# taz.de -- Pro und Contra: Müssen wir die Bundeswehr feiern? | |
> Der rot-grüne Senat in Hamburg plant zum 69. Geburtstag der Bundeswehr | |
> eine Feier – zusätzlich zum Veteranentag im Juni 2025. Ist das gut so? | |
Bild: Es ist nicht so, dass die Streitkräfte nicht präsent wären in der Öff… | |
## Ja | |
Allerdings kann von müssen nicht die Rede sein. Zwang und Jubel wären fehl | |
am Platz. Sie widersprächen der Absicht der rot-grünen Koalition in Hamburg | |
und wären dem Gegenstand auch nicht angemessen. Denn worum es geht, sind | |
Respekt und Wertschätzung. Es geht darum sicherzustellen, dass die | |
Bundeswehr kein Fremdkörper in der Gesellschaft ist. | |
Mit dem [1][Veteranentag] hat der Bundestag die von Bundeskanzler Olaf | |
Scholz (SPD) nach dem [2][Überfall Russlands auf die Ukraine festgestellte | |
Zeitenwende] auf symbolischer Ebene nachvollzogen. Er hat deutlich gemacht, | |
was eigentlich schon lange im Bewusstsein der Gesellschaft angekommen sein | |
müsste: dass sich auf eine schlagkräftige Bundeswehr doch nicht verzichten | |
lässt und dass der Soldatenberuf einen besonderen Charakter hat. | |
Wer „Veteranen“ hört, denkt an grausame Gefechte, an [3][verstümmelte | |
Leiber, gezeichnete Menschen]. Das ist gruselig. Die ganz Alten denken an | |
Bombennächte und nie heimgekehrte Väter, die Mittelalten an die | |
apokalyptische Stimmung zur Zeit der Friedensbewegung. Das alles kommt nun | |
mit Wucht zurück. Dem muss sich die Gesellschaft stellen und ihr Verhältnis | |
zur Armee neu justieren. | |
Der Soldat hält den Kopf hin, auch wenn er damit rechnen muss, dass es ihn | |
selbigen kosten könnte. Bundeswehrsoldaten – und Soldatinnen – müssen | |
bereit sein, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um unsere | |
freiheitlich-demokratische Gesellschaft zu verteidigen. Das gilt es zu | |
würdigen. Wer sagt, das lohne sich nicht, der frage sich, wozu wir so | |
aufgeregt über Rassismus, Sexismus, Antidiskriminierung, Gewalt gegen | |
Frauen und Kinder und Gleichstellung diskutieren. Wenn das alles nichts | |
wert ist, können wir uns auch die Bundeswehr schenken. | |
Klar: Auch ziviler Widerstand ist denkbar. Aber die Voraussetzungen hierfür | |
sind noch weniger entwickelt als die Bundeswehr Stand heute. | |
Wenn wir also wollen, dass sich jemand bereit findet, in den Streitkräften | |
zu dienen, dann muss dieser jemand zwar nicht gleich bejubelt, aber eben | |
auch nicht entgeistert angeguckt werden. | |
Um etwas mehr Nähe zwischen der Bevölkerung und ihren Streitkräften zu | |
stiften, ist es sicher eine gute Sache, den Geburtstag der Bundeswehr in | |
Hamburg zu feiern. Etwas seltsam ist es zwar, mit dem 69. Gründungstag | |
anzufangen. Aber die neue Bedrohung durch Russland mag auch hier eine | |
besondere Dringlichkeit schaffen. | |
Mit der Geburtstagsfeier will Rot-Grün ausdrücklich einer breiten | |
Definition des Veteranenbegriffs Vorschub leisten: Alle, die in den | |
Streitkräften dienen oder gedient haben, sollen sich angesprochen fühlen. | |
Denn beim Feiern des Bundeswehrgeburtstages geht es darum, die Streitkräfte | |
aus der Schmuddelecke zu holen, und auch darum, die | |
[4][Verteidigungsbereitschaft zu stärken]. Das ist eine gute Idee. Gernot | |
Knödler | |
## Nein | |
Der Antrag von SPD und Grünen für die nächste Bürgerschaftssitzung in | |
Hamburg ist unheimlich. Schade genug, dass der Bundestag Ende April auch | |
mit den Stimmen der einst pazifistischen Grünen einen „Veteranentag“ | |
