstgegrilltem nicht stört. | |
## Abseits des Massentourismus | |
Wem allerdings bereits der Anblick so eines Strandkorbeinerleis aufs Gemüt | |
schlägt und wer den Massentourismus nicht so mag, der findet schon auch ein | |
idyllischeres Ziel am Meer. Von dem aber kündet keine Leuchtanzeige am | |
Hamburger Hauptbahnhof. Es ist ein bisschen tricky, dorthin zu kommen ohne | |
Auto. | |
„Kalifornien“ muss man in die Suchmaske der DB-App eingeben. Tatsächlich, | |
so heißt der Ort immer Richtung Norden von Hamburg im Ostseebad Schönberg. | |
Benannt nach einer Schiffplanke, so heißt es, die ein Fischer an der Ostsee | |
fand und vor seine Tür nagelte. | |
Zuerst lotst einen die Fahrplanauskunft in die Regionalbahn 70 nach Kiel | |
und dann dort in die Busline 200. Über Stock und Stein und 35 Haltestellen | |
in Dörfern mit Namen wie Muxall, Passade und Fiefbergen bringt der blaue | |
Linienbus der Plöner Verkehrsbetriebe den sonnenhungrigen Fahrtgast in 55 | |
Minuten nach „Kalifornien Mittelstrand“. Gesamtfahrtzeit ab Hamburg: | |
mindestens zweieinviertel Stunden. | |
Das wird dann aber auch belohnt. Ein Bäcker, ein Fischstand, ein | |
Fahrradverleih, ein kleiner Kaufmann, ein Hotel und ein Minigolfplatz. | |
Sonst ist hier nicht viel los. Die Treppe rauf auf den grünen Deich, und | |
man sieht das Wesentliche: Strand und Meer, soweit das Auge reicht. | |
## Die Sandbank als Belohnung | |
Bis in die 1980er gab es hier an der Ostsee einen dünnen Strandstreifen, zu | |
sehen [2][auf alten Postkarten], geschützt von einem kleinen Deich. Doch | |
dann wurde zum Schutz der Küste der Strand mit einem großen Deich überbaut. | |
Und davor wurde neuer Sand aufgespült. Gehalten wird er am Ufer von | |
zahlreichen Buhnen – Wälle aus großen Steinen, die in die Ostsee ragen. So | |
entstanden auf einer Länge von über neun Kilometern 48 kleine Buchten, in | |
die Ende der 1980er über eine halbe Million Kubikmeter feiner Sand gespült | |
wurde. | |
Zum Baden ist das toll. Wer sich ins Wasser traut und ein paar Züge | |
schwimmt, wird nach wenigen Metern mit einer Sandbank belohnt, wo | |
ferienfreudige Kinder unter Wasser ihren Handstand mit Überschlag machen | |
können. | |
Das Licht, die Farben, blauer Himmel, grünes Meer, hellgelber Sand, all das | |
hebt die Urlaubslaune. Die mit grünen Dünen zum Ufer hin geschützten | |
Buchten bieten großzügig Platz, ihre Strände sind selten überlaufen. Auch | |
wenn hier und dort mal ein Strandkorb steht, ist das kein Vergleich zu den | |
Korbkolonien in der Travemünder Ecke. | |
Was daran liegen mag, dass die Gegend mit dem öffentlichen Nahverkehr nur | |
umständlich zu erreichen ist. | |
In der Mitte dieser langen Buchtenkette liegt Kalifornien. Zu sehen ist es | |
an den großen Nummern im Asphalt, wenn man mit dem Rad die autofreie | |
Küstenpiste hinter den Dünen entlangfährt. Da künstlich entstanden, sehen | |
diese Buhnenfelder alle recht ähnlich aus, da helfen die Nummern zur | |
Orientierung. | |
Der Nachbarort von Kalifornien ist Schönberger Strand. Dort gibt es nicht | |
nur eine Seebrücke ins Meer, sondern auch wieder nur 300 Meter vom Ufer | |
entfernt einen Strandbahnhof. Seit seiner Schließung 1974 fristet er ein | |
Dasein als Museumsbahnhof. | |
## Mehr Bahnen hin zum Wasser | |
Das soll sich ändern. Bereits seit 2009 ist die Rede davon, dass die | |
„[3][Heinschönberg]“ getaufte Verbindung nach Kiel wiederbelebt wird. Ende | |
2027, so verspricht das schleswig-holsteinische Verkehrministerium, könnte | |
es so weit sein. Dann fährt eine RB 76 von Kiel über Fiefbergen nach | |
Schönberger Strand in 35 Minuten. Dann dauert die ganze Anreise in einem | |
Rutsch von Hamburg Hauptbahnhof über Kiel bis zum Strand vielleicht | |
deutlich unter zwei Stunden, wäre also schnell genug für einen Tagesausflug | |
aus der Stadt raus ans Meer. | |
Heute schon bieten sich für die Tagesreise neben Travemünde die | |
Ostseetouristenorte Timmendorfer Strand, Scharbeutz, Haffkrug und | |
Sierksdorf an, die von Hamburg aus nach Umstieg in Lübeck mit der | |
[4][„Bäderbahn“] auch schnell erreichbar sind. Ginge es nach [5][dem | |
Verband „Pro Bahn]“, würde bald halbstündlich ein Zug von Hamburg an die | |
Travemündung durchbrausen. Der zweite Zug ab Lübeck fährt eh. | |
12 Jul 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Im-Zug-von-Hamburg-zum-Bodensee/!5967319 | |
[2] https://www.heimatsammlung.de/topo_unter/24_ab_02/24_03/schoenberg-02.htm | |
[3] https://unternehmen.nah.sh/de/themen/projekte/hein-schoenberg/ | |
[4] /Luebecker-Bucht-soll-Baederbahn-verlieren/!5956769 | |
[5] https://pro-bahn-sh.de/jahresfahrplan-2025-fahrgastverband-pro-bahn-fordert… | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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