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# taz.de -- Margot Friedländer auf „Vogue“-Titel: Covergirl mit 102
> Margot Friedländer überlebte den Holocaust, und besucht bis heute
> Schulen. Das Modemagazin „Vogue“ hebt sie nun auf ihr Cover – ein stark…
> Statement.
Bild: Berlin, Anfang Mai: Margot Friedländer bei der Gala zum Deutschen Filmpr…
Berlin taz | Das aktuelle Covergirl der deutschen Vogue sitzt still
lächelnd vor einem Blumenhintergrund. Es trägt einen gepaspelten Zweireiher
aus dickem Stoff der Prada-Zweitlinie „Miu Miu“, das warme Orangerot
schmeichelt dem Hautton. An einer Hand blitzt ein Goldring, am Revers sind
zwei zum Look passende Broschen zu sehen. Das Gesicht unter dem Bobschnitt
wirkt beschwingt – und gehört nicht wirklich zu einem „Girl“: Das
Modemagazin würdigt mit seiner am Samstag erscheinenden Sommerausgabe die
102-jährige Holocaustüberlebende und Zeitzeugin [1][Margot Friedländer.]
Was sie durchgemacht hat, ist monströs – wie das Schicksal von Millionen
anderen Jüdinnen und Juden. Geboren 1921 in Berlin, wurde Friedländers
Familie in Konzentrationslagern ermordet. Sie selbst musste sich
verstecken, verkleiden und tarnen, wurde entdeckt, deportiert und in ein
Lager gebracht. Sie überlebte dieses, heiratete einen Inhaftierten, entkam
mit ihm aus dem Land der Mörder:innen in die USA.
Nachdem Friedländer in Berlin Modezeichnen studiert hatte und eigentlich
Designerin werden wollte, erlernte sie das Schreiben, und begann, jüngeren
Generationen ihre Geschichte zu erzählen. Heute wohnt sie wieder in ihrer
alten Heimat. Und Friedländers Stimme scheint momentan lauter zu werden,
weil sie einfach lauter werden muss – [2][passend zur Dringlichkeit der
Situation]. Als im Mai der Deutsche Filmpreis verliehen wurde, war es
Friedländer mit ihrem Appell, der von allen Reden besonders im Gedächtnis
blieb: „Ich bitte euch, seid Menschen!“
## „Versuche, dein Leben zu machen“
Bereits 2008 schrieb sie ihre Biografie, betitelt mit der Botschaft, die
die Mutter ihr zukommen ließ, bevor diese deportiert wurde: „Versuche, dein
Leben zu machen“. Friedländer geht in Schulen, lässt sich auf Social Media
interviewen, spricht freundlich, hoffnungsvoll, nie bitter. Immer wieder
fordert sie ihre Zuhörer:innen auf, Gemeinsamkeiten zu feiern, nicht
angebliche Unterschiede. Ihr Engagement brachte ihr viele Auszeichnungen
ein, die Ehrenbürgerwürde ihrer Heimatstadt etwa, den Verdienstorden des
Landes Berlin sowie das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Letztere zieren auch das Vogue-Cover: Die beiden Broschen am Mantelkragen
sehen aus wie kleine Schmetterlinge. Dass das Heft sich mit der
Friedländer-Titelstory, die aus einem Interview und Fotos von Friedländer
im Botanischen Garten besteht, nicht nur klar vom Ageismus- und
Lookismus-Diktat entfernt, sondern ein politisches Statement setzt, ist
überfällig. Und passt zur Entwicklung mehrerer Modemagazine, die sich damit
endlich der potenziellen Bedeutung von Mode innerhalb der Gesellschaft
widmen könnten: Es gibt keinen Grund, wieso Menschen, die Mode schaffen,
beschreiben, tragen oder feiern, nicht eine ebenso große
gesellschaftspolitische Verantwortung empfänden wie alle anderen.
Neben der zum Mutterkonzern Condé Nast gehörenden Vogue ist das etwa die in
Deutschland herausgegebene Madame, die – wie alle Hochglanz-Magazine – seit
Jahren mit sinkenden Auflagen kämpft. Dort finden sich seit einiger Zeit
ebenfalls verstärkt Interviews mit (modeinteressierten) Künstler:innen, die
sich zaghaft politisch äußern – Ukrainerinnen, Palästinenserinnen und
Israelis ebenso wie etwa die indigene US-Schauspielerin Lily Gladstone.
Echte Modetrends zu setzen, wird der Vogue von der Social-Media-affinen
jüngeren Generationen eh kaum mehr zugetraut. Vielleicht setzt das
Friedländer-Cover aber einen viel wichtigeren Trend: sich gegen rechts
auszusprechen.
18 Jun 2024
## LINKS
[1] /Holocaust-Ueberlebende-wird-100/!5813146
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## AUTOREN
Jenni Zylka
## TAGS
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Schwerpunkt Nationalsozialismus
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