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# taz.de -- Lacrosse wird olympisch: Pocket, Stick – und Respekt
> US-Präsident Biden fordert, dass bei Olympia 2028 in L.A. ein Team der
> „Haudenosaunee Nationals“ antritt. Doch das IOC sperrt sich.
Bild: Weltklasse-Lacrosse: Die Haudenosaunee bei den World Games im Juli 2022 i…
Im Sommer 2023 haben sie noch Bronze bei der Weltmeisterschaft gewonnen,
doch 2028, wenn ihre Sportart Lacrosse erstmals nach 120 Jahren wieder
olympisch wird, darf das Team nicht mitmachen. So sieht es das
Internationale Olympische Komitee (IOC), das sich gegen eine Teilnahme der
„Haudenosaunee Nationals“ an den Spielen 2028 in Los Angeles ausspricht.
US-Präsident Joe Biden hingegen plädiert dafür, dass die Haudenosaunee
eigenständig antreten dürfen. „Ihnen sollte eine Ausnahme gewährt werden,
damit sie ein eigenes Team bei den Olympischen Spielen stellen können“, hat
Biden im Dezember auf dem „Tribal Summit“ in Washington gesagt, dem Gipfel
der indigenen Nationen Nordamerikas. Haudenosaunee ist die Eigenbezeichnung
des Volkes, das früher „Irokesen“ gerufen wurde. Ihr Territorium liegt in
den USA und Kanada: von New York bis zum Ontariosee. „Ihre Vorfahren haben
das Spiel erfunden“, sagt Joe Biden nun, „sie haben es über tausend Jahre
hinweg perfektioniert.“
Bislang zählt Lacrosse zum Programm der World Games. Das sind die
Weltspiele der nichtolympischen Sportarten. Sie werden unter der
Schirmherrschaft des IOC ausgetragen – nach dessen Regeln. Als 2022 die
World Games in Birmingham im US-Staat Alabama stattfanden, wurden die
Haudenosaunee Nationals folglich nicht eingeladen. Doch für sie verzichtete
Irland. Der irische Verbandspräsident Michael Kennedy wollte sich durch
diese Geste für das „Geschenk“ bedanken, das die Haudenosaunee mit diesem
Sport der Welt gegeben hätten. So gelang den Haudenosaunee mit einem
Frauen- und einem Männerteam, was ihnen das IOC jetzt verwehrt: die
Teilnahme am Weltsport.
Lacrosse ist ein Spiel mit einem Hartgummiball und einem Schläger, einem
sogenannten Stick, der ein Pocket aufweist, ein taschenartiges Netz. Mit
diesem Stick soll der Ball ins gegnerische Tor befördert werden.
Historisch ist Lacrosse ein Spiel verschiedener nordamerikanischer
indigener Völker. Ob seine Wurzeln ins 15. oder gar ins 11. Jahrhundert
hineinreichen, ist nicht geklärt, und auch über die Herkunft des Wortes
Lacrosse gibt es verschiedene Theorien, vermutlich stammt es von einem
französischen Missionar. In jedem Fall aber gehört Lacrosse zu den
wenigen Fällen, in denen ein indigenes Spiel zu einer reglementierten
Sportart wurde. Während meist ein Sportexport – etwa von Fußball, Cricket
oder Baseball – in kolonisierte Länder stattfand, nahmen sich in diesem
Fall europäische Siedler in Kanada des Lacrosse an.
## Lange Geschichte und viel Rassismus
1844 fanden die „Jeux olympiques en Montreal“ statt. Damals wurden oft aus
einer Griechenbegeisterung heraus Sport- und Spielfeste mit dem Begriff
„olympisch“ versehen. Am ersten Tag spielten nur weiße Siedler für sich, …
zweiten Tag Native Americans untereinander, und am dritten Tag spielten
beide gegeneinander. Eine Zeitung schrieb damals: „Dieses Spiel wurde
zugunsten der ‚roten Männer‘ entschieden, die im Lacrosse-Spiel eine
weitaus größere Geschicklichkeit zeigten als ihre weißen Brüder, obwohl sie
den Verlierern an Beweglichkeit und Schnelligkeit sicherlich unterlegen
waren.“
1869 veröffentlichte der Zahnarzt William George Beers das Buch „Lacrosse:
The National Game of Canada“. Er vereinheitlichte die unterschiedlichen
Formen des Spiels und legte verbindliche Regeln fest. So wurde aus dem
Spiel ein Sport. Zunächst nur für Männer, später auch für Frauen – und in
Kanada sehr populär.
Olympisch wurde Lacrosse auch: 1904 in St. Louis nahmen drei Teams aus zwei
Staaten teil. Eine Mannschaft aus kanadischen Einwanderern, die Winnipeg
Shamrocks, gewann Gold, Zweite wurden die USA, und die Bronzemedaille ging
an eine weitere kanadische Mannschaft, die man damals „Mohawk Indians“
nannte. Es war eine Auswahl der Six Nations of the Grand River. 1908 in
London war Lacrosse wieder bei Olympia, dann war erst mal Schluss.
Seit den 1870er Jahren wurden gerade Native Americans von Geschäftsleuten
gern auf profitable Tournee zu Demonstrationsspielen geschickt. Auch nach
Übersee reisten Spieler. Im August 1879 trat eine Gruppe Mohawks in
Hannover, Dresden und Leipzig auf. „Rothäute in Deutschland“ lautete eine
Zeitungsschlagzeile.
In dieser rassistischen Tradition steht die jüngste Kampagne der
Haudenosaunee Nationals gerade nicht. „Wenn wir erfolgreich sind, wird es
nicht nur die Flagge der Haudenosaunee-Konföderation sein, die bei den
Olympischen Spielen weht, sondern die Flagge der indigenen Völker in der
ganzen Welt“, sagt Tom Perez, Berater von Joe Biden.
Die Haudenosaunee hatten sich an das Weiße Haus gewandt, nun arbeiten die
USA mit der kanadischen Regierung zusammen, um die Haudenosaunee zu Olympia
zu bringen. Das IOC hingegen stellt sich stur. Es obliege nur dem
kanadischen und US-amerikanischen Nationalen Olympischen Komitee, „zu
entscheiden, ob sie Athleten der Haudenosaunee in ihre jeweiligen Teams
aufnehmen“.
Dafür aber ist das Team, das doch schon WM-Dritter ist, nicht zu haben.
„Das ultimative Ziel ist es, dass die Haudenosaunee eine Goldmedaille
gewinnen“, sagt Leo Nolan, Chef des Teams. Die Unterstützung des
Lacrosse-Weltverbands und des Organisationskomitees der 2028-Spiele in Los
Angeles haben sie schon. Und die von Joe Biden jetzt auch.
16 Dec 2023
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
USA
Kanada
Joe Biden
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Satire
Sportarten
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