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# taz.de -- taz Panter Forum: Ramelow, im Modus der Melancholie
> Die thüringische Spitzenpolitikerinnen*-Runde ist sich beim taz Panter
> Forum einig: Koalitionen mit der AfD soll es nicht geben.
Bild: Die Runde der thüringischen Spitzenpolitiker*innen beim taz Panterforum
Erfurt taz | Am Ende dieser Runde kam eine Frage, die die Politikerinnen
und Politiker aus der Reserve locken sollte – was gelang, ein bisschen
wenigstens: „Wie stehen Sie zum Antifaschismus?“, fragte ein Zuschauer der
Veranstaltung mit dem Titel „[1][Unregierbares Thüringen?]“. Die fünf
Spitzenleute antworteten brav, fast als sei es eine Ehre, sich der
gemeinsam ausgeloteten Gefahr eines monströsen AfD-Erfolgs bei den
Landtagswahlen von Thüringen am 1. September zu erklären.
Es sei eine besondere Gelegenheit, wurde nur eine halbe Stunde zuvor
lapidar geäußert, weil alle, die zusammen säßen, bei dieser Gelegenheit die
Möglichkeiten der politischen Allianzen nach dem Wahltag und unter
Ausschluss jedweder Koalition mit der erstarkten AfD ausloteten. So war es
denn tatsächlich ein gemeinsamer Gang über ein Feld empfindlichsten
Porzellans – und alle waren hör- und protokollierbar bemüht, kein
Scherbengericht zu verursachen.
Zur Antifaschismusfrage bekannten sich alle bejahend – CDU-Mann Christian
Tischner wollte dies aber hauptsächlich implizit verstanden wissen, er sage
vor allem Ja zum Grundgesetz, zu Anstand und Respekt, zur Würde des
Menschen, die unteilbar sei. Katja Wolf vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)
sagte, sie wüssten was von locker geschraubten Autorädern und nazistischen
Demos vor ihrer Privatadresse. Und Georg Maier, Innenminister Thüringens,
machte einen Unterschied zwischen Antifaschismus und Antifa – zu ersterem
bekenne er sich, mit den Aktivistas, richtig verstanden, habe er seine
Schwierigkeiten.
## Ramelow glänzt vor dem Abgang
Bodo Ramelow aber war während des Podiums der politisch wie menschlich
interessanteste Politiker, amtierender Ministerpräsident dieses
Bundeslandes, weithin populär. Ausweislich aller Umfragen ist er beliebter
als AfD-Björn Höcke oder Mario Voigt von der CDU. Weil er der Kandidat der
Linkspartei war und ist, ist ihm die Demission allerdings tragischerweise
sicher. Die Regierungspartei, in ihrem Kern die beste Sozialdemokratie mit
einem Ministerpräsidenten, den die SPD gewöhnlich nicht aufbieten kann,
leutselig und klar in den sozialen Botschaften, kann kaum noch stärker als
die CDU Mario Voigts werden, und die AfD übertrumpfen ohnehin nicht.
Dabei hat die rot-rot-grüne Landesregierung erfolgreich regiert. Nicht
immer perfekt, mit manchen Mängeln, räumte Ramelow ein, doch überwiegend
nach Kompromisssuchen mit der Union und mit deren Stimmen. Aber,
beispielsweise: ein Landesausländeramt, wie es zur Integration von
Migrantinnen* zu gründen wichtig wäre, dem habe die CDU die Zustimmung
verweigert, aus wahltaktischen Gründen: Bloß nicht in den Ruf von
Ausländerfreunden kommen! Fachkräftemangel, Einwanderung, Integration von
Menschen, die nach Thüringen schon kamen und weiter in Massen benötigt
werden: Alles sabotiert.
## Mögliche Koalitionen in Thüringen
Am Ende las sich das Tableau der drei Politiker und zwei Politikerinnen so,
als würden sie sich miteinander alle Chancen offenhalten. Und dies auch
ausdrücklich wollen. Madeleine Henfling von den Grünen wollte sich nicht
auf eine weitere Allianz mit der Linkspartei festlegen, obwohl sie deutlich
für eine progressive neue Regierung eintrat. Der Mann von der Union schloss
eine koalitionäre Allianz mit der AfD aus. Katja Wolf vom BSW ließ keine
besonderen Sympathien für Ramelow und seine Linkspartei erkennen – was
nicht erstaunte, weil seitens der Stichwortgeberin ihrer Partei, eben Sahra
Wagenknecht, Äquidistanz zu allen politischen Playern außer zur AfD betont
wird, so agierte auch Katja Wolf.
Die demokratiefähigste Aussage des Abends machte indes auch Bodo Ramelow,
dessen Rhetorik immer eine Spur Melancholie durchschimmern ließ: Warum wird
unsere Arbeit nicht belohnt, weshalb haben Union und FDP unsere Arbeit zwar
in Hinterzimmern mit ausgehandelt, aber öffentlich madig gemacht?
Viele Konstellationen seien denkbar, so Ramelow, auch eine
Minderheitsregierung. Er würde prinzipiell auch einen
CDU-Ministerpräsidenten wählen, wenn dies die Einflussnahme der AfD
verhindere. Mehr als ein Linkspartei-Politiker von Gnaden beschwor er über
alle Grenzen hinweg vor allem: eine Volksfront.
Dafür bekam der Ministerpräsident etwas lärmenderes Lob als alle anderen.
Das Publikum, etwa 200 Menschen in den Hallen des alten Bahngeländes, dem
Zughafen, applaudierten ihm heftig. Beifall auch für die Moderatorinnen und
taz-Redakteurinnen Anna Lehmann und Sabine am Orde.
## Panter Preis für Polylux
Zum Abschluss des ganztägigen taz-Panter-Forums in Erfurt wurde auch noch
der erste taz [2][Panter Preis 2024 für zivilgesellschaftliches Engagement
verliehen]. Ausgezeichnet wurde [3][das Netzwerk Polylux], das seit 2018
gegen den Rechtsruck im Osten kämpft und Projekte „mit antifaschistischer
Haltung“ unterstützt. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert.
Die [4][taz Panter Foren sind eine Veranstaltungsreihe anlässlich der
Landtagswahlen 2024]. Zum großen Thema „Was auf dem Spiel steht“ wird noch
[5][am 24. August in Chemnitz und am 7. September in Cottbus] diskutiert.
Und auch weitere Teile [6][des diesjährigen Panter Preises] werden dort
vergeben.
23 Jun 2024
## LINKS
[1] /programm/2024/programm-panterforen/de/events/1511.html
[2] /taz-Panter-Preis-Thueringen-2024/!vn6018542/
[3] https://www.youtube.com/watch?v=BtifF7NGd-M
[4] /Panter-Stiftung/Panter-Foren-2024/!v=9e1836c2-3dd0-4ec0-9baf-042b9649113d/
[5] https://pretix.eu/panter/ostwahlen2024/
[6] /Panter-Stiftung/Panter-Preis-2024/!v=4269299f-23bb-40f2-a4ea-2b1b1ae40192/
## AUTOREN
Jan Feddersen
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