Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Zivilgesellschaft in Tunesien: Kompromisslos gegen Kritiker*innen
> Tunesien lässt vermehrt Kritiker*innen verhaften. Vor laufender Kamera
> hat es nun eine prominente Anwältin getroffen. Proteste sind geplant.
Bild: Anwälte tragen Transparente während einer Protestaktion gegen die Verha…
Tunis taz | Die Reporterin des Nachrichtensenders France 24 wollte Sonia
Dahmani gerade vor die Kamera bitten, als vermummte Polizeibeamte in das
„Haus der Anwälte“ stürmten. Mit einem stummen Lächeln ließ sich die
prominente Rechtsanwältin und Kommentatorin des politischen Lebens in
Tunesien abführen. Wie die zwei zeitgleich mit ihr verhafteten
Journalist:innen Mourad Zeghidi und Bohren Bsaies sitzt sie nun in
Untersuchungshaft.
„Nicht einmal während des [1][Ben-Ali-Regimes] haben es Sicherheitskräfte
gewagt, in unser Gebäude einzudringen und das Recht so offensichtlich zu
brechen“, sagt ein sichtlich geschockter Anwalt der taz wenige Momente nach
dem Sturm. Auch der Kameramann von France 24 wurde kurz festgehalten. Als
die Beamten die Herausgabe der Speicherkarte seiner Kamera einforderten,
wurde ihnen klar, dass die ganze Aktion live übertragen worden war.
Die für regierungskritische Kommentare landesweit bekannte Dahmani hatte
mit ihren Anwälten und einigen Aktivist*innen zu einem Protest gegen
das laufende Verfahren der Staatsanwaltschaft aufgerufen. Ihr droht nun
eine mehrjährige Haftstrafe für das Verbreiten von Falschinformationen.
Offensichtlich geht den Anhängern von Präsident Kais Saied mittlerweile
selbst vorsichtige Kritik zu weit. Wie viele weibliche Stimmen der
tunesischen Zivilgesellschaft fordert Dahmani gesellschaftliche Reformen
und ein Ende der Gewalt gegen Migrant:innen und Andersdenkende.
## Aufruf zu landesweitem Streik
Die [2][täglich über Libyen und Algerien kommenden Migrant:innen] seien
Teil eines Ansiedlungsplans dunkler Mächte, erklärt Präsident Kais Saied.
Mit Beginn der verstärkten Kooperation zwischen der EU und Tunesien wurden
tausende Migrant:innen und Flüchtlinge verhaftet und [3][an den
Landesgrenzen ausgesetzt]. Kritik an dieser Praxis und der Verhaftung von
mehr als 60 Politiker*innen, Journalist*innen und Saied-Gegner*innen
wagten bisher nur wenige.
Die Verhaftung vor laufender Kamera könnte dies nun ändern. Der Verband der
Rechtsanwälte rief am Sonntag zu einem landesweiten Streik auf.
Verschiedene der zuletzt inaktiven Menschenrechtsorganisationen planen für
diese Woche Protestaktionen.
Die Justiz gibt sich derweil kompromisslos. Die Journalist*innen Bsaies
und Zeghidi bleiben in Haft, wurde am Montag entschieden. Zeghidi hatte auf
sozialen Medien seinen Kollegen Mohammed Boughalleb verteidigt, der wegen
„Diffamierung eines Offiziellen“ zu sechs Monaten Haft verurteilt worden
war.
13 May 2024
## LINKS
[1] /Tunesiens-autoritaeres-Regime/!5153943
[2] /Gefluechtete-in-Tunesien/!6005948
[3] /Tausende-Fluechtende-in-Tunesien/!5999193
## AUTOREN
Mirco Keilberth
## TAGS
Tunesien
Kais Saied
Migration
Tunesien
Algerien
Tunesien
Tunesien
Tunis
Kolumne Stadtgespräch
Tunesien
Podcast „Freie Rede“
Tunesien
Tunesien
## ARTIKEL ZUM THEMA
EU-Liste sicherer Staaten: Verunsichertes Herkunftsland
Die EU-Kommission deklarierte diese Woche sieben Staaten als sicher genug
für Abschiebungen. Darunter auch Tunesien, wo gerade Migranten gejagt
werden.
Präsidentschaftswahl Algerien: Wahlbeteiligung unter 50 Prozent
Sieger wird wohl der mit harter Hand regierende Amtsinhaber Tebboune. Doch
glücklich mit der Wahlbeteiligung ist er nicht.
Repression in Tunesien: Erinnerungen an Ben Ali werden wach
Im Herbst wählt Tunesien. Doch Staatschef Saied scheint kein Interesse an
freien Präsidentschaftswahl zu haben. Hinzu kommt eine Verhaftungswelle.
Wahlen in Tunesien: Europa darf nicht wegschauen
Tunesiens Präsident hat für Oktober Neuwahlen angesetzt. Auf freie Wahlen
kann man allerdings nicht hoffen – daran trägt auch die EU Schuld.
Pressefreiheit in Tunesien: Kein fabelhaftes Land
Die tunesische TV-Moderatorin Sonia Dahmani wurde nach einem
regierungskritischen Spruch verhaftet. Ihre Kollegen sehen die
Pressefreiheit in Gefahr.
Verschwörungsideologie in Tunesien: Karthago muss zerstört werden
Zu seinem Geburtstag trug Mark Zuckerberg ein Shirt mit dem bekannten
Zitat. In Karthago, das heute zu Tunis gehört, wittert man Gefahr für
Tunesien.
Migration in Nordafrika: Richtungswechsel in der Sahara
Eine Staatenallianz in Nordafrika will die Migration nach Europa stoppen.
Tausende sind nun auf der Sahararoute in Richtung Süden unterwegs.
EU-Migrationsprojekt 2024: Migrationspolitik mitentscheiden
In einem Monat bestimmt die EU ihr neues Parlament, Migration ist ein
großes Thema im Wahlkampf. Doch steht eine andere Migrationspolitik zur
Wahl?
Geflüchtete in Tunesien: Polizei räumt Camps in Tunis
Sicherheitskräfte sind gegen Geflüchteten-Lager in Tunis vorgegangen.
Mehrere hundert Personen wurden in anderen Landesteilen ausgesetzt.
Tausende Flüchtende in Tunesien: Schutzlos im Olivenhain
Seit einem EU-Deal kommen weniger Flüchtlinge von Tunesien nach Europa.
Rund 70.000 Menschen harren stattdessen in provisorischen Camps aus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.