beschlossen hat, der ab dem 15. Juni 2025 jährlich alle Menschen ehren | |
soll, die einmal gedient haben. In Hamburg will Rot-Grün zusätzlich ein | |
„Zeichen setzen“ und schon in diesem Jahr am 12. November eine große Feier | |
anlässlich des 69. Gründungstags der Bundeswehr ausrichten. | |
Man wolle mit der Würdigung „nicht bis 2025 warten“, sagt SPD-Fraktionschef | |
Dirk Kienscherf. Russlands [5][Angriffskrieg auf die Ukraine] habe | |
„schmerzlich gezeigt“, dass wir eine gut aufgestellte Bundeswehr brauchen, | |
ergänzt die Grüne Sina Imhof. [6][In ihrem Antrag] lobt Rot-Grün die Hilfe | |
der Bundeswehr bei Katastrophen wie der Hamburger Sturmflut 1962, die tief | |
im kollektiven Gedächtnis verankert sei. | |
Die Stadt wird nun aufgefordert, das Landeskommando Hamburg der Armee bei | |
seiner Feier zu unterstützen und sich daran zu beteiligen. Das | |
Landeskommando begeht den Tag sonst mit einer Andacht im Michel. Die Feier | |
werde in diesem Jahr „etwas größer“, so ein Sprecher. | |
Schon der Veteranentag ist überflüssig. Warum sollen wir den | |
Bundeswehrsoldaten plötzlich sagen, dass wir das, was sie tun, toll finden? | |
Zivildienstleistende haben sich nicht weniger verdient gemacht. Doch dieser | |
Doppelwumms beim Feiern macht hellhörig. Soll Stimmung gemacht werden für | |
Wehrpflicht und Kriegsbereitschaft? | |
Aber wir brauchen keine [7][militärischen Volksfeste], sondern kühle Köpfe, | |
die darüber nachdenken, wie dieser Krieg in der Ukraine beendet werden | |
kann. Wir brauchen einen offenen Diskurs, in dem auch Vorschläge wie die | |
des SPD-Politikers [8][Rolf Mützenich zum Einfrieren des Krieges] gehört | |
werden und in dem [9][nicht nur eine Sarah Wagenknecht] das Wort | |
Verhandlungen in den Mund nimmt. | |
Gerade bei den Grünen ist es unverständlich, wie umfassend sie sich von | |
ihrer einst militarismuskritischen Haltung verabschiedet haben. Und mit dem | |
Hinweis auf die Sturmflut von 1962 führt man die Menschen ein wenig in die | |
Irre. Richtig, die Bundeswehr hilft bei Hochwasser. Aber um mit dem | |
Schlauchboot Menschen aus Häusern zu retten, muss man nicht erst lernen, | |
wie ein Gewehr funktioniert. Und an die Flut von 1962 wurde schon x-mal | |
erinnert. | |
Im kollektiven Gedächtnis der Stadt sind auch die furchtbaren | |
[10][Bombenangriffe] während des [11][Hamburger Feuersturms 1943] | |
verankert, denen die Bevölkerung schutzlos ausgeliefert war. Die | |
Generation, die dies miterlebte und aus eigener Erfahrung „Nie wieder | |
Krieg“ forderte und vor der Gefahr eines Atomkrieges warnte, stirbt aus. | |
Die Notwendigkeit einer aktiven Friedenspolitik aber bleibt. Wir sollten | |
nicht feiern. Wir sollten nüchtern diskutieren. Kaija Kutter | |
13 Jun 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Ganz-grosse-Koalition-fuer-Veteranentag/!6006609 | |
[2] /Plaene-zu-neuer-Wehrpflicht/!6016921 | |
[3] /Koalition-plant-einen-Veteranentag/!5969381 | |
[4] https://www.bundeswehr.de/de/ueber-die-bundeswehr/geschichte-bundeswehr/ref… | |
[5] /Szenarien-nach-dem-Ukrainekrieg/!5996013 | |
[6] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/87647/bundeswehr_wertschae… | |
[7] /Oeffentliche-Geloebnisse-der-Bundeswehr/!5641683 | |
[8] /Muetzenichs-Ukraine-Aeusserungen/!5996290 | |
[9] /Ukraine-Kurs-nach-SPD-Niederlage/!6013302 | |
[10] /Bombenangriff-auf-Hamburg-vor-80-Jahren/!5941946 | |
[11] /80-Jahre-Operation-Gomorrha/!5946144 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
Kaija Kutter | |
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