| # taz.de -- Tiny Forest in Berlin: Ein Experiment aus Bäumen | |
| > Berlins erster öffentlicher „Tiny Forest“ entsteht am Rand von Moabit. Zu | |
| > beobachten, wie ein urbaner Miniwald sich entwickelt, ist Teil des | |
| > Projekts. | |
| Bild: Der Wald kommt noch: Simone Grünwald vor dem künftigen Tiny Forest im M… | |
| Berlin taz | In der Nähe des Westhafens, zwischen Großmärkten und | |
| Autowerkstätten, liegt der [1][„Moabiter Stadtgarten“], eine öffentliche | |
| Grünanlage auf dem Gelände des einstigen Moabiter Güterbahnhofs. Hinter dem | |
| Bahnhofsgebäude aus Klinker mit einer modernen Ergänzung aus Glas und | |
| Stahl, das heute das Zentrum für Kunst und Urbanistik (ZK/U) beherbergt, | |
| steigt das Gelände leicht an und endet an einer Mauer – dahinter liegen die | |
| viel befahrene Erna-Samuel-Straße und der S-Bahn-Ring. | |
| Der Kinderspielplatz auf der einen Seite der Gebäude hat schon bessere Tage | |
| gesehen. Die Kletterlandschaft aus kistenartigen Gebilden, die an die | |
| Geschichte des Ortes als Umschlagplatz für Waren erinnern soll, ist | |
| baufällig und abgesperrt. Auf der anderen Seite sieht es deutlich | |
| freundlicher aus: Hier befindet sich der bunt zusammengewürfelte | |
| [2][„Bürger*innengarten“ der NaturFreunde Berlin] mit gemeinschaftlich | |
| bewirtschafteten Parzellen. | |
| Gleich daneben ist eine runde Fläche mit hölzernen Staketenzäunen | |
| abgezirkelt, der Boden darin mit Pflöcken und Schnüren in Quadrate | |
| unterteilt. Viel mehr gibt es nicht zu sehen – noch nicht: An diesem | |
| Samstag soll hier einer der ersten öffentlichen „Tiny Forests“ Berlins | |
| gepflanzt werden. Ein Miniaturwald, den man entspannt in zwei Minuten | |
| umschreiten kann, in der Mitte eine winzige, mit Rindenmulch bedeckte | |
| Lichtung. Er soll die lokale Biodiversität erhöhen und einen Beitrag zur | |
| Klimaanpassung leisten, etwa zur Kühlung der Umgebung in der Sommerhitze. | |
| „Pro Quadrat werden wir neun Setzlinge pflanzen, insgesamt über 400“, sagt | |
| Simone Grünwald vom Verein Kiezwald, die mit ihren beiden Mitstreiterinnen | |
| Hanna Potthast und Kristina Schmygarjew den Tiny Forest im Stadtgarten | |
| entwickelt. 25 verschiedene Arten sind es, darunter Erle, Buche, Eiche und | |
| Esche, Weißdorn, Schneeball und Holunder. Geliefert werden die Setzlinge | |
| von zwei Baumschulen aus der Region, in den Boden bringen sie | |
| AnwohnerInnen, aber auch SchülerInnen der Theodor-Heuss-Gemeinschaftsschule | |
| gleich nebenan. | |
| Schon im April hatten Freiwillige auf der Fläche als Gründüngung schnell | |
| wachsende einjährige Pflanzen ausgesät, die den Boden mit Stickstoff | |
| angereichert haben. Zum Abschluss der Pflanzaktion am Samstag wird alles | |
| gut gewässert und eine dicke Mulchschicht aus Laub und Stroh zwischen den | |
| Setzlingen ausgebracht. Ab dann soll sich alles im Grunde von selbst | |
| entwickeln – auch wenn behutsame Eingriffe nicht ausgeschlossen sind. | |
| ## Nur leichte Pflege nötig | |
| „Die ersten drei Jahre muss der Wald leicht gepflegt werden, falls die | |
| städtischen Beikräuter Überhang nehmen“, sagt Kristina Schmygarjew. „Und… | |
| Hitzephasen muss man überprüfen, ob gelegentlich gewässert werden soll.“ | |
| Dass der Tiny Forest in Kürze vom Götterbaum überwuchert wird, einer | |
| invasiven Art, die sich in Berlin auf Brachen und im Straßenland rasant | |
| ausbreitet, sei nicht zu befürchten, so Schmygarjew: „Durch die üppige | |
| Mulchschicht haben die Samen keine Chance, zu keimen.“ | |
| Der Verein Kiezwald hat sich das alles nicht selbst ausgedacht – er baut | |
| auf dem Tiny-Forest-Konzept des japanischen Ökologen Akira Miyawaki | |
| (1928–2021) auf, das von dem indischen Öko-Unternehmer Shubhendu Sharma | |
| weiterentwickelt wurde. In Europa gibt es erst seit einigen Jahren solche | |
| Projekte, der erste Tiny Forest entstand 2015 in Zaanstad bei Amsterdam. | |
