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# taz.de -- Ukrainische Athlet:innen bei Olympia: Fair Play in Zeiten des Krieg…
> Muss eine ukrainische Fechterin ihrer russischen Gegnerin die Hand
> reichen? In Paris gelten jetzt neue Fair-Play-Regeln, die Ausnahmen
> ermöglichen.
Bild: Die ukrainische Fechterin Olha Charlan
Was den Sport ausmacht? Was die Voraussetzung dafür ist, dass er, so wie
wir ihn kennen, funktioniert? Fair Play, werden wohl die meisten auf diese
Fragen antworten. Und ja, ohne einen respektvollen Umgang der Sportlerinnen
und Sportler untereinander wäre ein sportliches Kräftemessen nicht wirklich
möglich. Das Verbeugen vor einem Judokampf, der Handschlag nach einem
Gefecht sind vorgeschriebene Rituale zur Durchsetzung von Fair Play.
Eigentlich ganz einfach. Es sei denn, es herrscht Krieg.
Der ukrainischen Säbelfechterin Olga Kharlan war es bei der WM 2023 in
Mailand jedenfalls unmöglich, der Russin Anna Smirnowa die Hand zu reichen,
nachdem sie den Kampf gewonnen hatte. Den Regeln entsprechend wurde sie
disqualifiziert. Später wieder rehabilitiert. Kharlans verweigerter
Handschlag löste eine Diskussion aus, die dazu geführt hat, dass nun kein
Handschlag mehr vorgeschrieben ist nach einem Kampf. Und die
eindrucksvollen Statements, mit der sie ihre Haltung begründete, brachten
ihr eine von IOC-Chef Thomas Bach höchstpersönlich ausgestellte Einladung
zu den Spielen nach Paris ein. „Ich habe am Tag vor dem Gefecht mit meiner
Familie telefoniert, als die gerade im Luftschutzkeller saß“, hatte sie
damals gesagt. Und: „Wie soll ich ihr die Hand geben? Ich will das nicht.“
Nun sitzt sie in Paris mit vier anderen Mitgliedern des ukrainischen
Olympiateams bei einer Pressekonferenz und betont, wie schwer für sie die
Situation bei der WM gewesen sei. Sehr ernst blickt sie drein, sagt, dass
sie alles genauso noch einmal machen würde. Die Regeln seien „unfair“
gewesen. Es sei darum gegangen, sie zu ändern. Es sind dies die fünften
Olympischen Spiele von Kharlan. 17 Jahre war sie alt, als sie mit dem
ukrainischen Team bei den Spielen in Peking Gold gewann. 2016 in Rio de
Janeiro gewann sie Bronze im Einzel und gehört mit ihren insgesamt sechs
WM-Titeln zu den erfolgreichsten Fechterinnen der Gegenwart.
Doch beinahe nichts ist so wie zu der Zeit vor dem [1][Überfall Russlands
auf die Ukraine] im Februar 2022. „Das hier sind meine härtesten Spiele“,
sagt Kharlan bei der Pressekonferenz und weist noch einmal darauf hin, dass
der verweigerte Handschlag von Mailand ein Zeichen an die Welt sein sollte,
darauf zu schauen, was da gerade mit der Ukraine passiert.
## „Für uns gibt es keine Athleten aus Russland“
Genau deshalb hat das Team zu der Pressekonferenz geladen. Die Welt soll
wissen, unter welcher Belastung die ukrainischen Sportler stehen, deren
Köpfe voll sind mit Bildern der Zerstörung, deren Angehörige in ständiger
Angst leben und für die echter Frieden wichtiger ist als ein Handschlag mit
einem Gegner aus Russland.
Schwimmer Mychajlo Romantschuk, zweifacher Medaillengewinner bei den
Spielen von Tokio 2021 und Fahnenträger der Ukraine bei der
Eröffnungsfeier, berichtet von seiner Rückkehr in die Ukraine. Nachdem er
monatelang in Magdeburg unter besten Bedingungen trainieren habe können,
sei er heimgekehrt, um der Jugend im Land zu zeigen, dass das Leben
weitergehen muss.
Er hat erlebt, wie es sich anfühlt, wenn der Strom abgeschaltet wird, wenn
man das Training unterbrechen muss, um sich in den Luftschutzkeller zu
begeben und musste wegen der durch russische Bombardements verursachten
Energieknappheit bei Wassertemperaturen trainieren, die weit unter denen in
Magdeburg lagen. Bis vor Kurzem habe sein Vater noch an der Front gekämpft.
Jetzt sei er zu Hause. „Aber das kann sich schnell wieder ändern“, sagt er.
Freiwillig für den Kampf gegen die Invasoren aus Russland hat sich auch der
Vater des dreimaligen Europameisters im Turmspringen, Oleksij Sereda,
gemeldet. „Alles hat sich geändert mit dem Kriegsbeginn“, sagt der
18-Jährige. Vor dem russischen Überfall hätten seine Eltern Möbel
hergestellt, ihr eigenes Business betrieben. Das ist vorbei. Jetzt ist sein
Vater Soldat. „Alles hat sich geändert“, sagt er noch einmal, „für ihn,…
mich, für uns alle. Er muss das tun.“
Fragen des sportlichen Fair Plays werden ganz klein bei den Geschichten,
die die ukrainischen Sportler erzählen. Zu allzu vielen [2][Begegnungen
ukrainischer und russischer Sportlerinnen] wird es bei den Spielen gottlob
nicht kommen. Gerade einmal 15 Russinnen und Russen treten [3][als
sogenannte Neutrale] in Paris an. Wadym Hutzajt, ehemaliger Sportminister
und amtierender Präsident des Ukrainischen Olympischen Komitees, wird
gefragt, wie denn seine Sportlerinnen und Sportler reagieren sollen, wenn
sie einem der Neutralen aus Russland begegnen. „Für uns gibt es keine
Athleten aus Russland. Wir grüßen sie nicht. Wir sagen nicht 'Hallo!’, wir
schauen sie nicht einmal an.“
29 Jul 2024
## LINKS
[1] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[2] /Sportverbot-mit-russischen-Athleten/!5928925
[3] /Russland-bei-Olympia-2024/!5975961
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Fechten
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