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# taz.de -- Unternehmen gegen Rechtsruck: „Wir ticken international“
> Der sächsische Uhrenhersteller Nomos Glashütte will sich einem drohenden
> Rechtsruck nicht hilflos ausliefern. Der würde Jobs und Umsatz kosten.
Bild: Bangen um Kunden, Geld und Jobs: Firmen in der EU stellen sich gegen rech…
Berlin taz | Judith Borowski treibt der Rechtsruck um. „Was wir an Europa
schätzen, wird es nicht mehr geben, wenn AfD und Co. an die Macht kommen“,
warnt die Geschäftsführerin von Nomos Glashütte. Überall in Europa würden
Rechtspopulisten antreten, um die gesellschaftliche Solidarität zu
zerstören. Borowskis Unternehmen stellt im sächsischen Glashütte
Armbanduhren her.
Dort steht dieses Jahr nicht nur die Europawahl an[1][. Am 1. September
wählt Sachsen auch einen neuen Landtag.] In Umfragen stärkste Kraft ist die
AfD. Das macht sich Borowski zufolge auch an der Stimmung im Osterzgebirge
bemerkbar. „Die ist deutlich schlechter geworden“, sagt sie. Viele Menschen
würden aussprechen, was sie früher vielleicht nur gedacht hätten.
[2][Gegen diesen Rechtsdrall] stemmt sich Nomos Glashütte schon länger. Als
es 2015 zu Protesten gegen ein nahe gelegenes Heim für Geflüchtete kam,
wollte das Unternehmen ein Zeichen setzen. Es brachte an seinem
Hauptgebäude ein großes Transparent an. Darauf stand: „Wir ticken
international. Nein zu rechtem Gedankengut.“
Zwar hat die Uhrenmanufaktur laut eigenen Angaben unter den Firmen der
sächsischen Kleinstadt keine Mitstreiter. Dafür mehren sich im Rest der
Republik die Stimmen aus der Wirtschaft, die vor einem Rechtsruck warnen.
Besonders viele Wortmeldungen gibt es, seitdem das Recherchenetzwerk
Correctiv im Januar ein Treffen von Rechtsextremen in Potsdam öffentlich
machte, auf dem über Deportationspläne diskutiert wurde.
## AfD schadet der Wirtschaft
„Die AfD schürt Misstrauen gegen jedermann. Es gibt Anzeichen, dass die
Werte des Grundgesetzes unterwandert werden“, sagte unlängst der Milliardär
und Schraubenhersteller Reinhold Würth dem Handelsblatt. Und die
Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) warnen in einem
Positionspapier: „Die Programmatik der AfD schadet der Wirtschaft in der
Hauptstadtregion. Sie grenzt Menschen aus und setzt auf Abschottung und
Nationalismus.“
Auch die großen Konzerne machen mobil. Rund 30 von ihnen haben sich im
Bündnis „Wir stehen für Werte“ zusammengeschlossen, darunter Siemens,
Allianz, RWE und Mercedes. Die Initiative, die eigenen Angaben zufolge für
insgesamt 1,7 Millionen Arbeitsplätze steht, will neben Vielfalt, Offenheit
und Toleranz auch für ein geeintes Europa eintreten. Denn dieses ist durch
einen Wahlerfolg der AfD gefährdet. Immer wieder bringen
Politiker*innen der rechtsextremen Partei einen Dexit, einen Austritt
Deutschlands aus der EU, ins Spiel. „Wir halten die EU für nicht
reformierbar und sehen sie als gescheitertes Projekt“, schreibt die AfD in
der Präambel ihres Europawahlprogramms. Den Euro will sie abschaffen.
Solche Pläne würden verheerende Folgen haben, warnen Ökonom*innen. Auch mit
Verweis auf Erfahrungen mit dem Brexit. Der Austritt Großbritanniens aus
der EU Ende Januar 2020 habe dem Land „erheblichen wirtschaftlichen
Schaden“ zugefügt, heißt es in einem Paper des arbeitgebernahen Instituts
der deutschen Wirtschaft (IW). Die von den Befürwortern des Brexits
gehegten Hoffnungen hätten sich offensichtlich nicht erfüllt. „Das ist
nicht verwunderlich, denn der Brexit bringt eine wirtschaftliche
Desintegration mit der EU als dem größten Handelspartner des UK mit sich.“
## Dexit würde Millionen Arbeitsplätze kosten
Das IW hat auch berechnet, [3][welche Folgen ein Dexit für die deutsche
Wirtschaft hätte.] Seine Prognose: Durch einen Austritt Deutschlands aus
der EU würden innerhalb der ersten fünf Jahre 690 Milliarden Euro an
Wertschöpfung verloren gehen. Dadurch würde das Bruttoinlandsprodukt um 5,6
Prozent schrumpfen, 2,5 Millionen Arbeitsplätze würden vernichtet. „Weil
Deutschland als Exportnation stark vom Handel mit anderen Staaten abhängig
ist, insbesondere anderer EU-Mitglieder, bekämen Unternehmen und
Verbraucher die Folgen hierzulande deutlich zu spüren“, so das IW.
Gleichzeitig haben Unternehmen im Kampf gegen rechts laut Managerin
Borowski als Arbeitsplätze eine ganz besondere Bedeutung: „Sie sind
mittlerweile für viele die einzigen Orte, an denen sie ihre Bubble
verlassen. In Unternehmen kommen Menschen unterschiedlicher Ansicht,
Herkunft und Generationen zusammen, hier kann man Toleranz üben und im
Kleinen eben auch Demokratie.“
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, macht Nomos Glashütte beim Programm
Business Council for Democracy (BC4D) mit. Dieses wurde vor einigen Jahren
von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung zusammen mit dem Institute for
Strategic Dialogue (ISD) und der Robert Bosch Stiftung ins Leben gerufen
und bietet Unternehmen Schulungen für ihre Angestellten an. Diese können
dort lernen, wie man Verschwörungstheorien und Fake News erkennen oder Hass
und Hetze begegnen kann.
Laut Borowski trägt das jahrelange Engagement von Nomos Glashütte auch
innerhalb des Betriebs Früchte. „Wir haben eine Mitarbeiterschaft, die es
größtenteils gut und richtig findet, was wir tun“, sagt die Managerin. Zwar
glaube auch sie nicht, dass keiner in ihrem Betrieb die AfD wählt. Doch sei
die Zustimmung „mit Sicherheit deutlich geringer als auf der Straße“. Die
Haltung von Nomos habe sich herumgesprochen, AfD-Anhänger würden eher
anderswo Arbeit und Anstellung suchen als bei dem Uhrenhersteller.
30 May 2024
## LINKS
[1] /Vorwuerfe-gegen-AfD/!6009851
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[3] /Appell-vor-EU-Wahl/!6009113
## AUTOREN
Simon Poelchau
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