# taz.de -- Klimarettung für alle: Werbung für winzige Wälder | |
> Mit einem „Mobilen Wald“ macht sich der Bremer Verein Ausspann für „Ti… | |
> Forests“ stark. Sie anzupflanzen soll in Städten ein bisschen Klima | |
> retten. | |
Bild: Pflanzaktionen geben das Gefühl, gemeinsam etwas gegen den Klimawandel z… | |
Bremen taz | Die ehrenamtlichen Waldarbeiter haben keine Sägen dabei und | |
sind am Dienstag um 9 Uhr erst nur zu zweit. Das reicht gerade mal, um die | |
zwei Staketenzaun-Elemente umzulegen und einzurollen, die seit dem 9. Mai | |
das Gehölz vorm Bremer Rathaus beschützt hatten. Auch wenn es winzig, ja, | |
fast ein wenig kläglich wirkt, werden sie auf die anderen Freiwilligen noch | |
warten müssen, um es, wie geplant, zu beseitigen. Der „Mobile Wald“ auf dem | |
Rathausplatz ist eine Kunstaktion gewesen, ein Symbol mit Appellcharakter. | |
„Überlebenswichtig: [1][Wald statt Asphalt]“ übersetzt ein Transparent die | |
mit ihm erhobene Forderung in eine griffige Formel. Seine nächste Station | |
hätte die vollständig versiegelte Überseestadt sein sollen, aber das klappt | |
jetzt aus persönlichen Gründen nicht. Danach ist der Stadtteil Walle | |
angepeilt. | |
Der Wald besteht aus gerade mal 15 Pflanzkübeln, in denen junge Buchen, | |
Eichen, Wurmfarn und auch eine staksige Haselnuss sich gen Himmel recken. | |
Wenig erinnert da an „finstern Tann“ oder rauschende Wipfel. Und doch hat | |
das frische Grün der komplettverpflasterten und mit drei ausgesprochen | |
unförmigen Reiterstandbildern zugeballerten Fläche zwischen Dom, | |
Bürgerschaft und Rathaus einen tröstlichen Akzent verliehen. Einen, der | |
nach Leben aussieht. | |
Oder gar danach sehnen lässt. „Wir hatten sehr viele Gespräche, während wir | |
hier waren“, resümiert Projektleiter Ronald Philipps vom Kultur- und | |
Integrations-Verein Ausspann die Wirkung der zehntägigen Präsenz seiner | |
Kübel-Skulptur. Viele Tourist*innen hätten Selfies von sich mit den | |
Pflanzen gemacht. | |
„Das sind die neuen Stadtmusikanten“ flaxt Künstler Philipps, und meint | |
damit nicht nur die offenbar als fotogen empfundene Besetzung des | |
öffentlichen Raums durch seine soziale Skulptur, sondern auch die Herkunft | |
der Pflanzen: „Die sind alle aus hiesigen Gärten [2][ausgesondert]“, sagt | |
er. Die Aktion soll in Bremen fürs Konzept der „Tiny Forests“ begeistern, | |
erläutert sein Kollege Frank Riepe. | |
## Gemeinsam pflanzen soll empowern | |
Gemeint ist damit eine dichte, artenreiche Aufforstung auf Flächen von | |
gerade einmal 100 bis maximal 2.000 Quadratmetern. Sie geschieht | |
ausdrücklich im Kollektiv, durch empowernde nachbarschaftliche | |
Pflanzaktionen, was sie integrativ und sozialpsychologisch extrem wertvoll | |
erscheinen lässt, angesichts der Ängste, die von der voranschreitenden | |
Klimakatastrophe ausgelöst werden. | |
Ausgangspunktist die 1980 vom Botaniker Akira Miyawaki entwickelte und | |
seither anhand von 1.700 Projekt-Pflanzungen bewiesene Theorie, dass sich | |
auf solchen Kleinstflächen menschlich stimuliert Waldwachstum extrem | |
beschleunigen lässt. So hatten sich aus Miyawakis Mini-Pflanzungen im Laufe | |
eines Jahrzehnts 1.644 zu widerstandsfähigen Ökosystemen entwickelt, knapp | |
97 Prozent. Das Konzept modifiziert und seine soziale Komponente gestärkt | |
hat dann der indische Toyota-Ingenieur Shubundu Sherma. | |
Seit 2015 wird es auch in Europa erprobt, überwacht vom | |
niederländischen[3][Instituut voor natuureducatie en duurzaamheid] | |
(Institut für Naturerziehung und Nachhaltigkeit, IVN), das den „Tiny | |
Forest“-Begriff markenrechtlich hat schützen lassen. Zugleich wird weltweit | |
erkundet, wie es im städtischen Umfeld funktioniert – und beispielsweise | |
urbane Hitzeinseln beseitigen kann, ein besonders dringliches Anliegen, | |
weil diese sowohl Klimawandel befeuern – als auch von ihm geschaffen | |
werden. | |
Es gehe „um echten Wald“ betont Boris Kohnke vom Bündnis Citizen Forest. | |
Der Hamburger Verein hat gerade mit einer Pflanz-in-den-Mai-Aktion sein | |
fünfjähriges Bestehen gefeiert. Er war es, der 2019 den ersten | |
Miyawaki-Sherma-Wald in Deutschland gepflanzt hat, im holsteinischen | |
Bönningstedt gleich nördlich von Hamburg Schnelsen. Seither sind etliche | |
dazu gekommen, etwa in Quickborn, in Wandsbek und vor einem Jahr gleich | |
zwei in Altona, an der Thedestraße und beim Bunker im Möller-Park. | |
## Wälder dürfen Urwald werden | |
„Wenn Sie in Deutschland von Wald reden, dann meinen Sie Plantagen“, | |
erklärt Kohnke. Die Tiny Forests aber seien weder für die | |
Holzbewirtschaftung noch fürs Wandeln unterm Blätterdach konzipiert. „Die | |
werden sich selbst überlassen“, erklärt er. Die von Miyawaki geforderte | |
dichte Pflanzung macht aus ihnen undurchdringliche mehrstöckige | |
Vegetationsgemeinschaften. | |
Ganz in dem Sinne hat sich auch die Bremer Initiative unterm Dach des | |
Bremer Ausspann-Vereins, die derzeit in Walle und in der Neustadt für | |
konkrete Bewaldungen wirbt MiniatUrwald genannt. „Bremen“, erklärt Frank | |
Riepe, warum das wohl so lange auf sich hat warten lassen, „wird oft als | |
sehr grüne Stadt wahrgenommen.“ Auch dafür sei die Aktion mit dem mobilen | |
Wald wichtig – „weil man dann an den Stellen sehr schnell merkt, wie | |
versiegelt sie doch sind“. | |
21 May 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Regierung-streitet-ueber-Waldgesetz/!6007521 | |
[2] /Biologin-ueber-Gaertnern/!5996730 | |
[3] https://www.ivn.nl/ | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
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