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# taz.de -- Neuwahlen in Frankreich: Vom Gefühl einer historischen Wende
> Präsident Macron schwört Frankreich ein, bei der Wahl nicht für
> „Extremisten“ zu stimmen. Bei den Konservativen spielt sich ein
> Psychodrama ab.
Bild: Der französische Präsident Emmanuel Macron auf dem Weg zu einer Pressek…
Paris taz | Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat bei einer
Pressekonferenz am Mittwoch die „Männer und Frauen guten Willens“
beschworen, [1][ihm bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 30. Juni und 7.
Juli] eine neue Mehrheit zu geben und nicht auf die Extremisten zu hören.
Er verteidigte seine Bilanz, die Forderung nach seinem Rücktritt sei
„absurd“. Er habe „Vertrauen“ in seine Landsleute und sei selber alles
andere als „defätistisch“. Falls aber dennoch „am Tag danach“ die extr…
Rechte als Siegerin dastehen sollte, könne dies Frankreich nur schwächen,
warnte er. Sei das Gegenteil der Fall, werde dies Frankreich jedoch
stärken.
Noch findet er sich nicht damit ab, im Fall einer rechtsextremen Mehrheit
in der Nationalversammlung die Regierungsmacht an das rechtspopulistische
Rassemblement National (RN) abzugeben. Stattdessen hat er mit erstaunlicher
Zuversicht ein ganzes Programm mit Aufgaben und Reformvorschlägen
entwickelt, als ob er weitermachen könne wie bisher. Doch diese
Ausführungen klangen realitätsfremd.
Macron beschuldigte die politischen Extremisten beider Seiten, für die
parlamentarische Handlungsunfähigkeit verantwortlich zu sein. Ebenso
verurteilte er die politischen Kräfte, die nun in Hinblick auf die Wahlen
zur Rettung einiger Sitze Allianzen suchen. Am Sonntag seien „die Masken
gefallen“, sagte er in Anspielung auf Eric Ciotti.
Der bisherige Parteichef der Konservativen suche eine Einigung mit dem RN,
was in totalem Widerspruch zur Politik und den Grundwerten der bürgerlichen
Rechten stehe. Auch das Linksbündnis zwischen „Sozialisten, die der Ukraine
helfen wollen, und (der Linkspartei) La France insoumise, die Russland
unterstützt,“ sei „widernatürlich“, sagte Macron. Die von Jean-Luc
Mélenchon angeführte extreme Linke sei „antisemitisch“ und
„antiparlamentarisch“.
Macron sollte am Dienstag den Medien Rede und Antwort stehen, die Konferenz
wurde auf Mittwoch 17 Uhr verschoben und dann auf 11 Uhr vorgezogen. Als
Macron, wie üblich verspätet, seine Ansprache begann, fiel der Ton der
Fernsehübertragung aus. Das alles wirkte improvisiert. Nach dem Schock der
Ausrufung von Neuwahlen ist in den politischen Kreisen der Hauptstadt eine
Mischung aus Aufbruchstimmung, ängstlicher Ungewissheit und dem Bewusstsein
spürbar, wohl vor einem historischen Wendepunkt zu stehen.
## RN kann mit einem Erdrutschssieg rechnen
Ein politisches Psychodrama spielte sich bei den Konservativen ab. Am
Dienstag hatte Eric Ciotti, der Chef der Partei Les Républicains (LR), mit
der Ankündigung überrascht, er habe mit dem RN ein Abkommen ausgehandelt,
wonach mehrere Dutzend LR-Kandidaten in den Genuss einer Wahlhilfe des RN
kämen. Dieser „Deal“, so die Zeitung Le Parisien, stellt einen totalen
Bruch mit der Bündnisdoktrin der Partei dar, die sich auf das Erbe von
General de Gaulle und Jacques Chirac beruft.
Senatspräsident Gérard Larcher, die gesamte LR-Fraktion im französischen
„Oberhaus“, der LR-Fraktionschef Olivier Marleix, frühere LR-Minister wie
Xavier Bertrand, François Baroin sowie Kulturministerin Rachida Dati
(Ex-LR) bezichtigten Ciotti, seine Partei „verraten“ zu haben. Bei einer
außerordentlichen Sitzung setzte die Parteileitung Ciotti am
Mittwochnachmittag ab. Um dies zu verhindern, hatte er zuvor die Türen der
LR-Parteizentrale verriegeln lassen.
Trotz anhaltender politischer Streitereien und persönlicher Rivalitäten
[2][haben auf der Gegenseite die Verhandlungen der Linksparteien über eine
„Front populaire“ (Volksfront) genannte Wahlunion Fortschritte gemacht].
Diese Union, die am Mittwoch Zulauf von weiteren kleinen Parteien (von
baskischen und bretonischen Autonomisten bis zu den Trotzkisten) bekam,
soll in jedem der 577 Wahlkreise eine gemeinsame Kandidatur vorschlagen.
Noch wird jedoch diskutiert, wer am besten platziert oder bestimmt
inakzeptabel wäre. Auch bei der Abfassung einer gemeinsamen politischen
Plattform gibt es noch Differenzen.
Laut Umfragen kann das RN bei den Wahlen mit einem Erdrutschsieg rechnen,
der bei einem Stimmenanteil von 35 Prozent der Partei von Marine Le Pen zu
einer absoluten Mehrheit (mehr als 288 Sitze) verhelfen könnte. Sie hat
ihren Parteichef Jordan Bardella als nächsten Premier designiert. Die
vereinte Linke wird bei 25 Prozent, die Koalition der macronistischen
Regierungsparteien bei 18 Prozent und die Konservativen von LR werden bei 9
Prozent gehandelt.
12 Jun 2024
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## AUTOREN
Rudolf Balmer
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