| Auch [3][in Deutschland nimmt die Idee Fahrt auf]: Den ersten Miniwald auf | |
| einer öffentlichen Fläche legte der Verein Citizens Forests 2019 im | |
| schleswig-holsteinischen Bönningstedt an, etliche Projekte an anderen Orten | |
| folgten. In Berlin wächst auf dem Spittelmarkt [4][der „Gertraudenhain“ des | |
| Künstlers Christof Zwiener], und Kiezwald e. V. hat seinen ersten, nicht | |
| öffentlich zugänglichen Tiny Forest auf dem Gelände des Pankower | |
| Max-Delbrück-Gymnasiums gepflanzt, zusammen mit der Schulgemeinschaft. | |
| Aber wie soll das funktionieren, ein Wald so groß wie eine | |
| Vierzimmerwohnung? „Die Entwicklung durchläuft mehrere Phasen“, erklärt | |
| Schmygarjew. „Am Anfang haben wir eine große Vielfalt und eine | |
| Pflanzendichte, die schnell eine dichte Blattmasse bildet und sich | |
| gegenseitig schützt.“ Durch die Schattenbildung nehme im weiteren Verlauf | |
| allerdings die Anzahl der Pflanzen ab – wie in einem natürlichen Wald auch, | |
| wo größere, langsam wachsende Bäume die kleineren Pionierarten irgendwann | |
| verdrängen. | |
| Insgesamt bedeute das aber nicht Artenarmut, so Schmygarjew: „Die | |
| Biodiversität des Systems steigt mit der Größe der Bäume, weil der einzelne | |
| ausgewachsene Baum je nach Größe mehr Platz für verschiedene Tiere, | |
| Insekten, Flechten und Organismen bietet.“ | |
| ## Ein „Grünes Klassenzimmer“ | |
| Bis zu einem gewissen Grad ist das Ganze auch ein Experiment. Wie genau | |
| sich ein Tiny Forest an einem bestimmten Standort entwickelt, lässt sich | |
| nur bedingt vorhersehen. Genau das ist aber auch Teil des Projekts: Der | |
| Miniaturwald soll im Sinn der „Citizen Science“ und als „Grünes | |
| Klassenzimmer“ eine Bildungsfunktion erfüllen. | |
| „Die SchülerInnen wollen zweimal im Jahr die Entwicklung dokumentieren und | |
| das Wachstum der Bäume, aber auch die Temperaturen innerhalb und außerhalb | |
| des Tiny Forest messen“, erklärt Hanna Potthast. Einige Bodenplatten werden | |
| im „Wald“ verlegt, die dann angehoben werden können, um zu beobachten, | |
| welche Lebewesen darunter aktiv sind. | |
| Unterstützung bekommt der Verein in Moabit durch das ZK/U, das die | |
| unterschiedlichen Angebote im Stadtgarten als „Klima-Parcours“ | |
| zusammendenkt, der „die Menschen zum klimaresilienten Handeln und Denken | |
| befähigen soll“. Gefördert wird der Tiny Forest unter anderem durch das | |
| Bezirksprogramm „Lebendiges Zentrum und Sanierungsgebiet Turmstraße“. | |
| „Das Ganze hat viel Überzeugungsarbeit gekostet, aber je weiter das Projekt | |
| voranschreitet, desto mehr Leichtigkeit entwickelt sich“, sagt Potthast. | |
| Nicht überall lassen sich die öffentlichen Stellen von einem solch | |
| ungewöhnlichen Projekt überzeugen: Die Planungen für das „Nordend-Dreieck�… | |
| eine Rasenfläche am alten Tram-Betriebsbahnhof Niederschönhausen, musste | |
| der Verein Kiezwald aufgeben, da das Bezirksamt Pankow kein grünes Licht | |
| gab. | |
| Aktuell warten Grünwald, Potthast und Schmygarjew im selben Bezirk auf das | |
| Okay des Schulamts, um einen Tiny Forest auf dem Gelände der | |
| Picasso-Grundschule anzulegen, und der Projektpartner Parkring e. V. will | |
| mit ihnen einen Miniwald in Neu-Tempelhof realisieren. Dort hapert es im | |
| Augenblick noch an Fragen des Denkmalschutzes. | |
| Die Pflanzaktion startet am Samstag, 16.11.24, um 11 Uhr im Moabiter | |
| Stadtgarten, Siemensstraße 27 (U- und S-Bahnhof Westhafen oder S-Bahnhof | |
| Beusselstraße). | |
| 15 Nov 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.nachhaltige-erneuerung.berlin.de/tiergarten-nordring-heidestras… | |
| [2] https://www.naturfreunde-berlin.de/buergerinnengarten-moabiter-stadtgarten | |
| [3] /Vom-Nutzen-der-Tiny-Forests/!5988038 | |
| [4] /Gertraudenhain-in-Berlin-Mitte/!6001652 | |
| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
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