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# taz.de -- Sanierung des Pergamonmuseums in Berlin: Ohne Rücksicht auf Verlus…
> Bald beginnt der Radikalumbau des Südflügels des Pergamonmuseums. Die
> 30er-Jahre-Architekturen sollen weitgehend bewahrt werden, die Reste der
> DDR-Inszenierung fallen.
Bild: Frühestens 2037 wird die Sanierung des Pergamon-Museums in Berlin fertig…
BERLIN taz | Triumphmärsche mit gellendem Tschingderassabumm vor blau, grün
und gelb schillernden Löwen- und Stierreliefs der Prozessionsstraße und des
Ischtartors aus Babylon; Bettler, Händler und Kurtisanen, die sich in den
Säulen des Markttors aus der hellenistischen Metropole Milet drängen;
neugierig durch hölzerne Fenstergitter lugende Haremsfrauen: Es gibt wohl
kein orientalistisches Roman- und Sandalenfilmsetting, das im
Pergamonmuseum nicht zu bedienen wäre.
Vor allem die zwischen 1930 und 1937 eröffneten Säle des Südflügels sind
keineswegs eine neutrale Hülle für teils Jahrtausende alte Objekte aus der
heutigen Türkei, dem Irak, Syrien und Libanon, die nach [1][Ausgrabungen im
Osmanischen Reich bei Fundteilungen] oder auf dem Kunstmarkt erworben
wurden. Zu sehen ist gewiss eine Inszenierung des westlichen Orientbildes,
aber eben auch der modernistischen Lust auf Farbe und Glanz: Die Reliefs
aus schimmerndem Ziegel gleichen nicht zufällig Raumausstattungen des
amerikanischen und französischen Art Déco oder den Berliner U-Bahnhöfen
Alfred Grenanders, der im Bahnhof Klosterstraße 1928 sogar direkt
Testversuche aus den Babylon-Sälen einbaute.
Seit dem Herbst 2023 sind diese großartigen, auf der Welterbeliste
stehenden Inszenierungen geschlossen, derzeit laufen die
[2][Räumungsarbeiten der Museen], im Sommer soll das Bundesamt für Bauwesen
und Raumordnung den Bau für die Generalsanierung, den Umbau, aber auch die
Restaurierung übernehmen. Es ist der zweite Abschnitt eines Riesenprojekts,
das 2012 mit der Schließung des Nordflügels, in dem künftig das Museum für
Islamische Kunst gezeigt wird, und 2014 mit der des Ostflügels mit dem Saal
für hellenistische Architektur und dem Pergamonaltar begann. Sie sollen
jetzt 2027 wieder eröffnet werden.
Der zuständige Direktor der Antikensammlung, Martin Maischberger, ist
zuversichtlich: „Wir sind im Plan“ – jedenfalls jetzt. Eigentlich sollte
[3][nämlich schon 2018 Eröffnung gefeiert] werden. Auch der Südflügel und
der Saal mit den monumentalen Werken der römischen Architektur aus Milet,
Baalbek oder Pergamon werden nach den Planungen der Stiftung Preußischer
Kulturbesitz und der Bundesbauverwaltungen viel später fertig, frühestens
2037. Wenn denn alles klappt. Aber schon jetzt sind auch die 2040er im
Gespräch, ohne dass irgendjemand im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
BBR oder in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz laut protestiert. Zu viel
ist bei diesem Projekt der Superlative schon schiefgegangen.
## Schon DDR plante Sanierung
Bereits die DDR plante die Grundsanierung des Pergamonmuseums und seinen
Ausbau zu einem Touristenmagneten. Doch immer wieder wurde das absehbar
teure Projekt aufgeschoben. Auch die Bundesrepublik investierte nach 1990
nur in die notwendigste Instandhaltung. 1999 gewann dann der Kölner
Architekt Oswalt Mathias Ungers mit einem Projekt den Internationalen
Architekturwettbewerb, doch erst ein Jahrzehnt später begannen die
Bauarbeiten.
