| # taz.de -- Rechte Empörung über Theaterstück: Glatt gelogen | |
| > Das rechte Online-Magazin „Nius“ skandalisiert das Stück „Unsere Elf�… | |
| > Staatstheater Hannover. Der Angriff ist ein Beispiel rechter | |
| > Kulturagitation. | |
| Bild: Passt nicht ins nationalistische Weltbild Rechter: Ensemble des Theaterst… | |
| Bremen taz | Je sommermärchenhafter Fußballnationalmannschaften ihre | |
| Europameisterschaft zu Ende spielen dürfen, desto mehr Aufführungstermine | |
| wird das [1][Dokumentartheater „Unsere Elf“] von Tuğsal Moğul und Maren | |
| Zimmermann im Herbstspielplan des Schauspiels Hannover bekommen. Denn es | |
| bietet auf Grillabendniveau nette Erinnerungsanimation für den | |
| aufgeklärten Fußballfan. Also für jenen, der die deutsche | |
| Nationalmannschaft auch als Ausdruck unserer diversen Gesellschaft zu | |
| feiern weiß. | |
| Für Rechtspopulisten mit nationalistischer Agenda hingegen ist das ein | |
| Anlass zum Empören und Pöbeln. Das [2][„Nius“-Online-Magazin] des | |
| Ex-Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt wirbt um Leser mit der Überschrift | |
| „Die Bundesregierung feiert die EM mit einem Theaterstück über den | |
| Islamisten Mesut Özil“. Und zeigt damit, nicht an der Realität, sondern an | |
| Propaganda interessiert zu sein. | |
| Richtig ist: Die Produktion bekommt Geld aus dem | |
| [3][EM-Kulturprogramm]-Fonds des Bundes. Thematisiert werden in Hannover | |
| unter anderem Aufstiegshoffnungen sowie Respekt- und Akzeptanz-Sehnsüchte, | |
| die gerade migrantisch geprägte Jugendliche mit Fußball verbinden. | |
| Das aus O-Tönen ehemaliger und aktueller Nationalspieler:innen | |
| collagierte Stück ist aber keines über [4][Mesut Özil]. Lediglich in einer | |
| von 23 Szenen geht es um den ehemaligen deutschen Nationalspieler. Hilflos | |
| genervt wird er im Kartoffel-Kostüm dargestellt und müht sich zunehmend | |
| vergeblich, zwischen den Zuschreibungen als Türke oder Deutsch-Türke auch | |
| Deutscher sein zu wollen. Die Aufführung zeigt Özil als unsicheren, | |
| fremdbestimmten Menschen, der sich beim freien Artikulieren in deutscher | |
| Sprache soufflieren lassen muss. | |
| Dann singt er die Nationalhymne nicht mit, woraufhin ihn das Ensemble wie | |
| eine heiße Kartoffel fallen lässt. Das Foto mit dem türkischen Präsidenten | |
| Erdoğan wird erwähnt und dass Özil mittels eines Tattoos neuerdings seine | |
| [5][Solidarität mit den rechtsextremen Grauen Wölfen bekundet]. Die | |
| Entwicklung vom deutschen Inklusionshelden zum internationalen Fußballstar | |
| zum ultranationalistischen Türken beschreibt die Aufführung bedauernd – als | |
| gescheiterte Integration. Und zitiert Özil: Wenn „wir gewinnen“, sei er | |
| Deutscher. Wenn „wir verlieren“, sei er Immigrant. | |
| Für diese subjektive Erfahrung gibt es objektive Indizien wie rassistische | |
| Beleidigungen, denen Özil ausgesetzt war. Die Aufführung legt nahe, dass | |
| diese Enttäuschung über ein nicht nur vorbildlich weltoffenes Deutschland | |
| ein Grund sein könnte für die Radikalisierung des Kickers. | |
| „Nius“ resümiert: „Die Bundesregierung investiert unsere Steuergelder, um | |
| Islamismus salonfähig zu machen.“ Was Unsinn ist, denn die Produktion | |
| beschreibt, empathisiert und kritisiert [6][Özils Wandlung] und gibt die | |
| Widersprüche der Auseinandersetzung wieder. | |
| Solche Differenzierungen sind im Rechtsausleger-Journalismus nicht | |
| vorgesehen, da gibt es keine Mängel deutscher Migrations- und | |
| Integrationspolitik, nur „einen Islamisten, der unsere Werte verachtet“ – | |
| und die hanebüchene Lüge, dem Schauspielabend liege „Islamismus-Apologetik�… | |
