# taz.de -- EU-Wahlergebnis Irland: Sinn Féin ist Wahlverliererin | |
> Wegen des komplizierten irischen Wahlsystems liegen die | |
> Europawahlergebnisse erst jetzt vor. Der Rechtsruck hat auch vor dem | |
> Staat nicht Halt gemacht. | |
Bild: Sinn-Féin-Vorsitzende McDonald (rechts) mit der Spitzenkandidatin Funchi… | |
DUBLIN taz | Es ist vollbracht. Eine Woche nach den Europawahlen in Irland, | |
bei denen knapp 50 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben, stehen | |
die 14 Abgeordneten fest. Dass es so lange gedauert hat, liegt am irischen | |
Wahlsystem. Man macht in Irland nämlich kein Kreuzchen, sondern nummeriert | |
die Kandidaten in der Reihenfolge der Präferenz. | |
Hat ein Bewerber die erforderliche Quote – sie wird aus der Zahl der Wähler | |
geteilt durch die Anzahl der Sitze im jeweiligen Wahlkreis ermittelt – | |
überschritten, werden die überschüssigen Stimmen auf die Kandidaten zweiter | |
Wahl übertragen. Hat niemand die Quote erreicht, wird der schwächste | |
Kandidat eliminiert und seine Stimmen werden verteilt. Aufgrund der vielen | |
Bewerber mussten die Stimmen diesmal bis zu zwanzig Mal gezählt werden. | |
Rechtsruck auch in Irland | |
Der Rechtsruck hat auch vor Irland nicht Halt gemacht. Als letzter | |
Abgeordneter wurde am Freitagvormittag Ciaran Mullooly gewählt, ein | |
ehemaliger Fernsehreporter. Er gehört der erst im November letzten Jahres | |
gegründeten Partei Independent Ireland an. Sie tritt für die „Sicherung der | |
irischen Grenzen“, die Senkung der Kohlendioxidsteuer sowie den „[1][Schutz | |
der Landwirte und Fischer vor EU-Vorschriften]“ ein. Bei den | |
Kommunalwahlen, die gleichzeitig mit der Europawahl stattfanden, gewann die | |
Partei 23 Sitze. | |
Die Kombination aus einer [2][hohen Zahl an Geflüchteten], einem schnellen | |
Bevölkerungswachstum, einer Zweiklassenwirtschaft und einer katastrophalen | |
Wohnungsbaupolitik hat dazu geführt, dass auch andere rechtsextreme | |
Parteien bei den Kommunalwahlen Sitze gewannen. Noch ist diese Bewegung | |
zersplittert, aber sie beginnt, sich zu profilieren. | |
Weitere Wahlgewinner sind die parteilosen Kandidaten, die ihren Stimmanteil | |
in den vergangenen 15 Jahren verdoppelt haben, sowie die beiden | |
Regierungsparteien Fianna Fáil und Fine Gael, die Irland seit der | |
Staatsgründung vor gut hundert Jahren abwechselnd regiert haben. Inzwischen | |
verfügen sie aber über keine absolute Mehrheit, so dass sie eine große | |
Koalition eingehen mussten. Trotz aller Probleme konnten sie ihren | |
Stimmanteil halten und gewannen jeweils vier der 14 Europa-Mandate, während | |
der Steigbügelhalter der Koalition, die Grünen, ihre beiden | |
Europaabgeordneten verloren. | |
## Dramatischer Absturz von Sinn Féin | |
Größter Verlierer der Europa- und Kommunalwahlen ist aber Sinn Féin, der | |
ehemalige politische Flügel der schon lange aufgelösten | |
Irisch-Republikanischen Armee (IRA). Die Partei kam nur auf gut elf Prozent | |
der Stimmen. Dabei lag sie bei Umfragen vor wenigen Monaten noch bei über | |
30 Prozent – zehn Prozent mehr als Fianna Fáil und Fine Gael. Da Sinn Féin | |
in Nordirland stärkste Partei ist, träumte man bereits von einem vereinten | |
Irland. | |
Der Absturz war dramatisch. Es war eine Fehleinschätzung, zu viele | |
Kandidaten in einigen Wahlkreisen aufzustellen, die sich gegenseitig die | |
Stimmen wegnahmen. Das war eine Reaktion darauf, dass bei den Wahlen 2020 | |
nicht genug Kandidaten aufgestellt und dadurch Sitze verschenkt wurden. | |
Drei Wochen vor den Parlamentswahlen im Vereinigten Königreich – Sinn Féin | |
stellt in Nordirland 14 Kandidaten auf – wächst die Kluft zwischen der | |
Dubliner Führung und den Aktivisten in Belfast. Die werfen der | |
Parteiführung vor, gegen den Willen der Basis alles daran zu setzen, um der | |
politischen Mitte ein vereintes Irland schmackhaft zu machen. | |
[3][Die Ablehnung der Ausweisung der israelischen Botschafterin] in Irland | |
im vergangenen November kostete Sinn Féin Stimmen bei jüngeren Wählern, | |
ebenso wie die Reise der beiden Parteichefinnen Mary Lou McDonald und | |
Michelle O’Neill zur St. Patrick’s-Day-Feier nach Washington. Die | |
Parteibasis hatte wegen der Israelpolitik der USA zum Boykott aufgerufen. | |
14 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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