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# taz.de -- Leipziger Demo gegen rechts: „Jetzt geht’s um die Wahlen“
> An rund 100 Orten sind am Wochenende Menschen gegen rechts auf die
> Straßen gegangen. Vor der EU-Wahl ging es auch um Verteidigung der
> Demokratie.
Bild: Laut Veranstalter:innen demonstrierten am Samstag etwa 20.000 Menschen in…
Leipzig taz | Der warme Applaus ist den Rappern PTK und Sechser nicht
genug. „Leipzig, seid ihr da, oder was?“, ruft [1][der Berliner PTK] in die
Menge. Johlend antwortet die Versammlung auf dem Wilhelm-Leuschner-Platz in
Leipzig. Mehrere Tausend stehen am Samstag vor der Bühne, um die Demokratie
gegen Rechtsextremismus verteidigen. PTK ist mit der Reaktion nicht ganz
zufrieden und fragt noch mal nach: „Sind die Leute dahinten auch da?“ Kurze
Pause. „Nein, das merkt ihr selber. Aber euch holen wir noch ab“, sagt PTK,
und schon dröhnt der Bass über den Platz.
Obwohl wieder Tausende auf der Straße stehen, ist die Stimmung anders als
[2][bei den Demonstrationen im Januar], nachdem eine Correctiv-Recherche
ein Geheimtreffen von Rechten aufgedeckt hatte. Nicht nur, weil es damals
deutlich mehr Menschen waren. Vielleicht liegt es an der Temperatur: Die
Sonne strahlt heiß, viele suchen Schutz im kühlen Schatten. Vielleicht
liegt es an der hoffnungslos erscheinenden Faktenlage: Umfragen verzeichnen
zwar eine sinkende Zustimmung für die AfD. Doch [3][vor der Kommunalwahl in
Sachsen] liegt die rechtsextreme Partei zuletzt bei mehr als 30 Prozent.
Um vor den Europa- und Kommunalwahlen „demokratisch gesinnte Wähler“ zu
aktivieren, hatte das Bündnis „Hand in Hand“ zu der Demonstration
aufgerufen. Unterstützung erhielten sie dabei aus unterschiedlichen
politischen Ecken. 221 Leipziger Organisationen unterzeichneten vorab den
Aufruf, der „extrem rechten Normalisierung in Deutschland und Europa nicht
länger zuzuschauen“. Darunter, neben Gewerkschaften, kirchlichen Gemeinden
oder linken Vereinen, auch die FDP und die IHK Leipzig. Selbst Sachsens
Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hatte aufgerufen, an der Demo
teilzunehmen.
Auf der Bühne in Leipzig lautet die gemeinsame Nachricht der
Redner:innen entsprechend: Geht wählen! Die [4][international
erfolgreiche Schauspielerin Sandra Hüller], die in Leipzig lebt, sagt: „Je
mehr wir denken, wir müssen nicht für unsere Werte kämpfen, desto
gefährlicher wird diese Wahl für uns.“ Demokratie und Mitgestaltung sei
anstrengend, aber es lohne sich.
Die Vorsitzende des Leipziger Migrant:innenrats Francesca Russo mahnt:
„Wir sollten den Wert von freien, anonymen und echten Wahlen niemals
unterschätzen. Wir sollten nie vergessen, dass viele Menschen in
Deutschland diese Chance nicht haben.“ Allein in Leipzig haben Tausende
ohne deutsche Staatsbürgerschaft kein Recht zu wählen.
Neben der EU-Wahl geht es in Sachsen um die kommunalen Volksvertretungen:
um die Kreistage sowie um die mehr als 400 Stadt- und Gemeinderäte. 2019
gewannen lokale Wähler:innenvereinigungen die meisten Stimmen,
sachsenweit etwa 26 Prozent. Die CDU bekam 24 Prozent, die AfD 15 Prozent,
die Linke 12 Prozent. Alle übrigen Parteien erzielten einstellige Werte.
Die Volksvertretungen erlassen zwar keine Gesetze, können zu vielen Fragen
aber Beschlüsse verabschieden und entscheiden, was vor Ort mit Geld
passiert. Bei den Kommunalwahlen in Thüringen vor zwei Wochen konnte die
AfD um 8,1 Prozentpunkte zulegen. In manchen Kreistagen stellt sie dort die
stärkste Fraktion. Auch in Thüringen hatte es vor der Wahl Demonstrationen
gegeben. In Erfurt gingen etwa 2.000 Menschen auf die Straße.
In Leipzig zieht sich die Demonstration am Samstag kilometerlang auf dem
Ring um die Innenstadt. Wie viele es genau waren, ist umstritten. Laut
Polizei sind es 12.000, laut Veranstalter:innen 20.000
Teilnehmer:innen. Die lokale Leipziger Zeitung kam mit einer eigenen
Zählung auf etwa 6.000. Sicher ist: Sie skandieren Parolen gegen die AfD
und für die Demokratie.
Nicht dabei ist die CDU Leipzig. Sie hatte vorab kritisiert, dass sich der
Bündnisaufruf nicht auch gegen Islamismus und Linksextremismus richte, und
erklärte, sie wolle kein „Feigenblatt für die Antifa“ sein. Auf der
Demonstration dazu befragt, sagt Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung
der taz: „Übernehmen die Linksextremen oder Islamisten die Macht? Das ist
jetzt nicht der Zeitpunkt dafür. Jetzt geht’s um die Wahlen.“
Etwa hundert Kilometer südlich von Leipzig, in Plauen, freut sich Doritta
Kolb-Unglaub, dass die Kommunalwahlen dieses Jahr im Fokus stehen. Sie ist
[5][Mitbegründerin des Vereins Colorido], der für Samstag ebenfalls eine
Veranstaltung organisiert hatte, um Wähler:innen im sächsischen Vogtland
zu motivieren. Unterstützt von anderen Politik- und Sportvereinen feierten
die Plauener ein Demokratie-Fest mit ukrainischen Gerichten, spanischem
Tanz, Popcorn und Zuckerwatte. Und die Neonazis in Plauen? „Wir hatten
keine Störung. Das ist seit fünf Jahren das erste richtig entspannte
Festival“, sagt Kolb-Unglaub der taz am Telefon.
Allerdings musste ein Redner kurzfristig absagen. Der linke Aktivist und
Buchautor Jakob Springfeld kam nicht nach Plauen, weil er auf dem Weg dahin
am Bahnhof im Chemnitz etwa zehn Neonazis begegnet war. Sie hätten ihn
offenbar erkannt, er sei allein gewesen, berichtet er der taz. Darum sei er
nicht in den Zug gestiegen.
Kolb-Unglaub in Plauen klingt ernüchtert: „Das ist Alltag auf dem
sächsischen Land.“ Umso wichtiger seien die Großdemonstrationen in Leipzig,
Dresden oder Berlin. „Das sind Signale, die wir in einer kleineren Stadt
wie Plauen mitbekommen. Das ist alles wichtig.“
9 Jun 2024
## LINKS
[1] /Politischer-Deutschrap/!5743455
[2] /Demos-gegen-rechts/!5994464
[3] /Freie-Sachsen-vor-der-Kommunalwahl/!6012039
[4] /Cannes-Gewinner-Anatomie-eines-Falls/!5966893
[5] /Neonazi-Partei-III-Weg/!5850506
## AUTOREN
David Muschenich
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