| zugrunde. Es gibt nicht eine Szene, mit der sich die Inszenierung | |
| islamistische Haltungen zu eigen macht. | |
| Die „Nius“-Autor:innen bringen den Begriff „Vaterland“ ins Spiel, um | |
| daraufhin anzumerken: „Auf den Trikots der Schauspieler ist nirgends | |
| Schwarz-Rot-Gold zu sehen, dafür prangt bei Zweien der Schriftzug,DDR' auf | |
| der Jacke.“ Auch dieser Vorwurf geht ins Leere. Denn es handelt sich nicht | |
| um eine anti-westdeutsche Aussage, sondern um den Hinweis, dass auch | |
| Vorwende-Kicker aus dem Osten Deutschlands für die Aufführung interviewt | |
| wurden. | |
| ## Gegen den freien öffentlichen Diskurs | |
| Ebenso falsch ist die Aussage, „die Deutschen“ werden „im Namen der | |
| Bundesregierung gleich zu Beginn des Stücks für ihren Nationalstolz | |
| beschämt“. Richtig ist: Wenn das Ensemble den Saal betritt, klatscht es | |
| erst mal rhythmisch, grölt dann „Deutschland!“, beginnt die Nationalhymne | |
| zu singen und bricht das ab mit der Frage: „Das geht nicht, oder?“ – als … | |
| diskutierende These, ob schon zu viel Nationalismus, Chauvinismus in der | |
| Begeisterung für ein Länderteam mitschwingt. | |
| Der Angriff auf die [7][Theaterproduktion in Hannover] ist ein typisches | |
| Beispiel rechter Kulturagitation, mit der eine „deutsche kulturelle | |
| Identität im traditionellen Sinn“ hochgehalten wird, die von der aktuellen | |
| Kulturpolitik „beseitigt werden“ soll. Das behauptete jedenfalls die | |
| AfD-Fraktion im Bundestag 2023 in einem Antrag zur Neuausrichtung der | |
| Kulturpolitik. | |
| Ziel ist wohl, Kunstinstitutionen als freie Orte öffentlicher Diskurse | |
| abzuschaffen zugunsten von Lehranstalten, an denen „Deutsche Leitkultur | |
| statt ‚Multikulturalismus‘“ gepredigt wird, wie es etwa auf der | |
| AfD-Webseite heißt. | |
| 2 Jul 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Fussball-Buehnenstueck-in-Hannover/!6012229 | |
| [2] /Rechtes-Onlineportal/!5992421 | |
| [3] /Kulturprogramm-der-Fussball-EM/!5985869 | |
| [4] /Mesut-Oezil/!t5038556 | |
| [5] /Tattoo-von-Mesut-Oezil/!5946255 | |
| [6] /Podcast-ueber-Mesut-Oezil/!5968094 | |
| [7] https://staatstheater-hannover.de/de_DE/schauspiel | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Fischer | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| Schauspiel Hannover | |
| Hannover | |
| Rechtspopulismus | |
| Mesut Özil | |
| Islamophobie | |
| Social-Auswahl | |
| Nius | |
| Mesut Özil | |
| Schwer mehrfach normal | |
| Theater | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Julian Reichelt | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Theaterstück über Fußballspieler: Der Nazi und der Erdoğan-Claqueur | |
| Ein-Mann-Stück über die Kicker Trautmann und Özil im Bremer Weserstadion: | |
| Der eine war mal Nazi, der andere wurde Erdoğan-Claqueur. | |
| Politik und Fußball-EM: Rassisten am Arsch | |
| Die Fußball-EM macht mir Spaß. Solange Deutschland gewinnt, wird insgesamt | |
| weniger genörgelt. Und die AfD-Äußerungen sind überraschend amüsant. | |
| Fußball-Bühnenstück in Hannover: Belanglose Fußball-EM-Werbung | |
| Am Schauspiel Hannover kommt mit „Unsere Elf“ eine „etwas andere | |
| Nationalhymne“ auf die Bühne. Aber alles bleibt zu sehr im Anekdotischen. | |
| Islamismus-Vorwurf im Fußball: Rechte Fingerzeige | |
| Antonio Rüdiger hat zum Ramadan ein Gebetsfoto veröffentlicht. Jetzt wird | |
| gegen den Nationalspieler gehetzt, er sei ein Anhänger islamistischen | |
| Terrors. | |
| Rechtes Onlineportal: Medienanstalt untersucht Nius | |
| Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (Mabb) untersucht das rechte | |
| Onlineportal Nius. Die journalistische Sorgfaltspflicht sei nicht erfüllt. |