Ungers’ Konzept lässt zwar die Fassaden des seit 1906 geplanten
Monumentalbaus weitgehend in Ruhe. Allerdings soll ein vierter Flügel
entstehen, im für Ungers charakteristischem Rasterschema und wie bei ihm
üblich ohne Rücksicht auf die historische Substanz. Um sein
spätestmodernistisches Pfeilerschema mit Stütze in der Mitte der Hauptachse
des Pergamonhofs errichten zu können, wurden die bereits vorhandenen
Fundamente einer einst am Kupfergraben geplanten Säulenhalle
herausgebrochen. Der bereits fertiggestellte neue Eingangsbau – quadratisch
und mit Stütze in Mittelachse – zeigt, wie altbacken diese Architektur bei
der potenziellen Übergabe 2037 wirken dürfte. Einem neuen
Gestaltungswettbewerb wenigstens für diesen Bauteil lehnt die
Preußen-Stiftung allerdings bisher ab.
Auch sonst greift Ungers’ Entwurf tief bis in die tragenden Hauptwände und
Kellergeschosse in den Bestandsbau ein. Nur in den Antikensälen haben sich
die Museen entschlossen, die legendäre Ausstellungsinszenierung von 1930 so
weit als irgend möglich zu konservieren, wenngleich unter neu abgefangenen
Glasdächern und mit neuer Klimatechnik. Sonst aber musste die Denkmalpflege
manch harten Knochen schlucken. So wurden im Nordflügel für den neuen
Riesensaal, in dem ab 2027 die frühislamische Mschatta-Fassade zu sehen
sein wird, einige der wichtigsten Dokumente der deutschen Museumsgeschichte
des 20. Jahrhunderts abgebrochen.
Alternative, vorsichtigere Projekte wurden von den Preußen-Stiftung unter
Hermann Parzinger und der Bauverwaltung immer wieder zurückgewiesen, mit
Verweis auf Ungers’ Sieger-Entwurf von 1999. Dabei brachte dieser
Radikalumbau den gesamten Bauteil aus dem Gleichgewicht, der über Jahre
mit gewaltigen Stahlkonstruktionen gestützt werden musste. Auch das treibt
die Kosten von einst geplanten 340 Millionen Euro auf inzwischen 1,5
Milliarden Euro.
## Depots bei Großbeeren
Aber zweifellos, der Riesenbau ist inzwischen hochgradig
sanierungsbedürftig, von den Dachkonstruktionen, die aus den 1920er Jahren
stammen, im Zweiten Weltkrieg schwer getroffen wurden, von der DDR nur
notdürftig instand gesetzt, seitdem nur gerade so gepflegt wurden, bis in
die Kellergeschosse. Die Überraschungen sind erheblich, doch erst jetzt
kann nach der Räumung des Bauteils erforscht werden, ob etwa die gewaltigen
Betongewölbe, die für den Südflügel seit 1912 entstanden, auch noch
vollständig tragfähig sind.
Das Bundesamt für Bauordnung und Bauwesen BBR teilte auf Anfrage der taz
mit: Ein Ersatz seit bisher nicht geplant, auch kein Eingriff in diese
Tragkonstruktionen oder in die Fundamente. Aber man wisse von Rissen. Man
wird sehen.
Denn Ungers’ Projekt eines Radikalumbaus wird nun auch den Umbau des
Südflügels bestimmen – etwa durch den Einbau eines weiteren Treppenhauses,
obgleich es bereits eines gibt. Dafür fallen wird der letzte (!) Raum mit
Dekorationen aus der DDR-Zeit, den es in den gesamten Staatlichen Museen
noch gibt. In einem Saal werden babylonische Ziegelsteine sorgfältig
restauriert, um in einem anderen Raum wieder aufgestellt zu werden. Wände
sind bis zu den Ziegelkonstruktion aufgebrochen, Kunstwerke stehen auf
Paletten, Marmorsäulen im Oberschoss sind durch Holzpfosten ersetzt,
Statuen aus der römischen Antike zerlegt, die antiken Führungsbolzen
stechen aus dem Marmor.
Alles, was [4][irgendwie transportabel ist, wird in Depots bei Großbeeren]
gebracht, nur die Objekte des Museums für Islamische Kunst ziehen direkt in
den Nordflügel. Die schimmernden Reliefs aus Babylon, die monumentalen
Säulen der Römer aber verschwinden hinter Schutzwänden. Bis wann? Auch hier
gilt: Man wird sehen.
6 Jun 2024
## LINKS
[1] /Antikes-Erbe-aus-dem-Mittelmeerraum/!5799636
[2] /Baustellenbegehung-im-Museum/!5985221
[3] /Besuch-im-Pergamonmuseum/!5931039
[4] /Pergamonmuseum-vorerst-geschlossen/!5963381
## AUTOREN
Nikolaus Bernau
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