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# taz.de -- Fabio de Masi über BSW-Ergebnis: „Wir sind mehr als nur Protest�…
> Als Spitzenkandidat der Wagenknecht-Partei zieht Fabio de Masi nun in das
> Europaparlament ein. Dort wolle man eine neue Fraktion bilden – ohne
> Rechte.
Bild: „Wir langweilen nicht und sprechen Missstände scharf an“
taz: Herr de Masi, [1][BSW hat mehr als sechs Prozent bekommen].
Überrascht?
Fabio de Masi: Nein, es gibt einen großen Veränderungswunsch. Das haben wir
auf den Marktplätzen gespürt. Unser Ergebnis ist herausragend, zumal laut
Umfragen unsere Wähler relativ geringes Interesse an Europa haben.
Das BSW hat mehr als 400.000 Stimmen von der Linkspartei, mehr als 500.000
von der SPD [2][und nur 140.000 von der AfD gewonnen]. Verwundert Sie das?
Nein. Im Wahlkampf hat die Friedensfrage die Leute am meisten bewegt. Viele
waren enttäuscht von dem Kurs der SPD und der Linkspartei.
Und Migration?
Das war auch ein Thema. Wir arbeiten nicht mit Ressentiments und
respektieren das Recht auf Asyl, wollen aber Ordnung in der
Migrationspolitik, damit Integration gelingen kann.
Verstehen Sie das BSW als Protestpartei?
Natürlich. Es wäre bei der Anti-Ampel-Stimmung dumm, keine Protestpartei zu
sein.
Reicht das aus?
Wir sind mehr als nur Protest. Wir haben klare Forderungen. Aber wir
langweilen nicht und sprechen Missstände scharf an. Das habe ich schon
immer getan und dies mit konkreten Vorschlägen verbunden. Zu sagen, dass
Deutschland ein Problem mit Finanzkriminalität hat oder die
Kürzungs-Politik der Ampel die Wirtschaft in den Keller treibt, ist nicht
nur ein Protest. Das ist Realität.
Sie waren als Finanzexperte in der Linkspartei und dort auf dem linken
Flügel. Das BSW steht viel weiter in der Mitte. Mussten Sie sich da
anpassen?
Nein, gar nicht. Das BSW fordert eine Reform der Schuldenbremse und eine
Vermögensbesteuerung, die nicht Oma mit ihrem kleinen Häuschen trifft,
sondern die Multimillionäre und Milliardäre. Das habe ich schon immer
vertreten. Bei diesen Themen sind die Unterschiede zur Linken nicht so
groß.
Die gibt es bei anderen Themen: Das Verbot von Verbrennermotoren lehnen Sie
ab.
Wir sehen die Ausrichtung nur auf E-Mobilität kritisch. Deutschland ist
stark in der Verbrenner-Technologie. Wir sollten das nutzen und die Branche
dazu bringen, kleinere, emissionsarme Autos zu bauen. Wo es auf dem Globus
weiter Verbrenner gibt, müssen die CO2-arm sei. Wenn Besserverdiener sich
in Deutschland jetzt ein E-SUV als Zweitwagen leisten, ist für das Klima
noch gar nichts gewonnen.
Damit bedienen Sie das Hass-Bild von den reichen Ökos in den Städten, die
den Normalverdienern auf dem Land sagen, wie die leben sollen …
Diese Leute müssen wir auch abholen. Es reicht nicht, in Berlin-Mitte in
der Hafermilch-Blase recht zu haben.
Das ist jetzt echt ein Klischee …
Nein, ist es nicht. Der Klimawandel ist eine Tatsache, der Kampf dagegen
dringlich. Aber das erreicht man nicht mit höheren CO2- Abgaben, die Leute
mit schmalen Geldbeutel treffen, die auf dem Land kaum Alternativen zum PKW
haben. Gleichzeitig hat man tausende Bahnkilometer abgebaut. Da können
Preise nicht lenken. Und gerade Besserverdiener mit höherem ökologischem
Bewusstsein haben einen höheren ökologischen Fußabdruck. Um Helmut Kohl zu
zitieren: Entscheidend ist, was hinten herauskommt.
Aha, nach Ludwig Erhard ist jetzt auch Kohl ein Vorbild. Ist BSW ein
Retroangebot für Veränderungsmüde?
Wir sprechen auch Veränderungsmüde an. Viele Leute empfinden Veränderung
als Bedrohung. Deshalb müssen wir ihnen mehr Sicherheit geben. Wir hatten
in den 70er und 80er Jahren ein auskömmlicheres Rentensystem. Auch damals
gab es schon einen heftigen demografischen Wandel. Aber der Sozialstaat
wurde verbessert. Wenn das retro ist, dann sind wir retro.
Früher war alles besser?
Nein, aber so schlimm waren die 80er Jahre nicht. Wir stehen auch für
Wandel. Wir wollen mehr öffentliche Investitionen in Zukunftstechnologien
und angemessene Erbschafts- und Vermögensteuern. Das wäre Veränderung und
eine gute Voraussetzung für den Umbau der Wirtschaft.
Welcher Fraktion im Europa-Parlament schließt sich das BSW an?
Gar keiner. Wir machen eine neue auf.
Aha. Mit wem?
Das sage ich Ihnen nicht.
Warum?
Das ist wie im Fußball. Wenn ein Club sagt, wir haben Interesse an Toni
Kroos, dann steigt der Preis für Toni Kroos. Das funktioniert bei den
Fraktionsbildungen im EP so ähnlich. Deshalb schweigen wir.
Aber Rechte werden nicht in der Fraktion sein?
Nein, natürlich nicht. Das ist wie die rhetorische Frage, ob ich meinen
Goldfisch quäle. Ich habe aber gar keinen Goldfisch. Fragen Sie doch Frau
von der Leyen.
10 Jun 2024
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## AUTOREN
Stefan Reinecke
Daniel Bax
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