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# taz.de -- Tailteann Games 1924: Olympia auf Irisch
> Nach Jahrhunderten der britischen Kolonisierung feierten die Iren vor 100
> Jahren das weltweit größte Sportevent des Jahres 1924: die Tailteann
> Games.
Bild: Originalaufnahme der Tailteann Games vor genau 100 Jahren
Dublin taz | Es war das größte Sportereignis des Jahres 1924, größer noch
als die Olympischen Spiele in Paris. Die Tailteann Games, wie sie hießen,
waren die erste große internationale Veranstaltung, die im neu gegründeten
Freistaat Irland stattfand. Es traten rund 6.500 Teilnehmer und
Teilnehmerinnen in einer großen Bandbreite von Wettbewerben an.
Der Legende nach wurden die Tailteann-Spiele erstmals im Jahr 632 v. Chr.
am Hügel von Tara ausgetragen, dem früheren Sitz der Hochkönige. Das letzte
Mal fanden sie 1168 statt. Kurz darauf fielen die Engländer in Irland ein
und eroberten weite Teile der Insel im Osten. Deshalb hatte die Neuauflage
1924 symbolische Bedeutung: Nach fast 800 Jahren der Kolonisierung hatten
die Iren endlich einen eigenen Staat.
Die Bevölkerung war begeistert. Die Feiern begannen schon Mitte Juli,
Militärkapellen spielten Open-Air-Konzerte, Theater und Opern sorgten für
die Abendunterhaltung. Der Auftritt von John McCormack, dem großen irischen
Tenor, war einer der Höhepunkte.
Es herrschte eine Karnevalsatmosphäre. Hotels und
[1][Eisenbahngesellschaften trafen Vorkehrungen], um den Ansturm von
Besuchern zu bewältigen. Dublins Straßen waren mit Bannern, Plakaten und
Lampen geschmückt, Bäume wurden in grünen Kübeln gepflanzt und Blumenkörbe
an Laternenpfähle gehängt. Die Trikolore und die Farben der anderen
teilnehmenden Nationen wehten über der Stadt.
## Tennis ja, Fußball nein
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus Irland, Wales, England,
Schottland, Australien, Neuseeland, Kanada und den Vereinigten Staaten. Die
Spiele umfassten ein Leichtathletikprogramm sowie Schwimmen, Golf, Tennis,
Pferderennen, Boxen und Billard, aber auch Auto- und Flugzeugrennen.
Außerdem gab es eine Reihe kultureller Wettbewerbe mit Poesie, Musik, Tanz
und Geschichtenerzählen. Für Fußball, Rugby oder Hockey – die vom
konservativen Verband für traditionelle irische Sportarten verbotenen
„ausländischen Spiele“ – war hingegen kein Platz.
Eigentlich mussten die Wettkämpfer irischer Herkunft sein oder wenigstens
irische Vorfahren haben. Ein Abgeordneter der Labour Party verlangte sogar,
dass die Teilnehmer die irische Sprache beherrschen mussten, aber das wurde
abgelehnt, denn sonst wäre das Teilnehmerfeld stark geschrumpft. Die
Organisatoren erlaubten stattdessen einigen internationalen Stars die
Teilnahme, obwohl sie zwar nicht irischer Abstammung waren, aber die Spiele
aufwerteten.
23 Medaillengewinner der Olympischen Spiele von Paris nahmen an den
Tailteann Games teil. Einer der größten Stars war der US-Amerikaner Johnny
Weissmüller, ein dreifacher Goldmedaillengewinner im Schwimmen. Er gewann
auch in Irland den Wettkampf, der im Teich des Zoos im Dubliner Phoenix
Park ausgetragen wurde. Weissmüller wurde später als Tarzan in einer Reihe
von Hollywoodfilmen berühmt. Seine Jane wurde übrigens von der Irin Maureen
O’Sullivan dargestellt, der Mutter von [2][Mia Farrow].
## Zehntausende beim Motorradrennen
Es waren aber vor allem die Motorrad-, Schnellboot- und Flugzeugrennen, die
riesige Zuschauermengen anzogen. Mehr als 40.000 Menschen verfolgten die
Motorradrennen auf einem 4,5 Meilen langen Rundkurs im Phoenix Park. Eine
Neuheit war ein Luftrennen zwischen Piloten des neuen Air Corps der
irischen Armee. Die Flugzeuge erreichten Geschwindigkeiten von mehr als 200
Kilometern pro Stunde.
Das Fliegerkorps inszenierte sogar eine Schlacht. In einer Ecke des Phoenix
Parks war ein Holzstapel zu einer Festung umgebaut worden, die von mehreren
Jägern und Flugabwehrkanonen verteidigt werden sollte, während zwei Bomber
versuchten, Bombenattrappen aus Gips auf die Festung abzuwerfen. Und es gab
ein Schachturnier, das der Schriftsteller Lord Dunsany gewann, der noch
heute für seine mystischen Fantasygeschichten berühmt ist.
Insgesamt kamen 250.000 Menschen zu den Veranstaltungen. Der irische
Olympische Verband (OFI) feiert in diesem Jahr aber nicht den 100.
Jahrestag der Tailteann Games, sondern Irlands erste Teilnahme bei Olympia.
Irland gewann in Paris zwei Medaillen: Silber ging an den Maler Jack B.
Yeats, Bruder des Literaturnobelpreisträgers William Butler Yeats, für sein
Gemälde „The Liffey Swim“ in der Sparte Kunst und Kultur.
Eine Bronzemedaille gewann Oliver St. John Gogarty, ein
Hals-Nasen-Ohren-Arzt, Sportler, Mitbegründer der [3][Partei Sinn Féin] und
vor allem ein Dichter. Er war das Vorbild für Buck Mulligan in James Joyce’
Roman „Ulysses“. Sein Gedichtband „An Offering of Swans“ gewann die
Goldmedaille für Poesie bei den Tailteann Games. Die Medaille in Paris
hatte er für sein Gedicht „Tailteann Ode“ gewonnen, das er später als
„ziemliche Kacke“ bezeichnete.
23 Jul 2024
## LINKS
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[3] /EU-Wahlergebnis-Irland/!6017293
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
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