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# taz.de -- Die peinlichste Sportart der Welt: Joggen ist so traurig…
> Persönliche Bestmarken, Halbmarathon, Marathon. Unser Autor ist kurz auf
> den Hype reingefallen. Doch jetzt ist er wieder bei klarem Verstand.
Bild: Besonders traurig: Laufen im Regen
Seit ein paar Monaten sind sie wieder überall. Die Läufer:innen. Im Park
drehen sie schnaufend ihre Runden, auf [1][Instagram] geben sie damit an,
dass sie für einen Halbmarathon trainieren, und auch in meinem
Freundeskreis geht es immer mehr um die Bestmarken auf fünf bis zehn
Kilometern.
Ich muss zugeben: Auch mich hat der Hype erwischt, ich habe mich mitreißen
lassen und mich zum Berliner Halbmarathon angemeldet. Und es sehr bereut.
Jetzt bin ich wieder bei Verstand und mache Sport, der tatsächlich Spaß
macht. Laufen gehen zählt auf keinen Fall dazu. Wer etwas anderes sagt,
lügt sich entweder selbst an oder hatte einfach noch nie wirklich [2][Spaß
beim Sport].
Laufen gehen ist Masochismus, ideenloses Muskelstählen und simples Mittel
zum Zweck. Allein die Ausrüstung: Natürlich kann man einfach ein Paar
Sportschuhe nehmen und drauf losjoggen, aber das machen heutzutage die
wenigsten.
Echte Läufer:innen müssen scheinbar [3][optimierte] Sport-Cyborgs sein,
mit einer Sportuhr für den Puls, Carbon in der Schuhsole zur besseren
Abfederung und Kompressionssocken, damit die Füße länger durchhalten. Eine
Tracking-App ist sowieso immer aktiviert. Diesen Equipment-Fetisch haben
Läufer:innen übrigens mit Rennradfahrer:innen gemeinsam.
Ich kenne niemanden, der beim Fußballspielen jemals getrackt hat, wie viele
Kilometer er gelaufen ist. Das Ganze ist nicht nur elitär, sondern vor
allem eins: spaßbefreit. Es mag die Performance steigern, aber muss das in
der Freizeit unbedingt sein? Keine:r von uns wird je an den Olympischen
Spielen teilnehmen. Wieso tun alle so, als müssten wir darauf hin
trainieren? Haben wir nicht schon genug Druck im Alltag?
Wenn ich das zu Läufer:innen sage, ist das häufigste Gegenargument das
sogenannte „runner’s high“, das viele von ihnen regelmäßig erfahren. Der
Körper schüttet dabei ein Übermaß an Endorphinen aus, plötzlich tut alles
nicht mehr so sehr weh und man könnte gefühlt ewig weiterlaufen.
Auch ich habe das schon ein paarmal erlebt. Aber bitte, ist das unser Ziel
beim Sport? Eine hormonelle Reaktion in unserem Gehirn, die dafür sorgt,
dass wir uns gut fühlen, weil wir uns hart genug gequält haben? Dann könnte
ich ja gleich den einen Sport machen, der noch stupider als Joggen ist:
Pumpen im Gym.
Nein, beim Sport möchte ich nicht wissen, wie viele Kalorien ich verbrannt
oder wie viele persönliche Rekorde ich aufgestellt habe. Ich will einfach
Spaß haben und mich bewegen. Team- und vor allem Ballsportarten sind dafür
perfekt. Es gibt ständig kleine Erfolgserlebnisse, man hat von der ersten
bis zur letzten Minute eine gute Zeit und nicht erst am Ende, wenn einen
der Körper für die Ertüchtigung belohnt.
Dabei geht es nicht nur um den Wettbewerb, den hat man ja schließlich auch
beim Joggen. Es geht um Kreativität, Witz, Kommunikation, und ja, auch
Schönheit. Der kluge Spielzug, der perfekt gelingt, das komische
Missverständnis zwischen Mitspieler:innen, über das alle gemeinsam lachen,
die Sprüche und Jokes, die am laufenden Band herumfliegen, oder der
geniale Ball, der alle für einen Augenblick innehalten und staunen lässt.
Eine Frage an die Läufer:innen: Habt ihr solche Momente auch beim Joggen?
Jetzt kommt mir bloß nicht damit, dass Laufen so meditativ ist. Auch das
ergibt keinen Sinn. Geradeaus laufen schaffen die meisten ohne Probleme.
Der Kopf hat also alle Zeit der Welt, über all die Dinge nachzudenken, die
man eigentlich vergessen wollte. Kein Wunder, dass die meisten
Läufer:innen Musik oder Podcasts hören, um ihre Gedanken zu übertönen.
Bei Ballsportarten ist das anders. Wer da ins Grübeln gerät, hat direkt den
Anschluss verpasst. Also, liebe Läufer:innen: Probiert doch mal einen
anderen Sport aus. Bewegung kann nämlich wirklich richtig viel Spaß machen.
25 May 2024
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## AUTOREN
Lorenzo Gavarini
## TAGS
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