# taz.de -- Rechte Erfolge bei Europawahl: Antifa ist kein Wellnessprogramm | |
> Die EU-Wahlergebnisse machen mal wieder politisches Handeln nötig, doch | |
> viele sind ermüdet. Unsere Kolumnistin empfiehlt eine große Tasse Kaffee. | |
Bild: Wichtig: die Fahne gegen Rassismus weiter hoch halten | |
Es gibt diese Erleichterung, wenn jemand etwas eindeutig Rassistisches | |
sagt. Zum Beispiel so ganz direkt das N-Wort fallen lässt. Da weiß ich, | |
woran ich bin: Dann ist Schluss mit dem Zweifeln. Denn Rassist*innen | |
kommen selten so direkt auf dich zu und sagen „Hallo, ich bin rassistisch | |
und behandle dich jetzt wie Dreck“. | |
Weil sie das nicht tun, stehe ich manchmal da und frage mich: Ist diese | |
Person einfach unhöflich? Oder habe ich etwas falsch gemacht? Ist sie zu | |
allen gemein oder nur zu mir? Oder verhält sie sich ganz normal, und ich | |
bilde mir das alles nur ein? | |
Offener Rassismus dagegen schafft klare Verhältnisse. Die [1][Ergebnisse | |
der Europa-Wahl] sind ein solcher Moment: die kurze Erleichterung der | |
Ernüchterung. Ist alles genau so schlimm, wie ich gedacht habe? Ja. Genau | |
so. Reality Check! | |
Ich weiß: Wir hätten das nicht gebraucht. Die Karten lagen bereits offen | |
auf dem Tisch. Doch oft sind solche Schockmomente durch eindeutige Zahlen, | |
Fakten und Bilder Anstoß für etwas. Es lässt sich nicht mehr wegschauen und | |
leugnen, das etwas getan werden muss. Wir müssen… Aufstehen gegen rechts? | |
Laut werden gegen rechts? Zeigen, dass Rassismus hier keinen Platz hat? | |
## Kein Weckruf, kein Wachrütteln | |
Das hatten wir alles gerade erst. Wir hätten auch keinen neuen Beweis | |
gebraucht. Die Veröffentlichung der [2][Recherchen zum rechten Think Tank] | |
in Potsdam ist erst fünf Monate her. Darauf folgten die größten | |
Demonstrationen gegen Rechts in der Geschichte dieses Landes. | |
Vor etwa drei Wochen [3][ging ein Video viral, in dem reiche Leute auf | |
einer Insel „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“ gröhlen] und s… | |
dabei selbstbewusst und gut gelaunt filmen. Auch hier: Kein Grund, noch zu | |
zweifeln. Rassismus ist real und unter uns. Es wurde sich adäquat empört. | |
Entsetzen und Medienaufmerksamkeit waren groß. | |
Am letzten Sonntag, dem Wahlsonntag, nun [4][der nächste Rassismus-Beweis]. | |
Noch dazu einer, der Rechte und Rechtsextreme mit noch mehr konkreter | |
parlamentarischer Macht ausstattet. Was machen wir damit? | |
Diese Wahlergebnisse sind kein Weckruf, kein Wachrütteln. Sie sind das | |
Gegenteil von: „Zeit zum Aufstehen!“ Sie sind ermüdend. Das ist das | |
Statement, das ich in dieser Woche auch am häufigsten von | |
Aktivist*innen gehört habe: Sie sind müde. | |
## Wir sind ganz sicher nicht „unteilbar“ | |
Ich gebe zu: Meine Art wäre es eigentlich, öffentlich darüber die Augen zu | |
rollen. Hier jetzt etwas zu schreiben darüber, dass wir uns Müdigkeit nicht | |
erlauben können. Dass es niemandem etwas bringt, zu erzählen, wie müde man | |
ist. Und außerdem: Aktivismus ist eben auch manchmal anstrengend. Antifa | |
ist kein Wellnessprogramm. Habt ihr etwa gedacht, es wäre einfach, | |
Rassismus zu besiegen? Wir sind hier immer noch in Deutschland. | |
Doch ich schreibe so einen Text nicht. Denn er müsste mit Hoffnung enden. | |
Oder wenigstens mit einer Aufforderung zum Handeln. Irgendwas mit | |
„Solidarität“ und „Auf die Straße“. Das fühle ich leider nicht. [5][… | |
das hatten wir vor ein paar Wochen, einem halben Jahr und immer wieder | |
dazwischen und davor]. | |
„Wir sind mehr“? Wir sind vielleicht gar nicht mehr so viele, und wir sind | |
ganz sicher nicht „unteilbar“. Ich akzeptiere also die allgemeine Müdigkeit | |
und reihe mich ein. Dabei ist klar: Augen zu und erstmal ausschlafen, das | |
ist keine Option. Es würde diejenigen am härtesten treffen, auf deren | |
Kosten in Europa Wahlkampf gemacht wurde. Geflüchtete, die hierher kommen, | |
Schutz und ein sichereres Leben suchen. Wir sollten also einen großen Pott | |
vom stärksten Kaffee aufsetzen. | |
14 Jun 2024 | |
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## AUTOREN | |
Simone Dede Ayivi | |
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